Eine Brücke vom Semmering in den Prater

Hakoah-Sportzentrum Wien Bild: © Ronald Gelbard

Das Hakoah-Zentrum im Wiener Prater feiert sein zehnjähriges Bestehen – und erinnert auch an die legendäre Hakoah-Hütte am Semmering.

Das nennt man eine Brücke, was die Hakoah dieser Tage schlägt. In echt wäre diese Brücke ungefähr 80 Kilometer lang, de facto ist sie virtuell. Die Hakoah-Brücke reicht vom Semmering in den Wiener Prater. Sie verbindet also zwei Erholungsgebiete, vor allem aber führt sie durch die Hakoah-Geschichte. Es stehen nämlich zwei Jubiläen an, wobei sich nur eines der beiden auch gebührend und vor Ort begehen lässt.

Denn während das Hakoah-Zentrum am Rande des Praters auf seine ersten zehn Jahre zurück- und vielen weitere Jahren entgegenblickt, ist die legendäre Hakoah-Hütte auf der steirischen Semmering-Seite längst in Privatbesitz übergegangen. Vor neunzig Jahren wurde das Blockhaus errichtet, das so vielen Hakoahnern in den Jahren vor und speziell nach dem Krieg so viel bedeutet hat. Die Anzahl der Jahre bis Kriegsbeginn war überschaubar geblieben, die Hütte wurde beschlagnahmt und der Wiener Polizei übereignet, die sie als Erholungsheim nützte. In den letzten Kriegstagen diente die Hütte der 9. Gebirgsdivision als Gefechtsstand.

Hütte als gesellschaftliches Zentrum

Dass die Hütte unmittelbar nach dem Krieg der Hakoah zurückgegeben wurde, war „nicht selbstverständlich“, sagt der heutige Hakoah-Präsident Paul Haber, der die Rückgabe auch auf eine gewisse Unterstützung seitens der russischen Besatzungsmacht zurückführt: „Die Hakoah war ein Sammelbecken für Juden, die in Wien überlebt hatten oder nach Wien zurückgekehrt sind.“ Und die Hütte wurde rasch zum gesellschaftlichen Zentrum mit ausgedehnten, wochenlangen Sommer- und etwas kürzeren Winterlagern. Ein Treffpunkt speziell auch für junge Leute. Man hatte nicht viel, man brauchte nicht viel. Die Lebensmittel stammten aus CARE-Paketen und von Bauern in der Umgebung. Außer Polenta hat es fast nur Polenta gegeben.

Unter dem Dach, also im zweiten Stock, befand sich ein großer Raum mit Stockbetten, im ersten Stock gab es mehrere Zimmer mit bis zu sechs Einzelbetten. Männlein und Weiblein waren strikt getrennt. Dennoch war ein Besuch der Hakoah-Hütte „keine schlechte Gelegenheit, sich näher kennenzulernen“, sagt Präsident Haber. Davon kann etwa Kitty Sinai ein Lied singen, der seinerzeit beim Volleyballspielen vor der Hütte ein junger Mann ins Auge stach. 65 Jahre lang sind Kitty und Erich Sinai dann ein Paar gewesen, 62 Jahre lang, bis zu seinem Tod im Jahr 2012, waren sie verheiratet. Kitty Sinai über die Bedeutung der Hakoah-Hütte: „Wir waren viele junge Leute, wir hatten schreckliche Erlebnisse hinter uns. Und wir haben versucht, uns physisch und psychisch zu erholen.“

Auch Hans und Marietta Gelbard, die Eltern von Hakoah-Geschäftsführer und Vizepräsident Ronald Gelbard, haben sich auf der Hakoah-Hütte kennengelernt. Das war Mitte der 60er-Jahre, da hatte die Hütte ihre Blütezeit, aus hakoahnischer Sicht, beinahe schon wieder hinter sich. Der Krieg war weiter weg, für junge Menschen in Wien gab es immer mehr Freizeitangebote, Familien fuhren auf Urlaub. Im Jahr 1978, auch schon wieder vor vierzig Jahren, wurde die Hakoah-Hütte verkauft. Präsident Haber hat die neuen Eigentümer etliche Jahre später einmal besucht und sich darüber gefreut, dass diese die Hütte liebevoll restauriert, aber auch Vieles erhalten hatten, das an die Hakoah erinnert. „Die alte Hüttenordnung, wenn auch vergilbt, hing an der Wand.“

Heute treffen sich Hakoahner aller Altersstufen im Zentrum im Prater. Dort, in der Krieau, hatte sich seit 1922 die Sportstätte des S.C. Hakoah befunden, mit einem Fußballstadion inklusive Laufbahn sowie Tribünen mit 3.500 Sitz- und 25.000 Stehplätzen, mit einem Hockeyfeld, sieben Tennisplätzen und zwei Kabinenanlagen, eine für Fußball, die andere für Leichtathletik. 1938 war der Sportplatz von den Nazis beschlagnahmt worden. Erst 2005 wurde das Grundstück für den Campus, auf dem sich nun auch ein Schulzentrum sowie das Seniorenwohn- und -pflegeheim Maimonides-Zentrum befinden, nach jahrelangen Verhandlungen mit der Republik Österreich und auf Basis des Washingtoner Abkommens von 2001 restituiert.

2007 erfolgte die Grundsteinlegung, im März 2008 wurde das Hakoah-Zentrum eröffnet. In den ersten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Mitglieder auf mehr als 400 fast verdreifacht, es gibt sechs Sektionen: Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Judo, Basketball und Bowling.

Ronald Gelbard, dem Vizepräsidenten, ist bei einer kleinen Führung die Freude anzumerken, mit der ihn die Hakoah-Entwicklung erfüllt. „Jetzt geht’s erst richtig los“, sagt er. „Jetzt ernten wir langsam die Früchte.“ Die Aufbauphase ist jedenfalls abgeschlossen, nun kann man sich darauf konzentrieren, die wichtigsten Standbeine zu stärken. Die Konzentration gilt dem Breiten- wie dem Spitzensport.

Die Türen stehen allen offen

Aushängeschilder der Hakoah sind der Judoka Stephan Hegyi und der Schwimmer Thomas Löwy. Als sich Hegyi, damals elf Jahre alt, bei der Hakoah einschrieb, stellte ihm Gelbard die klassische Frage, was er denn werden wolle. Und Hegyi gab zurück: „Ich werde Olympiasieger.“ Kürzlich holte er bei der EM in Tel Aviv die Bronzemedaille in der Klasse über 100 Kilogramm und gab damit noch vor seinem 20. Geburtstag ein echtes Versprechen für die Zukunft ab.

Löwy hat seinen 20. Geburtstag schon hinter sich, er ist Baujahr 1966, zählt in seiner Altersklasse zu den besten Schwimmern der Welt und sammelt Medaillen bei Mastersbewerben. Die Hakoah-Schwimmerinnen und Schwimmer verteilen sich zwecks Training auf diverse Wiener Bäder, der 12,5 Meter lange Pool im Hakoah-Zentrum würde den Ambitionen nicht gerecht werden. Die Idee, unter dem Parkplatz ein 25 Meter langes Becken zu installieren, wurde schon mehrmals diskutiert, sie ist auch aktuell ein Thema. Von einem Plan würde Gelbard aber noch nicht sprechen, dem klar ist, dass es sich um ein aufwändiges Projekt handeln würde, dessen Finanzierung man zunächst klären müsste.

Generell wird Gelbard nicht müde zu erwähnen, dass die Türen der Hakoah nicht nur Juden, sondern allen offenstehen. Das gilt auch für den großzügig und mit neuesten Geräten ausgestatteten Fitness- und Wellnessbereich. Nicht zuletzt hier wird die betriebliche Gesundheitsvorsorge vorangetrieben, der sich die Hakoah mit dem Sportmediziner Haber an der Spitze verschrieben hat. Die große, mehr als neun Meter hohe Sporthalle mit einer Tribüne für knapp 300 Zuseher lässt sich mittels schwerer Trennvorhänge dritteln. Sie wird auch von der Schule genützt, die einen eigenen Zugang hat, und sie wird vermietet – etwa für Sportevents (Fußball, Tanzen, Rollerderby), aber auch für private Feiern.

In dem Gang, der zu den Tribünen der Sporthalle führt, befindet sich ein kleines Hakoah-Museum mit alten Fotos, Pokalen et cetera. Erinnerungen an eine Zeit, in der die Hakoah viele große Erfolge gefeiert hat. Mag sein, dass es auch dort wieder hingehen kann und wird. Vielleicht noch wichtiger aber ist, was sich nun, da fast ansatzlos der Sommer eingezogen ist, im Freien abspielt, auf den Tennisplätzen und am Swimmingpool. Da kommen vor allem am Wochenende Familien zusammen, da geht es, wenn auch in geregeltem Rahmen, rund.

Und da ist die Hakoah als ein gesellschaftlicher Mittelpunkt am Rande des Wiener Praters wieder genau dort, wo sie vor vielen Jahren in der Hütte auf der steirischen Seite des Semmerings war, am anderen Ende der Brücke.

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