Über die Frage, ob der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde zu Koalitionsvarianten Stellung beziehen soll

Der Zwiekommentar von Peter Menasse und Erwin Javor

Im Kaffeehaus an den Stammtischplätzen

Ist gut zuweilen chochzumezzen*.

Man red’t in Partners Bauch ein Loch,

Sei unentwegt und mezze choch.

Doch besser noch als chochzumezzen

Ist es zuweilen dajzugezzen**.

Was immer auch das Thema sei,

Mezz nicht nur choch,

Nein, gezz auch daj!

Gerhard Bronner

 

 

Javor: Der Dr. Muzicant hat so einen großen Wahlsieg erreicht, und der Schüssel hört immer noch nicht auf ihn.

Menasse: Der Schüssel hat viel weniger Prozentanteile und schafft es dennoch, hochmütiger als der Präsident zu sein. Also geh nicht immer auf Muzicant los.

Javor: Jetzt hat er via Standard dem Schüssel und dem österreichischen Volk eine schwarzgrüne Koalition empfohlen und aus Bestemm macht die ÖVP nicht, was er will. Für diese Kurzsichtigkeit werden sie noch bezahlen.

Menasse: Also ich habe die Empfehlung für fabelhaft gehalten. Sehen wir es doch pragmatisch: Schwarz war ohnehin klar. Die Leute haben den Schüssel eben gewählt. So ist es nun einmal. Blieben drei Optionen: die Schmuddelkinder, auf die er jetzt zurückgeworfen ist, die aber aus jüdischer Sicht zu verhindern gewesen wären. Dann die Sozialdemokraten, aber wo bleibt da die Demokratie, wenn im Parlament eine 80-Prozent-Fraktion regiert. Da gibt es ja dann keine Alternative und daher auch keine Wahl mehr. Und schließlich die Grünen, die ja offensichtlich ernsthaft versucht haben, die ÖVP wieder an jene Werte zu erinnern, auf die sie sich als christliche Partei so gerne beruft. Diese Werte waren allerdings durch die Nähe zu den Rechtsextremen schon arg verschüttet. Aber Schwarz-Grün zu empfehlen war ganz in Ordnung.

Javor: Zugegeben, jeder Präsident der Kultusgemeinde hat die Verpflichtung, vor Parteien, die Antisemitismus in ihrer Weltanschauung tragen und durch ihr Verhalten in der Vergangenheit als Gefahr für die Demokratie erkannt wurden, zu warnen. Er sollte aber klar vermeiden, Empfehlungen für Koalitionen und Regierungsformen abzugeben, die mögliche andere demokratische Varianten ausschließen. Diesmal goutierst du seine Ansicht, aber was würdest du sagen, wenn er – eben als Präsident der Gemeinde – einer Minderheitsregierung das Wort gesprochen hätte.

Menasse: Du sagst doch selber immer: „Gut für mich ist, was für die Juden gut ist.“ Oder so ähnlich. Na und das denkt sich der Präsident halt auch. Es zeigt sich nur, dass jeder Jude selber ein Präsident ist und daher ganz unterschiedliche Meinungen darüber bestehen, was gut für die Juden ist.

Javor: Das ist genau der Grund, warum er sich zurückhalten muss. Weil wir eben Gott sei Dank keine von oben regulierte Meinung vertreten sollten, sondern uns unsere eigene Diskussions- und Streitkultur bewahren müssen. Offene Diskussionen im Talmudschen Sinn waren immer unsere Überlebensstrategie. Da befinden wir uns im Gegensatz zur katholischen Kirche, wo hierarchisch entschieden wird.

Menasse: Aber irgendwer muss ja für die Juden reden und ich finde, der Präsident soll sich politisch betätigen. Weil es für Juden ganz wichtig ist, dass es stabile demokratische Verhältnisse gibt. Die muss er einfordern. Nur solche sind eine Garantie für ein friedliches Dasein der Juden in Österreich.

Javor: Natürlich muss er sich politisch äußern, wenn die Demokratie als Ganzes oder Minderheiten in Gefahr sind. Dazu gehört auch die Ablehnung der FPÖ. Nicht akzeptieren kann ich jedoch, dass er im Vorfeld zwei Parteien als Wahlempfehlung favorisiert, die übrigens die Mitglieder meiner Familie auch gewählt haben. Es ist jedoch übertriebenes Selbstbewusstsein und unangebracht, wenn Dr. Muzicant Wahl- und Koalitionsempfehlungen abgibt.

Menasse: Also Erwin, ich finde, er hat die richtigen Parteien zur Wahl empfohlen, eine interessante Koalition bevorzugt, und man kann ihm eigentlich nur eines vorwerfen: Keiner hat auf ihn gehört.

Javor: Vielleicht sollte er beim nächsten Mal die FPÖ empfehlen.

Die mobile Version verlassen