Über Freunde und Freunde

Von Martin Engelberg

Bei einem Gespräch anlässlich der Feier des 100. Geburtstags von Teddy Kollek stellte jemand aus dem Publikum dem am Podium sitzenden Rudolf Scholten die Frage, wie er denn heute die Beziehung der österreichischen Politik zur jüdischen Gemeinschaft einschätzen würde. Offensichtlicher Hintergrund dieser Frage war die Tatsache, dass Scholten Mitarbeiter im Kabinett des damaligen Bundeskanzlers Franz Vranitzky war und damit auch wesentlichen Anteil an einer besonderen Entwicklung in der österreichischen Politik hatte. Vranitzky hatte ja bekanntlich im Jahr 1993 eine historische Rede an der Universität in Jerusalem gehalten, in der er als erster offizieller Vertreter der Republik Österreich – fast 50 Jahre nach dem Ende der Nazizeit – Schuld und Reuegefühle von Österreichern aufgrund deren Mittäterschaft an den Naziverbrechen eingestand.

Für die jüdische Gemeinde bedeutete das aber viel mehr: Zum ersten Mal entwickelte sich zu einem Bundeskanzler und einigen Personen seines Teams eine freundschaftliche Beziehung, auf deren Basis zahlreiche Projekte und Entwicklungen begonnen werden konnten, die bis heute einen positiven Einfluss auf die jüdische Gemeinde haben.

Die Antwort Rudolf Scholtens ging dann genau in diese Richtung: Heute seien die Beziehungen österreichischer Politiker zur jüdischen Gemeinschaft überwiegend gut, korrekt, freundlich – ein besonderes Verständnis und Einfühlungsvermögen, eine Freundschaftlichkeit wäre jedoch nicht spürbar.

Um der Wahrheit gerecht zu werden, muss aber auch gesagt sein, dass sich die Führung der jüdischen Gemeinde gegenüber der österreichischen Politik auch nicht durch besondere Freundschaftlichkeit, bzw. dem Wunsch nach tieferen Beziehungen auszeichnet, sondern vielmehr geprägt ist vom Vorbringen ständig neuer Wünsche und Ansprüche, sodass man eine gewisse Abwehrhaltung auch nachvollziehen kann.

Auszunehmen sind schließlich ausdrücklich jene Politiker, vor allem auch in der Wiener Stadtpolitik, die nicht nur zur Kultusgemeinde, sondern auch zu den unterschiedlichen Teilen der jüdischen Gemeinschaft sehr freundschaftliche Beziehungen pflegen.

Ein weiteres Beispiel einer besonderen Beziehung zur jüdischen Gemeinde war jene des vor kurzem aus dem Amt geschiedenen Vizekanzler Josef Pröll. Mit ihm erschien vor einigen Jahren ein Politiker am Horizont, der uns alle überraschte. Als ÖVP-Urgestein, Bauernbündler und aus dem tiefen Niederösterreich stammend war von ihm kein besonderes Interesse an uns Juden zu erwarten. Sicherlich geprägt auch durch die enge Beziehung zu seinem Pressesprecher und langjährigen Weggefährten Daniel Kapp, überraschte uns Josef Pröll jedoch in vielerlei Hinsicht.

Pröll ging auf die unterschiedlichsten Exponenten des Judentums mit großer Offenheit und Freundlichkeit zu, zeigte sich viel unbeschwerter als die meisten Polit-Profis und es entwickelte sich so recht bald eine herzliche Beziehung zu vielen jüdischen Menschen. Seine Israel-Reise war bewegend und ging ihm offensichtlich sehr nahe. Sowohl in Yad Vashem als auch bei der Begegnung mit Juden, die aus Österreich geflohen waren und ihn in Tel Aviv mit österreichischer Musik und Folklore empfingen, kamen ihm die Tränen. Pröll war der erste Repräsentant Österreichs, der anlässlich von Rosch ha-Schanah alle Vertreter und Exponenten der jüdischen Gemeinde zu einem Empfang zu sich einlud. Zahlreich waren die Initiativen, Gesten und Interventionen, die vom Team Pröll/Kapp ausgingen und die vielen jüdischen Menschen und der Gemeinde oft sehr halfen. Es waren keine unrechtmäßigen Dinge, vielleicht waren sie sogar ohnehin geschuldet, aber sie waren dennoch eine große Ausnahme und verdienen Dank und Anerkennung.

Jedenfalls hat sich Josef Pröll in die, nicht allzu lange, Reihe jener Politiker Österreichs eingereiht, die eine freundschaftliche, herzliche und einfühlsame Beziehung zur jüdischen Gemeinschaft entwickelt haben. So wie Franz Vranitzky wird uns auch Josef Pröll fehlen.

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