Zwölf Jahre nichts erreicht – das reicht

Die IKG-Wahl steht bevor. Doch trotz Kritik an der bestehenden Führung ist kaum jemand bereit, selbst zu kandidieren. In den Reihen der Opposition hat sich Resignation breit gemacht.
Von Danielle Spera und Saskia Schwaiger und Alexia Weiss

Seit zwölf Jahren sitzt Robert Liska für die Fraktion Khal Israel im Vorstand der Kultusgemeinde Wien. Drei Amtsperioden waren genug, meint er nun. Und: „Von Sesselkleberei halte ich nicht viel.“ Bei der Kultusratwahl im Herbst wird Liska, der unter IKG-Präsident Paul Grosz das Amt des Vizepräsidenten bekleidete, nicht mehr kandidieren. „Neue Gesichter“ seien gefragt.

Doch die „neuen Gesichter“, so scheint es,  bleiben aus. Voraussichtlich zehn der insgesamt 24 Kultusratvorsteher stellen sich am 24. November 2002 nicht mehr der Wahl. Gleichzeitig sind aber kaum neue, vielversprechende Mitglieder der Gemeinde bereit, sich die Arbeit im Kultusvorstand „anzutun“. Resignation hat sich breit gemacht. Es habe „ohnehin keinen Sinn“, so der Tenor derer, die der IKG den Rücken kehren, weil „ohnehin nichts zu erreichen ist, was dem Präsidenten nicht ins Konzept passt“. Fazit: Die Kultusratwahl bleibt ein „family business“ (siehe Kasten Seite 11), eine demokratische Wahl zwar, aber ohne echte Alternativen.

„Wir haben zwölf Jahr lang nichts erreicht, das reicht“, begründet Ludwig Rubin (Jüdische Allianz) seine Nicht-Kandidatur. Die Arbeit im Kultusrat, so Rubin, sei vergeudete Zeit gewesen. Sein zynisches Fazit: „Man kann im Kultusrat mit Mehrheit feststellen, dass die Erde eckig ist.“

Robert Liskas Kritik ist differenzierter, zielt aber in dieselbe Richtung: „Die Kultusgemeinde läuft seit einigen Jahren in geregelten Bahnen, wo eine kleine Gruppierung, die nicht unbedingt in allen Detailfragen mit der Führung einer Meinung ist, wenig ausrichten kann.“ Zwei der 24 Sitze hält Liskas Gruppe „Khal Israel“, die innerhalb der Gemeinde die Einhaltung der religiösen Speisegesetze (Kaschrut) beaufsichtigt, derzeit im Kultusrat. Früher, so Liska, früher sei es in der Kultusgemeinde üblich gewesen, eine „konsensuale Politik“ zu fahren. „Aber auch dort hat ein Generationenwechsel stattgefunden und dieser hat mit sich gebracht, dass wir im Moment in einer sehr charismatisch geführten Gemeinde sind, wo Einzelmeinungen wenig ausrichten.“ Weniger vornehm formuliert: Die Politik von IKG-Präsident Ariel Muzicant diene mehr seiner Selbstdarstellung als dem Wohl der Wiener Juden.

Diese Ansicht trifft die Wahrnehmung vieler in der IKG: Muzicants Medienpräsenz sei oft übertrieben und strategisch unüberlegt, während – trotz entsprechendem Beschluss zu Beginn seiner Amtszeit – noch immer kein Pressesprecher eingestellt wurde. Sein Aktionismus, etwa die öffentliche Ankündigung, dass es bei Ausbleiben von öffentlichen Subventionen in zwanzig Jahren keine Juden mehr in Österreich gäbe, sorgten für U n ruhe, ganz besonders unter älteren Gemeindemitgliedern. Offensichtlich überzogene Darstellungen, etwa die Aussage, es sei aufgrund der FPÖ-Politik zu Übergriffen auf Juden in Wien gekommen, obwohl keine entsprechenden Anzeigen vorlagen, gefährden in den Augen vieler nicht nur Muzicants eigene Glaubwürdigkeit, sondern die der gesamten IKG.

Kritisiert wird aber vor allem die Tendenz des Präsidenten, Entscheidungen im Alleingang zu fällen, was zuletzt sogar in seiner eigenen Fraktion (Atid) dazu führte, dass in den letzten zwölf Monaten die Sitzungen des Kultusvorstands aus Mangel an Teilnehmern oft nicht mehr beschlussfähig waren.

Zwei konkrete Vorfälle sorgten in den vergangenen vier Jahren für große Unruhe innerhalb der Gemeinde:

Im Interview mit NU geht Muzicant auf diese Vorwürfe nicht ein. Dennoch gesteht er ein, dass die Einbindung der Kultusratmitglieder verbesserungswürdig ist und kündigt eine Reform an. Ob und wie diese Reform umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Zunächst wird sich bei der Wahl entscheiden, wie hoch das Vertrauen der Gemeinde in ihren Präsidenten wirklich ist.

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