Großbürgerliches Feuilleton und reißerischer Boulevard 

Der österreichische Journalist und Zeitungsverleger Leopold Landsteiner (1817/18–1875) Bild: Wikimedia Commons

Als der Arzt und Politiker Adolf Fischhof im März 1848 die wesentlichen Forderungen der Revolution nannte, war auch die Pressefreiheit darunter. Bis 1938 wurde das österreichische Pressewesen wesentlich von jüdischen Journalisten geprägt. 

Von Danielle Spera

Leopold Landsteiner (1817–1875) gründete gemeinsam mit August Zang 1848 Die Presse, deren Chefredakteur er wurde und die bis 1896 bestand. 1850 gründete er die populäre Morgenpost. Er übernahm 1849 für ein halbes Jahr die Österreichische Reichszeitung und erwarb 1854 den Wiener Telegraph. Landsteiner und seine Frau Fanny waren die Eltern des Entdeckers der Blutgruppen Karl Landsteiner. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sorgten die zunehmende Industrialisierung, der technische Fortschritt, der wirtschaftliche Aufschwung und der dem Freiheitsgedanken verpflichtete Liberalismus für eine Aufwärtsentwicklung der Presse.

Als Konkurrenz zur Tageszeitung Die Presse entstand 1864 die Neue Freie Presse, gegründet von Michael Etienne und Max Friedländer, die großen Wert auf das Feuilleton, Wirtschafts- und Kulturberichterstattung legten. Hier schrieben unter anderem Theodor Herzl, Eduard Hanslick oder Daniel Spitzer, Autor der Wiener Spaziergänge. Unter ihrem einflussreichen Chefredakteur Moritz Benedikt (1849–1920) wurde die Neue Freie Presse zur auflagenstärksten Zeitung, in der die bekanntesten Journalisten schrieben. Die großbürgerlich-liberale Zeitung wurde nach dem Tod von Moritz Benedikt von seinem Sohn Ernst Martin Benedikt geleitet. 1938 wurde die Zeitung „arisiert“, die 22 jüdischen Journalisten entlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging Die Presse aus der Neuen Freien Presse hervor.

1867 erschien erstmals das Neue Wiener Tagblatt von Moritz Szeps (1835–1902), der zuvor bei der Morgenpost tätig gewesen war. Die deutsch-liberal bürgerliche Zeitung stand in Konkurrenz zur Neuen Freien Presse. Moritz Szeps galt als der mächtigste Zeitungsmann der Monarchie und war Gründer des Presseclubs Concordia. Mit Kronprinz Rudolf verband ihn eine enge Freundschaft. Er veröffentlichte anonyme Artikel, die der Thronfolger geschrieben hatte. 1939 wurde das Tagblatt mit dem Neuen Wiener Journal zusammengelegt.

Nach dem Börsenkrach 1873 und aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Zuspitzung kam es zur Gründung von ideologisch geprägten Blättern: Die Reichspost der Christlichsozialen, Das deutsche Volksblatt der Deutschnationalen und die Arbeiter-Zeitung als Zentralorgan der Sozialdemokraten, geprägt durch Victor Adler (1852–1918) und Friedrich Austerlitz (1862–1931). Als Nationalratsabgeordneter arbeitete Austerlitz an der Entwicklung des Pressegesetzes mit. Nach seinem Tod übernahm der Jurist Oscar Pollak (1893–1963) die Chefredaktion. Er engagierte sich im Widerstand gegen das Dollfuß-Regime und gründete die Revolutionären Sozialisten. In der Emigration in Großbritannien arbeitete er mit den Geheimdiensten zusammen, um einen Neuaufbau Österreichs vorzubereiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm er wieder die Chefredaktion der Arbeiter-Zeitung und war an der Gründung des Presserats beteiligt. 1961 legte er sein Amt nieder. Oscar Pollak verstarb 1963. Zwei Tage nach seinem Tod nahm sich seine Frau Marianne, die viele Jahre gemeinsam mit ihm tätig gewesen war, das Leben.

Als Boulevardblatt war ab 1900 die Österreichische Kronen-Zeitung, die 1905 in Illustrierte Kronen-Zeitung umbenannt wurde, bekannt. Ihr Chefredakteur und späterer Präsident der Concordia, Leopold Lipschütz (1870–1939), führte sie zum Erfolg. Nach seiner Emigration beging Lipschütz gemeinsam mit seiner Frau Selbstmord.

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