Der Sand ist feiner …

Nur zwei Jahre war er hier, aber er hat mit seinen kreativen Ideen für viel Aufsehen gesorgt. Guy Feldman, stellvertretender Missionschef der israelischen Botschaft, hat mit seiner Fantasie Projekte wie die Israel-Straßenbahn, die um den Ring fährt und dort tolle Veranstaltungen geboten hat, bis zum Tel Aviv Beach umgesetzt. Wie kam er auf diese Ideen? Was ist sein Bild von Österreich?
Ein Interview von Danielle Spera und Peter Menasse, Fotos von Peter Rigaud

NU: Israel hat heuer mit innovativen Ideen für Aufmerksamkeit gesorgt, nach der Israel-Straßenbahn jetzt der Tel Aviv Beach. Welche Idee steckt dahinter?

Feldman: Israel ist per se innovativ und so ist es auch mit dem jüdischen Volk, wir wollen uns immer weiterentwickeln, wir suchen nach neuen Lösungen für schwierige Probleme, nach neuen Modellen, neuen Herausforderungen. Wir wollen ständig etwas verbessern, manchmal gelingt es auch nicht, aber wir bemühen uns. Manchmal sind wir auch unserer Zeit voraus. Beim Tel Aviv Beach war es so ähnlich. „Reaching out“ war die Devise. Wir haben eine Art von Geheimnis in Israel. Wir haben eine exzellente Forschung, Bildungspolitik, Wissenschaft, eine prosperierende Wirtschaft, tolle Kultur, gutes Essen, tolles Nachtleben, aber wir hüten das wie ein Geheimnis, sodass es keiner weiß. Wir schauen nur darauf, dass die Menschen über Antisemitismus, den Holocaust oder den Nahostkonflikt sprechen. Nein, Scherz beiseite, dieses Israel-Bild zimmern sich die meisten Menschen selbst zusammen. Ich meine, es ist endlich an der Zeit, ein Bild des heutigen, modernen Israel zu zeigen, das der Realität entspricht.

Der Tel Aviv Beach hat sich zum beliebten Treffpunkt entwickelt, wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Na, weil ich hier bin! Nein, ernst gesprochen. Tel Aviv war die erste jüdische Stadt, mein Vater ist dort geboren. Tel Aviv zeigt mehr von Israel als viele andere Städte, es ist multikulturell und es spielt sich dort viel ab. Vor allem von dem Geheimnis, von dem ich vorhin gesprochen habe. Wissenschaft, Technik, Innovation, das alles kommt zu einem Großteil aus Tel Aviv. Außerdem ist Tel Aviv quasi das Tor zu Israel. Wenn man hinfliegt, kommt man dort an. Daher dachte ich, wenn man Israel vorstellt, sollte man zuerst Tel Aviv vorstellen. Und wenn ich an Wien denke, diese wunderbare Stadt hat alles – AUSSER einen Strand. So habe ich mir gedacht, das wäre eine schöne Einführung in das Thema Israel, wie es wirklich ist. Nachdem in der Stadtverwaltung Wien alle von der Idee begeistert waren, haben wir uns nach einem Ort umgeschaut. Heute liegt die erste U-Bahn-Station am Strand von Tel Aviv in Wien, denn in Tel Aviv haben wir keine U-Bahn.

Sind Sie mit dem Erfolg des Tel Aviv Beach zufrieden?

Zufrieden? Ich bin überwältigt. Schon allein das Konzept für dieses Projekt zu erstellen hat Spaß gemacht. Es war eine Freude, jeder war begeistert daran mitzuarbeiten, Österreicher und Israelis. Das war schon ein gutes Zeichen. Und auch die Medien waren enthusiastisch. Wenn man hinkommt, erkennt man nicht, ob jemand Wiener oder Israeli ist, es sind viele junge Menschen dort und das ist sehr wichtig, dass wir den jungen Österreichern zeigen, schaut her, das ist Israel.

Man glaubte, der Sand käme zur Gänze aus Tel Aviv, hat schon jemand versucht, ihn mitgehen zu lassen?

Wir haben kein Problem damit. Wenn sich jemand Sand mitnehmen will, bitte. Der Bürgermeister von Tel Aviv hat den Sand – eine symbolische Menge natürlich, ich glaube, es waren drei Kilogramm – aus Tel Aviv gebracht und ihn im Rathaus an Bürgermeister Häupl übergeben. Bei der Eröffnung des Tel Aviv Beach haben wir den Sand auf den bestehenden Sand geschüttet, da habe ich gesehen, der Sand aus Israel war viel weißer und feiner als jener, der vorbereitet war. Das war ein schönes Gefühl. Jetzt ist alles vermischt und so soll es sein.

Haben Sie erwartet, dass nicht alle begeistert sind von dieser Idee, dass es sogar Widerstände geben wird?

Ich habe gehofft, dass das nicht der Fall sein wird. Es wird kritisiert, nur weil es ein israelisches Projekt ist. In den letzten Jahren haben israelische Wissenschaftler Nobelpreise erhalten. Ist das schlecht? Muss man dagegen protestieren, nur weil sie Israelis sind? Das ist der falsche Ansatz. Sollen doch die Kritiker eigene Projekte machen, sie können ja eigene Strände machen, ihre Kultur herzeigen, ihr Essen vorbereiten und verkaufen, ihre Musik spielen. Das wäre doch auch für die anderen Länder gut und eine Bereicherung für Wien. Lass uns doch im positiven Bereich konkurrieren! Schön wäre, wenn man dann gemeinsam feiern könnte.

Hat Gaza Beach einen Effekt auf Tel Aviv Beach?

Natürlich war ich nicht erfreut. Österreich ist eine Demokratie, Israel ist eine Demokratie. Daher ist Protest in Ordnung, mich stört nur die Art und Weise, warum kann man nicht konstruktiv argumentieren? Warum muss man auch positive Projekte so schlecht machen? Aber auch das ist nicht untypisch, wir hören hier in den Medien kaum, welche Durchbrüche die israelische Medizin, die israelische Forschung, die israelische Wissenschaft macht, in den Medien hört man leider meistens nur das Negative. Dabei haben wir so viel zu bieten und ich hoffe, dass da der Tel Aviv Beach ein erster Schritt in diese Richtung eines neuen Verständnisses ist. Alle Informationen, die Sie am Tel Aviv Beach lesen können, sind in Hebräisch, Arabisch, Deutsch und Englisch verfasst, übrigens auch die Speisekarte vom Restaurant. Arabisch ist die zweite Amtssprache. Wir Israelis trachten immer danach, etwas noch besser zu machen, nach vorwärts zu schauen. Das wäre ein guter Ansatz – auch zur Konfliktlösung!

Waren österreichische Politiker schon am Tel Aviv Beach?

Der Tel Aviv Beach soll per se apolitisch sein. Wir wollen dort nichts mit Politik zu tun haben. Es hat die Sandübergabe gegeben, im Rathaus. Wir haben ausgezeichnete Beziehungen zwischen unseren Politikern, aber der Strand, der ist für die Menschen da. Es war ja auch die Idee, den Donaukanal zu beleben. Und da hat sich ja wirklich viel getan. Jetzt gibt es Leben dort, freudiges Leben! Der Tel Aviv Beach ist für uns die Möglichkeit zu zeigen, wie Israel wirklich ist und das ist nicht einmal Propaganda. Übrigens haben wir nicht einmal eine israelische Fahne dort.

Könnte sich der Tel Aviv Beach zu einer fixen Einrichtung etablieren?

Ist das Ihre Hoffnung? Ich glaube, ich kann Sie bestärken, es sieht so aus, als ob sich der Tel Aviv Beach so gut etabliert, dass wir dieses Projekt auch nächstes Jahr aufrechterhalten können, wenn es weiter so erfolgreich bleibt. Es soll weiter eine Visitenkarte für das israelische Leben, die israelische Kultur sein, die ja von Einwanderern aus verschiedensten Kulturkreisen geprägt worden ist – ein toller Mix.

Vielleicht doch zur israelischen Politik. Obama und Hillary Clinton schlagen eine andere Politik gegenüber Israel ein. So wollen sie einen sofortigen Siedlungsstopp.

Wenn Sie jetzt den Tel Aviv Beach meinen, der war schon da, bevor Obama das gesagt hat. Nein, ernst gesprochen: Die Frage der Siedlungen ist ja schon lange ein Thema, aber jetzt gibt es sowohl in Washington als auch in Israel eine neue Regierung. Ich bin zuversichtlich, dass es zu einer Annäherung kommen kann. Es gibt immer wieder ein „window of opportunity“, es kommt auf die politische Führung an. Wer hätte gedacht, dass ein konservativer Politiker wie Menachem Begin Frieden mit Ägypten erreichen würde? Ich möchte Statements nicht sofort kommentieren. Sie kennen den Witz über Diplomaten: Wenn er „Ja“ sagt, meint er „Vielleicht“, wenn er „Vielleicht“ sagt, meint er „Nein“, wenn er „Nein“ sagt, ist er kein Diplomat …

Könnte eine mehr rechts gerichtete Regierung von den USA besser zu einer Lösung gedrängt werden als eine linke?

Drängen oder Zwingen sind nie gute Voraussetzungen, so eine Sprache sollte zwischen Freunden nicht gebraucht werden. Wir sprechen ja nicht von einem Schaukampf, sondern von Politik.

In Österreich ist das manchmal miteinander eng verflochten …

Ja, vielleicht können rechts gerichtete Politiker bei uns besser auf die Siedler einwirken, als das linke Politiker könnten. Sie haben sicher bessere Kontakte zu ihnen. Allerdings sollte man die Regierung nicht als rechts gerichtet bezeichnen, es ist ja auch die Arbeiterpartei in der Koalition, man kann also durchaus von einer Zentrumsregierung sprechen. Jetzt ist jedenfalls Leadership gefragt. Es gibt den Spruch: Politiker sind die Feinde der Menschen. Denn sie denken nur für die Zeit ihrer Regierungsperiode und schauen meistens nicht in die Zukunft: Leadership heißt aber, in die Zukunft zu blicken. Friede ist nicht das Ende. Es geht auch darum weiterzudenken. Wie werden dann unsere Beziehungen ausschauen? Kann ich dann, wenn wir Frieden haben, mit dem Auto von Tel Aviv nach Amman fahren, um dort Humus zu essen? Oder nach Damaskus, um dort Shesh Besh (Backgammon) zu spielen? Oder würde ein Syrer zu mir nach Tel Aviv kommen? Ist die Demokratie in Israel etwas, das die Syrer auch für sich haben wollen, oder ist man dort an Demokratie gar nicht interessiert? Dort stehen einander verschiedene politische Systeme, verschiedene Kulturen gegenüber, es ist nicht so wie Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Das sind die Fragen, denen man sich stellen muss. Aber ich bin sehr optimistisch. Ich lebe in Israel, daher muss ich es doch wissen …

Sie haben ein sehr aufregendes Leben gehabt, Sie waren viele Jahre Kampfpilot in der Luftwaffe. Wieso haben Sie sich für das vergleichsweise „langweilige“ Diplomatenleben entschieden?

Es ist überhaupt nicht langweilig. Zum Beispiel das Projekt Tel Aviv Beach war eine tolle Herausforderung und eine Freude! Es ist immer eine Frage der Perspektive. Ich suche immer das Positive. Auch als Pilot in der Armee habe ich in die Zukunft geschaut, habe in einem großen Rahmen gedacht. Ich habe mir nicht nur Gedanken gemacht über einen Militäreinsatz, sondern darüber, was ist nachher … Das ist in der Diplomatie genauso. Zumindest ich sehe da viele Ähnlichkeiten.

Als Mann der Armee, wenn Sie an die Drohungen aus dem Iran denken und an den Fortschritt des Landes bei der Atomforschung, was kann Israel tun?

Der Iran ist eine Bedrohung für Israel, das ist evident – und übrigens nicht nur für Israel, gar keine Frage. Aber die Menschen im Iran sind sehr intelligent, sie kommen aus einer großartigen Kultur. Persien hatte ja mit den Juden auch einmal gute Beziehungen. Denken Sie nur an den Kampf gegen die Römer, heute hat sich das geändert. Man muss aber bedenken: Der Iran ist kein arabisches Land, es wird von Schiiten regiert. Es gibt viele Auseinandersetzungen mit den Sunniten. Der Iran hat eine großartige, eigentlich fortschrittliche Kultur, ein reiches Erbe, das sieht man oft nicht. Ich hoffe, dass man sich dort wieder darauf besinnt, dass man eine Vision entwickelt und nicht weiter mit kurzsichtigen Perspektiven die kurzfristigen Ambitionen befriedigt. Aber das ist kein Thema für Israel, damit sollte sich die Welt beschäftigen.

Oft schon hat man von einem Alleingang Israels gehört, also dass Israel die Atomanlagen des Iran zerstören könnte?

Der Iran ist eine Bedrohung, aber Israel hat viele Bedrohungen. Wir sind natürlich beunruhigt, aber wir versuchen dennoch kluge Entscheidungen zu treffen. Noch einmal: Der Iran ist nicht nur für Israel bedrohlich, sondern für die Welt, vor allem für die Nachbarländer. Schauen Sie, was derzeit in Nordkorea passiert. Es ist international isoliert, sie stecken fest. In den 1970er Jahren war die Wirtschaft in Israel sehr abgeschottet. Da haben wir erkannt, dass wir uns öffnen müssen, heute prosperiert das Land. Öffnung ist das Wichtigste: Die Iraner sollten erkennen, dass es eine große Chance für sie ist, wenn sie sich der Welt öffnen. Allerdings leben sie nicht frei. Schauen Sie, dort gibt es Zensur. Wenn es der Führung nicht passt, werden Internetseiten wie Facebook einfach kurzfristig gesperrt. Freiheit und Öffnung sind das Wichtigste für die Menschen, denken Sie an Europa und die Renaissance. Sich abzuschotten ist immer schlecht. China öffnet sich, Indien öffnet sich. Die Rhetorik der iranischen Führung ist natürlich antisemitisch. Aber das ist mehr Marketing, auch in Österreich kann man damit in die Schlagzeilen kommen.

Sie haben gerade Antisemitismus in Österreich angesprochen, haben Sie je etwas in diese Richtung erlebt?

Habe ich davon gesprochen? Nicht direkt. Ich lebe in einem englischsprachigen Vakuum. Wenn also jemand neben mir auf Deutsch etwas Antisemitisches sagt, ginge das an mir vorbei. Aber auch in den Kreisen, in denen ich mich bewege, kommt es vor, dass Menschen – meist unbewusst – wie selbstverständlich antisemitische Bemerkungen machen. Ich mache sie dann immer darauf aufmerksam, dass sie vorsichtiger mit ihrer Sprache umgehen sollen. Da sind sie dann sehr perplex, weil es ihnen eben gar nicht zu Bewusstsein kommt, was sie damit auslösen. Aber auch da versuche ich, auf die Menschen zuzugehen und ihnen zu sagen, denkt nicht immer an das Negative, es gibt viel mehr Positives. Es wäre schön, wenn die Menschen sensibler mit ihrer Sprache umgehen.

Also auch in Ihrer Umgebung kommt so etwas vor?

Ja, manchmal sogar unter engen Kollegen, oder Freunden aus anderen Ländern. Aber schauen Sie einmal, was in den letzten Wochen passiert ist. Begonnen mit dem Papstbesuch in Israel bis hin zu den zahlreichen Ereignissen in Österreich, da kommt eine Suppe hoch, die für uns nicht angenehm ist. Aber ich als Besucher habe das nicht zu kommentieren. Wichtig ist, dass österreichische Politiker Stellung dazu beziehen, ich habe das Gefühl, die Österreicher wollen nicht so gern Stellung beziehen.

Was halten Sie von Schlagzeilen wie „Der neue Judenhass“?

Ich komme aus einem starken, zuversichtlichen Land, auf das ich stolz bin! Entgegen dem Image, das Israel in Europa hat, kann ich sagen, viele Länder könnten viel von Israel lernen. Wie viele Nobelpreisträger hat Österreich, wie viele innovative Vorzeigebetriebe hat Österreich? Da wäre doch eine riesige Basis für Gespräche da. Diese Gespräche werden aber nicht so sehr vorangetrieben. Wenn man das mehr fokussiert, würde es vielleicht auch nicht mehr so viele Ressentiments und weniger Antisemitismus geben, das blockiert nur das gegenseitige Verständnis. Daher haben wir den Tel Aviv Beach gegründet. Menschen sollen dort zusammenkommen und sich positiv austauschen!

Sie waren hier in Wien unglaublich kreativ, wo geht Ihre Kreativität hin?

Mit mir … Ich gehe im Sommer nach Jerusalem zurück. Ich hoffe, ich habe hier positive Beispiele hinterlassen, wie man Israel in Österreich populärer machen kann und die Schranken, die die Menschen im Kopf haben, abzubauen. Ich glaube, dass man nur so Erfolg haben kann. Vielleicht macht unser Beispiel auch Furore und es gibt nächstes Jahr in Wien Strände aus vielen anderen Ländern, vielleicht sogar einen echten Gaza Beach, mit palästinensischem Essen, Musik. Das wäre doch sehr reizvoll.

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