Diplomatisches Marketing

Nicht nur die Windrichtung stimmt: Das Image Israels in der Welt steigt. ©WWW.EUNEIGHBOURS.EU

Das internationale Ansehen Israels nimmt stetig zu, was auch einer neuen diplomatischen Offensive zu verdanken ist. Daran wird auch die jüngste schwierige, ja traurige Eskalation der Gewalt in Jerusalem und rund um Gaza nichts ändern.

Von Michael J. Reinprecht

Über Jahrzehnte war die Außenwahrnehmung Israels von der palästinensischen Frage bestimmt. In Berlin, Wien und Paris trug man die Kufiya, möglichst schwarz-weiß kariert, wie einst Arafat. Schick war das, und man konnte damit zugleich ein politisches Statement zum Ausdruck bringen. Heute hat sich das Bild Israels in der Welt gewandelt. Hippes, urbanes, auch sexuell diverses Stadtleben in Tel Aviv, die erfolgreiche Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, mehr als 7000 Start-up-Unternehmen, die Hightech-Kompetenz im „Silicon Wadi“ am Mittelmeer und nicht zuletzt die auch politisch innovativen „Abraham-Verträge“ haben ihren Beitrag zu einem neuen Image geleistet. Vorbei die Zeit, da „übermäßige Kritik und Vorurteile das Bild Israels bestimmt“ haben, wie die Jüdische Allgemeine die Lage noch vor zehn Jahren zusammenfasste.

Und daran wird auch die jüngste schwierige, ja traurige Eskalation der Gewalt in Jerusalem und rund um Gaza nichts ändern. Bei einem Videomeeting mit NU Anfang Mai konstatierte man im israelischen Außenministerium „eine gewisse Fatigue bei unseren europäischen Partnern, die Palästinenserfrage betreffend“. Doch es ist nicht zu erwarten, dass für die Position der Welt zu Israel die Palästinenserfrage wieder die narrative Deutungshoheit übernimmt.

Denn die Verbesserung von Israels Image scheint fest verankert. „Beim Branding haben wir einen guten Job gemacht“, so Talya Lador-Fresher. „Aber Europa ist noch zögerlich uns zuzuhören.“ Von 2015 bis 2019 war die Spitzendiplomatin Israels Botschafterin in Wien, heute leitet sie die Europa-Abteilung im israelischen Außenministerium am Yitzhak-Rabin-Platz in Jerusalem.

Im Aufwärtstrend

„Beim Branding haben wir einen guten Job gemacht“: Talya Lador-Fresher leitet die Europa-Abteilung im israelischen Außenministerium.
© ISRAELISCHE BOTSCHAFT

Lador-Fresher berichtet vom Ergebnis der jüngsten Umfrage über das Standing Israels in ausgewählten EU-Staaten. Regelmäßig testet das international tätige, britische Meinungsforschungsinstitut YouGov das Image Israels im Vereinigten Königreich, in Frankreich, Deutschland, Schweden und Dänemark ab. Im Durchschnitt ist die positive Einstellung gegenüber Israel von August 2020 bis Februar 2021 um acht Prozent gestiegen. In Frankreich hat sich der Wert gar um fünfzig Prozent verbessert. Zwar überwiegt noch die negative Sicht, aber auch diese sinkt – in Frankreich zum Beispiel von 54 auf 47 Prozent. „Es ist noch ein weiter Weg zu gehen“, heißt es aus dem israelischen Außenministerium. Doch Lador-Fresher ist optimistisch, denn „der Trend geht nach oben“. Das von Europa, den USA und weiten Teilen der Welt bewunderte Corona-Management der israelischen Regierung habe sicher zu diesem Aufwärtstrend beigetragen. Auch die „Abraham-Verträge“ hätten ihren Teil geleistet. „Sie sind der Game-Changer“, ist Lador-Fresher überzeugt.

Keine Erklärungsnot

Eigentlich überrascht dies alles nicht, hat sich Israel doch seit geraumer Zeit einem neuen Konzept innovativer „Public Diplomacy“ verschrieben. Denn Veränderungen im Branding einer Marke, so auch eines Staates, geschehen nicht von allein. Das gilt sowohl für das Abrutschen ins Negative, wie zuletzt bei einem großen Pharmaunternehmen zu beobachten, als auch bei Verbesserungen der Außenwahrnehmung, wie im Falle Israels.

Denn das alte Konzept der „Hasbará“, der israelischen Öffentlichkeitsarbeit für positive Berichterstattung, funktioniert nicht mehr. Es hat heute auch bei israelischen Diplomaten den Beigeschmack von Propaganda. Beim Begriff „Hasbará“ schwingt mit, was Israel in den Jahren und ersten Jahrzehnten nach der Staatsgründung glaubte machen zu müssen: sich der internationalen Staatengemeinschaft erklären, begründen, warum es existiert, warum Juden ein Recht auf den eigenen Staat haben.

Zwar hatte Israel in den 1950er und frühen 1960er Jahren noch das Aufbau-Image und so die Sympathie auch der internationalen Jugend: Kibbuz-Aufenthalte waren en vogue, in feines „Made in Israel“-Krepp gewickelte Jaffa-Orangen fanden sich in guten europäischen Haushalten. Allein, „Hasbará“ klingt nach einer Entschuldigung für die Tatsache, „dass wir hier sind, wo wir sind“, erklärt Yiftah Curiel. Er leitet seit drei Jahren die Abteilung Digital Diplomacy im israelischen Außenamt. Im Gespräch mit NU sitzt er locker und leger frühsommerlich gekleidet im Garten seines Hauses in Jaffa.

„Digital Diplomacy ist eine Art grauer Zone“, so Curiel. „Du kannst Dinge tun und hast Möglichkeiten, die du in der traditionellen Diplomatie nicht hast. Als israelischer Diplomat kann ich nicht zum Telefon greifen und mit einem irakischen Regierungsbeamten sprechen, aber ich kann eine Facebook-Seite eröffnen und mit irakischen Bürgern einen Dialog starten.“

Facebook auf Arabisch

Die neue Welt israelischer Public Diplomacy ist digital. Natürlich lasse man die traditionellen Medien nicht links liegen, betont man im israelischen Außenministerium. Doch in der digitalen Diplomatie nimmt Israel heute eine Art Vorreiterrolle ein. Denn alles ist Kommunikation, also Dialog. Strategische Kommunikation. Und diese bedient sich heute vornehmlich digitaler, sozialer Medien.

Dies ist besonders wichtig in der arabischen Welt, wo Israel zumeist keine diplomatischen Vertretungen hat. „Mit digitaler Diplomatie erreichen wir Millionen, und wir umschiffen dabei traditionelle arabische Medien, die uns zuweilen feindlich gesinnt sind“, so Curiel. Die Facebook-Seiten des israelischen Außenministeriums laufen in arabischer und eine auch in persischer Sprache. Es sei eine Kommunikation von Regierungsebene direkt zu den Bürgern. Jerusalem legt dabei Wert auf positive Nachrichten, kommuniziert Lösungsansätze zu den Bereichen Gesundheit, Umwelt, soziales Zusammenleben, Hightech. Und das zeigt Wirkung. „Wir sehen, dass die Leute im Irak, in den Golfstaaten, ja auch in Saudi-Arabien die israelischen Kanäle als eine gute und valide Informationsquelle ansehen und nutzen. Bei uns bekommen sie Informationen, die sie im Heimatland nicht oder unter nur sehr schwierigen Umständen bekommen. Je jünger die Leute sind, desto geringer ist ihre Scheu, Informationen direkt von uns zu holen.“ Sechzig Prozent der Bevölkerung in arabischen Ländern und dem Iran sind unter 30 Jahre alt.

Mit den „Abraham-Verträgen“ habe das Interesse noch zugenommen. Bei Kontakten mit Menschen aus den VAE sei auch ein Schneeballeffekt spürbar. Die hohe Dichte an arabischen Gastarbeitern erleichtert es den digitalen israelischen Diplomaten, Bürger israelfeindlich gesinnter Staaten wie etwa Syrien oder Libanon sowie Menschen mit palästinensischem Flüchtlingsstatus direkt zu erreichen. Diese würden, heißt es, im entspannten Environment der Golf-Emirate unbefangener auf israelische digitale Quellen zugreifen und dann Inhalte sowie Werthaltungen an Freunde und Verwandten daheim weiter transportieren.

„Es ist nicht so, dass wir so toll sind“, resümiert Yiftah Curiel. „Aber die Leute sind einfach neugierig darauf, was Israel zu sagen hat.“ Bleibt zu hoffen, dass diese Form digitaler Diplomatie auch in Zeiten gewalttätiger Auseinandersetzungen ihre positiven Wirkungen entfalten kann.

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