Zedernstaat Libanon

Eine der konfessionell vielfältigsten Städte des Nahen Ostens: Noch immer leidet Beirut an der verheerenden Explosion im Hafen vor zwei Jahren. © PAUL SAAD/CREATIVE COMMONS

Libanon, der nördliche Nachbar Israels, hat in etwa die Größe Kärntens und zählt rund 6,8 Millionen Einwohner, mit zuletzt leicht sinkender Tendenz. Das kleine Land zwischen Syrien, Israel und dem Mittelmeer gehört mit mehr als 650 Einwohnern pro Quadratmeter zu den am dichtesten besiedelten Staaten der Erde. Auf seinem Territorium leben auch etwa zwei Millionen syrische Flüchtlinge und eine halbe Million von der UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) betreute Palästinenser.

Hervorgegangen aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches, dann Völkerbund-Mandatsgebiet Frankreichs und seit 1943 unabhängig, ist der Zedernstaat eine konfessionelle Republik. 18 Religionsgemeinschaften sind offiziell anerkannt, darunter auch die jüdische Gemeinde Beiruts, die in den 1940er Jahren zwischen 10.000 und 15.000 Mitglieder zählte. Es waren vor allem Misrachim, auch sephardische Juden, die sich einst in die vormalig sicheren levantinischen Teile des Osmanischen Reiches zurückgezogen hatten: nach Saida (Sidon) im Süden, Tripoli im Norden und in das Wadi Yahud, das jüdische Viertel der libanesischen Hauptstadt, das heute Wadi Abou Jamil heißt, und wo sich auch die Maghen-Abraham-Synagoge befindet. 

Nach der Unabhängigkeitserklärung Israels begann der Exodus maghrebinischer und anderer orientalischer Juden – zum Teil auch nach Beirut. Die Zahl im Libanon lebender Juden nahm zu, die Verfassungsgarantie als anerkannte Religionsgemeinschaft gab ihnen Sicherheit. Gelebte Toleranz in dem in den 1950er und 1960er Jahren mehrheitlich christlichen Zedernstaat ermöglichte ein harmonisches Zusammenleben der unterschiedlichen konfessionellen und ethnischen Gruppen, vor allem in der Hauptstadt Beirut. Deren kulturelles und intellektuelles Leben profitierte von dieser Vielfalt, wie es Amin Maalouf, Mitglied der Académie française und nach Frankreich emigrierter libanesischer Schriftsteller, in seinem 2012 erschienen Roman Die Desorientierten so treffend beschrieb.

Doch dann wendete sich das Blatt: Mit dem ersten Bürgerkrieg 1958 begannen libanesische Juden, ihr Land zu verlassen. Die arabischen Niederlagen im Sechstagekrieg 1967, dann im Jom-Kippur-Krieg 1973 trieben diese Emigrationswelle an. „Wenn du das Pech hast, wie ich, als Jude und Araber hier geboren zu werden, dann existierst du einfach nicht“, lässt Maalouf eine seiner Romanfiguren in der Rückschau auf die achtziger Jahre sagen. Die jüdischen Libanesen galten zu dieser Zeit zunehmend als verlängerter Arm Israels, obwohl sie nach Kräften versuchten, sich vom südlichen Nachbarn zu emanzipieren.

Dass die Konfession im Personalausweis vermerkt sein musste, war auch nicht gerade hilfreich. Mitte der 1980er Jahre häuften sich Entführungen an Checkpoints unterschiedlicher Milizen und Morde. Als die Kampfhandlungen abflauten und der seit 1975 herrschende libanesische Bürgerkrieg 1990 schließlich endete, hatten nahezu alle Mitglieder der jüdischen Gemeinden von Saida, Tripoli und Beirut das Land verlassen. Jüdische Wohnviertel, Synagogen, Friedhöfe waren zerstört. Zur Jahrtausendwende lebte etwa noch eine Hundertschaft im Land. Es waren nur die geblieben, die gar keine Perspektive in der Emigration sahen, die Alten vor allem.

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