Von weggelegten Kindern und alten Egos

Der Zwiekommentar von Peter Menasse

Menasse: Herr Walter, einen Kognak bitte.

Ober Walter: Herr Menasse, seit wann trinken Sie Schnaps? Und das am helllichten Tag. Soll ich nicht lieber einen Espresso bringen?

Menasse: Die Verzweiflung, Herr Walter, die Verzweiflung.

Ober Walter: Was ist passiert? Und wo ist eigentlich Herr Javor?

Menasse: Das ist es ja. Herr Javor redet nicht mehr mit mir.

Ober Walter: Warum das?

Menasse: Er hat beschlossen, NU wegzulegen. Das Kind ist zu ungezogen geworden. Jetzt sitze ich nach fast fünfzehn Jahren alleine da und habe niemanden zum Dajgezzen. Herr Walter, bringen Sie mir einen Kognak.

Ober Walter: Aber nicht doch, Herr Menasse. Hier ist Ihr Kaffee. Und Sie können doch auch alleine die Seite füllen, was brauchen Sie einen Zweiten dazu?

Menasse: Es bleibt mir auch gar nichts anderes übrig. Einen Kognak bitte.

Ober Walter: Ich bringe Ihnen später noch einen Kaffee. Jetzt muss ich zu den anderen Tischen. Es gibt schon eine Revolte im Lokal, weil ich dauernd bei Ihnen stehe.

Menasse: Na gut, verlassen Sie mich auch noch. Werde ich halt alleine dajgezzen. Ich spreche einfach zu meinem Alter Ego.

Alter Ego: Wenn es Kognak gibt, bin ich dabei.

Menasse: Ruhe, ich muss denken. Wie fange ich an? Weltpolitik, österreichische Zwergenpolitik, jüdische Gasse, Sport oder gleich Wetter?

Alter Ego: Du kennst dich ohnehin mit nichts davon aus.

Menasse: Du meinst, es ist wurst.

Alter Ego: Jetzt fang doch du nicht auch noch mit der Conchita an.

Menasse: Nein, ich meinte nur, es spielt keine Rolle.

Alter Ego: Erstens sag nicht immer „es“ zur Conchita, sondern „sie“, und zweitens wird sie schon bald eine große Rolle spielen.

Menasse: Sie hat allerdings vergessen, vor dem Song Contest ein Album aufzunehmen. Mit den Einnahmen, die ihr jetzt entgehen, könnte man das österreichische Budget sanieren.

Alter Ego: Nicht, wenn unser Finanzminister das Geld zur Verwaltung bekäme.

Menasse: Ach, jetzt fällst auch du in die allgemeine Politikerbeschimpfung ein. Wir haben keine anderen, also müssen wir die vorhandenen hegen und pflegen.

Alter Ego: Ich finde, das Taschengeld, das sie von uns bekommen, ist ohnehin schon viel zu hoch. Was allerdings fehlt, sind Volkshochschulkurse für Minister, in denen sie ihre Fachgebiete lernen können.

Menasse: Du verstehst nichts von Politik. Heinrich Böll sagte einmal, dass Politik bemüht sein müsse, die Macht und deren Möglichkeiten übereinander zu bringen.

Alter Ego: Aha, und unsere Politiker interpretieren das so, dass sie die Macht nutzen, um die Möglichkeiten umzubringen. Das bringt mich auf die EU-Wahl. Was sagst du zu den zwei Spitzenkandidaten?

Menasse: Ich hätte andere aufgestellt. Da muss man nur in Wikipedia im Kapitel Mittelalter
nachschauen. Junker sind Adelige ohne Ritterschlag. Völlig ungeeignet für eine Führungsrolle. Und Schulzen waren
die Geldeintreiber der Herrschenden.

Alter Ego: Dann kommt Schulz ja gut hin.

Menasse: Alter, du bist ein Zyniker. Herr Walter, bitte noch zwei große Espresso.

Ober Walter: Aber Herr Menasse, wozu brauchen Sie zwei Kaffee? Sie sind doch
heute alleine da.

Menasse: Ach ja, dann also nur einen für mich. Aber Herr Walter, das erinnert mich an die Geschichte von dem
Mann, der in die Bar kam und zum Barkeeper sagte: „Bringen Sie mir zwei Whisky, einen für mich und einen für meinen Freund.“ Das machte der Mann von nun an jeden Abend, er kam, bestellte zwei Whisky, einen für sich und einen für seinen Freund und ging zufrieden davon. Eines Tages aber bestellte er nur einen Whisky. „Was ist passiert“, fragte der Barkeeper, „ist ihr Freund gestorben?“ „Nein“, sagte der Mann, „ihm geht es gut, aber ich habe mir das Trinken abgewöhnt.“

Ober Walter: Na gut, ich hole Ihnen jetzt einen Kaffee.

Alter Ego: Mit Witzeerzählen könntest du dir wirklich kein Geld verdienen.

Menasse (laut): Herr Walter, vergessen Sie den Espresso, bringen Sie mir einen
Kognak.

Alter Ego: Na endlich.

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