Vereinsmeierei auf Islamisch

„Zwischen Gottesstaat und Demokratie“ führt durch die bunte Vereinslandschaft der österreichischen Muslime.
Von Stefan Apfl

Ist das also der viel bemühte Clash of Civilizations? Hier, im Publikum, Shaker Assem, hiesiger Sprecher der islamistischen Hizb ut-Tahrir, der das Kalifat ersehnt. Und dort, auf dem Podium, Thomas Schmidinger, streitbarer und umtriebiger Politikwissenschafter, der jeden Gott, besonders aber Allah aus der Politik drängen will. „Wenn es einmal so weit ist“, sagt Schmidinger zu Assem, „dann werden wir aufeinander schießen, um unsere Ideale zu verteidigen.“

Ihr Ziel: mit einem differenzierten Überblick über die bunte Vereinslandschaft in die seichte Debatte über „den Islam“ und „die Islamisten“ einzugreifen.

Das Ergebnis: ein spannendes Nachschlagewerk, irgendwo zwischen Journalismus und Wissenschaft, das zwei Dutzend Porträts maßgeblicher Vereine und Funktionäre bietet.

Nicht Fundamentalismus ist es, der die porträtierten Gruppen miteinander verbindet, und auch nicht der Wunsch, Österreich in einen Gottesstaat zu verwandeln.

Was aber haben die Verbände, die die Autoren als „politischen Islam“ und nicht nur zwischen den Zeilen als Gefahr bezeichnen, gemein?

Zunächst sehen sie in jedem Bürger muslimischen Glaubens einen Muslim – danach erst ist er Vater, Bürger oder Arbeiter. Weiters übertreten ihre Aktivitäten – sozial, gesellschaftspolitisch, pädagogisch – häufig die verschwommene Grenze des Politischen. Und sie alle beanspruchen mit diesen Aktivitäten den „wahren Islam“ zu vertreten, nach innen wie nach außen.

Das Buch bietet nicht nur ein weites Spektrum, das von der IMÖ, der engagierten und verhältnismäßig liberalen Initiative Muslimischer Österreicher, in der unter anderem der rote Wiener Gemeinderat und Integrationssprecher der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ) Omar Al-Rawi tätig ist, bis hin zu Hizb ut-Tahrir reicht, einer in Deutschland verbotenen Kaderbewegung, die im bildungsnahen Milieu offen für Scharia und Kalifat wirbt.

Der umstrittenen IGGIÖ wird im 330 Seiten starken Band, der im Deuticke Verlag erschienen ist, ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem die Kritik an der rechtlich anerkannten Vertretung Österreichischer Muslime, ihrer Repräsentativität und ihrer inneren Demokratie zusammengefasst wird. Durch die Lektüre wird aber ein weiteres Mal klar: Österreichs 400.000 Bürger muslimischen Glaubens haben mit der Vereinslandschaft nur wenig zu tun.

Lediglich zwischen zehn und 15 Prozent der Muslime seien auch in religiösen Verbänden organisiert, schätzen europäische Islamwissenschafter. Politikern und Journalisten sind die Verbandsvertreter dennoch willkommene Ansprechpartner. Es reduziert die Komplexität ihrer Welten, wenn am anderen Ende der Leitung „der Islam“ spricht.

Der Sammelband kann jedenfalls bloß ein erster Schritt zu einer differenzierten Debatte sein.

Denn weder ist er komplett – eine Darstellung etwa der Atib, des größten heimischen Moscheevereins, der der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara direkt unterstellt ist, fehlt leider gänzlich – noch ist das Werk wissenschaftlich einwandfrei.

Rüdiger Lohlker, renommierter Professor für Orientalistik an der Uni Wien, lobt zwar die hehren Absichten der Autoren, kritisiert aber zahlreiche Ungenauigkeiten bei der islamwissenschaftlichen Analyse und spricht von eurozentristischem „Aufklärungsfundamentalismus“.

In „Zwischen Gottesstaat und Demokratie“ schreiben überzeugte Säkularisten über überzeugte Muslime. Daraus hat der Herausgeber Thomas Schmidinger bei der Präsentation des Buches auch keinen Hehl gemacht.

Thomas Schmidinger, Dunja Larisa (Hrsg.)
ZWISCHEN GOTTESSTAAT UND DEMOKRATIE
Verlag Deuticke 2008
Preis: Euro 20,50

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