Gefüllt, gekocht, gesulzt und gegessen

Von Helene Maimann

Wann immer über jüdische Küche geredet wird, ist er nicht zu vermeiden, der Gefilte Fisch. Er ist der Star unter den Vorspeisen. Die Laibchen kamen bei uns zu Haus zusammen mit den gesulzten Fisch-Koteletts daher, die man aber heute nur mehr selten zu essen kriegt, weil sie nicht grätenfrei sind. Und die Küche nachher aussieht wie ein Schlachtfeld. Aber es lohnt sich, wenigstens ein paar Mal im Jahr dem Gefilten die Ehre zu erweisen und ihn mit frischem Barches und Chrejn (gehackten roten Rüben mit geriebenem Kren) auf den Tisch zu bringen.

In Osteuropa war der Fisch wirklich ein Gefilter, eine komplette Fischhaut, die dem Karpfen oder Hecht über die Ohren gezogen, mit der Farce aus faschiertem Fisch, Zwiebeln, Eiern, Matzemehl sowie Salz und Pfeffer gefüllt und in einem Sud aus Kopf, Gräten, geschnittenen Zwiebeln und Karotten langsam gesimmert wurde. So hatte der Fisch keine Gräten mehr, die man entfernen musste, was am Schabbes, an dem der Gefilte traditionell gegessen wird, als Arbeit galt. Heute wird nur mehr die Farce als Laibchen serviert, allerdings müssen auch sie im Fischsud kochen. Je mehr Gräten und Fischkopf im Sud, umso besser geliert dann die Sulz. Am besten in kühlen Nächten am Balkon. Aber vorher penibel durchpassieren und von allem Gebein befreien! Eine Glaubenssache ist der Zucker, der der Fischfarce beigegeben wird. Die Litauer meiden ihn, die Polen mögen den Gefilten eher süß.

Natürlich gibt es ihn heute tiefgekühlt oder im Kompottglas, aber … nur Mut! Eine gefüllte Kalbsbrust ist auch keine größere Patzerei. Den Karpfen (beim Hecht ist es schon schwieriger) sollte man, wenn irgend möglich, noch lebendig beim Fischhändler angetroffen haben. Das weitere Prozedere können sich zartbesaitete Naturen durch einen kurzen Spaziergang ersparen und hernach den parierten Fisch, schön in Filets zerteilt und den Kopf samt Gräten extra in Papier eingeschlagen, nach Hause tragen und ein paar Stunden mit reichlich Salz bestreut im Kühlschrank marinieren lassen. Das hebt den Geschmack.

Zum Schluss als Abschreckung noch eine Geschichte über frische und nicht ganz frische Fische. Bringt der Kellner einem Gast Gefilte Fisch. Der dreht den Teller hin und her, schnuppert daran, beugt sich schließlich nahe an die Fischlaibchen und fängt an, ihnen zuzuflüstern.

„Was tun Sie da?“, fragt der Kellner.
„Ich rede mit diesem Fisch.“
„Sie reden mit einem Fisch?“
„Sowieso. Ich kann in sieben Fischsprachen reden.“
„Aha. Und was haben Sie mit ihm geredet?“
„Ich habe ihn gefragt, wo er herkommt, und er hat gesagt, aus einem Teich bei Heidenreichstein. Allerhand, hab ich gesagt, und was tut sich so im Waldviertel? Die sollen jetzt jeden Herbst ein wunderbares Literaturfest machen. Woher soll ich das wissen, hat er gesagt, ich war schon jahrelang nicht mehr da!“

Also, liebe Leute, das war’s jetzt mit Faschieren & Füllen & Kochen & Sulzen. Es gibt noch andere Geschichten aus dem jüdischen Kosmos, die ähnlich leidenschaftlich gelebt werden wie die Kocherei und manchmal weder koscher noch das sind, was man typisch jüdisch nennt, aber dennoch zum Leben der Juden gehören wie ihre Witze. Haustiere zum Beispiel, vorzugsweise Katzen. Wieso lieben Juden Katzen und haben, wenn sie überhaupt Hunde haben, sicher keine, für die man einen Hundeführerschein braucht? Interessante Frage! Unser unkoscherer, aber deshalb nicht weniger frommer Kater wünscht Ihnen jedenfalls einen schönen Sommer und rät, vorsichtshalber eine Schwimmbrille aufzusetzen, bevor Sie auf ein Schiff oder ins Wasser gehen. Man weiß ja nie … Was übrigens eine weitere Passion wäre: Vorsicht, leider nicht immer mit Rücksicht verbunden. Oder was sich Juden aufsetzen. Ihre Hüte. Kappen. Helme. Kopftücher. Perücken. Darüber könnte man einen Roman schreiben! Oder Glitz & Glanz. Und erst ihr Hang zu diversem Kitsch! Und zu ununterbrochenem Redefluss. Und gibt es eigentlich jüdische Neurosen? Und was ist mit der jüdischen Mamme? Fragen über Fragen.

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