Wortkaskaden auf Klangwolken

Ein emeritierter Popzar meldet sich zurück: André Heller hat nach langer musikalischer Abstinenz mit „Spätes Leuchten“ ein neues Album herausgebracht.

Spätes Leuchten heißen sie also, die neuen Klangwelten von André Heller. Es sind fein ziselierte Hörbilder seiner Gedankenwelten, gepaart mit Naturklängen und begleitet von teilweise virtuosen Musikern wie Robert Rotifer (der auch als Produzent fungierte), Voodoo Jürgens, Ina Regen, dem Nino aus Wien, Florian Sitzmann, Marwan Abado, Eloui, Martin Klein, Soundbastler Andy Lewis und Master Mike Thorne. 
Wechselhaft flirrend und fiebrig, sanft und episch sind diese sechzehn Lieder. Manche Akkorde klingen wie Schubert, manche hallen nach wie bei Bob Dylan. Da meint man den Wind zwischen Blättern zu hören, die Sonne auf Palmwedeln zu sehen, exotisch singende Vögel und zischende Schlangen zu vernehmen. Schalmeien erklingen, brechen den Rhythmus von Trommeln, schmieden Allianzen mit Streichern, fügen sich in Klezmersounds à la Giora Feidmann, in Walzerklänge eines Lanner und in den Blues à la Tom Waits. Man hört Menschen lachen, tanzen, singen – und musizieren. Ein maghrebinisches Wiegenlied mündet in eine alte sephardische Melodie. 

Nach Millionen verkaufter Schallplatten und tausenden Konzerten, die ihn Überwindung und Kraft kosteten, weil sie wider seine Natur waren, trat Heller seine lange Pause an. Nun knüpft er nahtlos an seine musikalische Vergangenheit an und erfindet sich doch neu. Heller setzt einen Kontrapunkt zur allgegenwärtigen Beschleunigung, ohne dabein unmodern zu sein. In seiner musikalischen Fusionsküche mischt er traditionelle Melodien mit modernen Rhythmen. Und er singt von Einsamen, von Gestrandeten, von unglücklich Verliebten, Vertriebenen, Entwurzelten, aber auch von maßlos Glücklichen. 
Doch Heller wäre nicht er selbst, würde er nicht auch Fallstricke einziehen, Zweifel säen, den Finger in offene Wunden legen: „Spü’ts, Buaschn, spü’ts, bis ’s Herz an de Gurgl klopft“. Erdig, ehrlich, ja intim wird der Weltbürger, wenn er tief ins Wienerische driftet. 

Zwischendurch huldigt er auf diesem Album, das ein wenig wie eine Inventur seines Lebens und Liebens wirkt, privaten Göttern, Säulenheiligen, persönlichen Helden und Heroinen. Sehnsucht nach der Liebsten ist von besonders zarter Anmut und Intimität, ebenso sein Zugang zu Vergänglichkeit und Tod. 

Spätes Leuchten beinhaltet die gesammelte Weisheit eines Musikers, der nach einer langen Odyssee mit sich selbst Frieden geschlossen hat, der mit sich selbst und der Welt nun im Reinen zu sein scheint. Eines Menschen, der angekommen ist. Das Album, das übrigens auch auf Vinyl erscheint, ist keine anämische Soundtapete, sondern ein lebendig-pulsierender fliegender Klangteppich.

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