Eine Frage der Zustimmung

Die meisten Abtreibungen unter jungen Jüdinnen werden in der äthiopischen Community durchgeführt. Foto: ©Gali Tibbon / AFP/picturedesk.com

Der Schwangerschaftsabbruch ist in Israel seit mehr als vierzig Jahren legalisiert. Die zuständigen Kommissionen legen den Frauen kaum Hürden in den Weg. Problematisch hingegen ist die Situation für Frauen ohne sozialen Rückhalt.

Seit im Jahr 1977 die Knesset Abtreibungen legalisierte, sind Schwangerschaftsabbrüche in Israel unter folgenden Voraussetzungen rechtlich erlaubt und kostenlos: Der Embryo weist ernsthafte geistige oder physische Defekte auf; Vergewaltigung oder Inzest haben zu einer Schwangerschaft geführt; oder die geistige und physische Gesundheit einer Frau könnte durch die Schwangerschaft Schaden erleiden. Soldatinnen stehen während ihres Militärdienstes zwei kostenlose Abtreibungen zu.

Der legale Weg führt über eine aus zwei Fachärzten und einem Sozialarbeiter bestehende Kommission („Termination Committee“), wobei mindestens ein Mitglied weiblich sein muss, für Ansuchen nach der 24. Schwangerschaftswoche ist eine Sonderkommission zuständig. In der Praxis aber kann jede Frau selbst entscheiden, die Kommissionen legen den Frauen keine Hürden in den Weg. Obwohl diese Gremien so gut wie alle Anfragen genehmigen, gibt es Schätzungen zufolge ebenso viele illegale wie legale Abtreibungen. Liberale Stimmen plädieren deshalb für die Abschaffung der Kommissionen. Das Gesetz spiegle die ursprüngliche rabbinische Einstellung, dass man einen Fötus im Mutterleib nur töten dürfe, wenn das Leben seiner Mutter durch die Schwangerschaft gefährdet sei, nicht wider.

Zwanzig Prozent der legalen Schwangerschaftsabbrüche werden aus gesundheitlichen Gründen der Frau durchgeführt, zehn Prozent wegen des Alters. Die offiziellen Statistiken enthalten Zahlen zu Schwangerschaftsabbrüchen bei Jüdinnen, Mosleminnen, Drusinnen, arabischen Christinnen und Anderen, also nicht-arabischen Christinnen und Frauen ohne Angabe ihrer Religion. In letztgenannte Kategorie fallen etwa Frauen, die aus dem Sudan oder Eritrea nach Israel geflohen sind; aber auch viele legale Arbeiterinnen, die laut Vertrag während ihrer Arbeitszeit in Israel nicht schwanger werden dürfen. Es sind Frauen ohne Rückhalt in der Gesellschaft.

Keine Diskussion

Die meisten Abtreibungen unter jungen Jüdinnen werden in der äthiopischen Community durchgeführt, einer sozial eher schwachen, teilweise noch traumatisierten Gruppe, die immer wieder von rassistischen und religiösen Vorurteilen betroffen ist. Auffallend ist auch, dass Neueinwanderinnen häufiger einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen als Frauen, die im Land geboren wurden.

Bei etwa der Hälfte aller Schwangerschaftsabbrüche geben die Frauen an, außerhalb einer ehelichen Beziehung schwanger geworden zu sein. Da seit 2013 ist in Israel eine gesetzliche Eheschließung erst ab dem 18. Lebensjahr erlaubt ist, machen vor allem Minderjährige diesen Grund geltend. Sie können die Einwilligung für einen Schwangerschaftsabbruch selbst beantragen, eine Zustimmung der Eltern oder Erziehungsberechtigten benötigen sie nicht. Die meisten Abtreibungen auf Krankenschein werden allerdings von verheirateten Frauen mittleren Alters beantragt. Häufig ist auch der Verdacht auf eine körperliche oder mentale Beeinträchtigung des Kindes Grund für einen Abbruch. 
Eine Diskussion um Abtreibungen wird nicht geführt, auch gibt es kaum Informationen über die Möglichkeit, ungewollte Kinder zur Adoption freizugeben. Mitunter erscheinen in englischsprachigen Zeitungen Berichte von Kampagnen für oder gegen Abtreibung in den USA. So titelte etwa die linksliberale Zeitung Haaretz im Mai vergangenen Jahres: „Sagt es den evangelikalen Unterstützern Israels nicht, aber Abtreibungen sind dort legal – und oft kostenlos“.

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