Treffen sich zwei, kommt einer nicht

Elektrischer Strom hilft auch: Der französische Arzt Guillaume Duchenne (links) entdeckt mit seinen berühmten Studien den „Muskel der Freude“. ©Creative Commons

Wie unterhält man sich witzig über den Witz? Ronni Sinai und Nathan Spasic stellen wie immer die richtigen Fragen und geben die entsprechenden Antworten.

Nathan: Ronni, kennst du den? Mordechai steht in seinem Garten in Floridsdorf, schmeißt eine Handvoll Münzen in die Luft und ruft: „Herr, mach, dass ich gewinn die Lotterie!“ Nichts geschieht. Das wiederholt er einige Wochen lang. Nach zwei Monaten tut sich plötzlich der Himmel auf und eine mächtige Stimme erschallt: „Gib mir a Chance, kauf dir a Los!“

Ronni: Wie schön, dass dir der Humor nicht vergangen ist in Zeiten wie diesen, mein Lieber. Wobei, wann waren die Zeiten schon besser? Als Grünbaum, Farkas, Kreisler und Kollegen noch lebten? Die hatten allerdings auch nicht immer gerade leicht lachen im Leben. Ist dir eigentlich aufgefallen, dass es wenige bekannte Protagonistinnen des jüdischen Humors zu dieser Zeit gab? Heute übrigens auch nicht – abgesehen davon, dass es überhaupt an Nachwuchs in dieser Disziplin fehlt. Ist jüdischer Humor gar männlich?

Nathan: Heißt ja auch nicht die Humor. Aber Spaß beiseite, ich denke nicht, dass er männlich ist. Auch zweifle ich daran, dass die Zeiten früher besser waren. Jedenfalls, in deinem sehr lesenswerten Artikel auf Seite xxx teilst du ja einige Kostproben aus The Kominsky Method, einer typisch jüdischen Serie, wie du schreibst. Da haben wir es wieder: ein Epos zweier alter Männer über das und jenseits des gleichen immerwährenden Themas, den Tod. Denkst du, ist es typisch jüdisch, weil jüdischer Humor oft vom Tod handelt? Und, was ist denn überhaupt jüdischer Humor? Viele verwechseln das heutzutage mit geschmacklosen Witzen über die dunkelste Zeit des 20. Jahrhunderts.

Ronni: Was ist jüdischer Humor? Jingele, jetzt stellst du endlich die richtigen Fragen!

Nathan: Jüdisch ist der Witz, weil er das urtypisch Jüdische darstellt: das nie enden wollende Gespräch, die Argumentation ad absurdum, das schonungslose Zanken. Oft auch mit einer gewissen Selbstironie gepaart. Franz Rosenzweig schrieb: „Jüdische Frömmigkeit und jüdischer Witz wohnen im gleichen Organ, im jüdischen Herz; und dahin führt kein Weg aus fremden Hirnen oder fremden Herzen.“ Denkst du, kann man das so sagen? Ist ein jüdischer Witz weniger lustig, wenn er von Nicht-Juden erzählt wird?

Ronni: Nicht nur weniger lustig, er könnte mitunter sogar rassistisch oder gar antisemitisch ausgelegt werden. Wie dieser: Sieht ein New Yorker Jude in der U-Bahn einen Schwarzen beim Lesen der Jerusalem Post und spricht ihn an: „Schwarz allein genügt dir nicht?” Ganz und gar nicht politisch korrekt. Trefflich beschreibt dieses Paradoxon der deutsche Comedian Oliver Polak in seinem Buch Ich darf das, ich bin Jude. Ganz zu schweigen von Lisa Eckhart, mit der haben wir ja schon einmal abgerechnet. Ich glaube, jüdischer Humor und Wokeness, das geht sich nicht immer gemeinsam aus, oder wie siehst du das?

Nathan: Jüdischer Humor ist vielleicht nicht woke, dafür oftmals ein ordentlicher Wachrüttler. Schließlich speist er sich meist aus den Erfahrungen in der Diaspora, dem von der Mehrheitsgesellschaft entgegengebrachten Antisemitismus, und bringt diese Realität humorvoll auf den Punkt. Manchmal auch auf eine sehr zynische Art und Weise. Einen der drei Witze, die ich mir merken kann, erzähle ich gerne. Der in die Jahre gekommene Schmuel kehrt im Winter 1962 nach langer Flucht in seine Heimat Wien zurück und kommt am ehemaligen Südbahnhof an. Beißende Kälte und er muss aufs WC. Also fragt er einen Mann: „Entschuldigen Sie, waren Sie ein Nazi?“, der Mann antwortet: „Was fällt Ihnen ein?! Selbstverständlich nicht.“ Also geht er zum Nächsten, dieser reagiert ebenso empört. Schließlich fragt er einen dritten Herrn: „Waren Sie ein Nazi?“, dieser antwortet gelassen: „Ja, ich war ein Nazi.“ Schmuel erwidert sichtlich erleichtert: „Sie sind a ehrlicher Mensch, bitte passen S’ doch kurz auf meine Koffer auf.“

Ronni: Den habe ich schon lange nicht mehr gehört. Aber Stichwort Ehrlichkeit: Grün erzählt seinem Freund Blau von seiner Antarktisexpedition. „Stell dir vor, Blau, ich bin einem Eisbären begegnet! Er kommt auf mich zu, ich lauf davon, er hinter mir her, in letzter Sekunde kann ich mich auf einen Baum retten.“ – „Geh Grün, in der Antarktis gibt es doch keine Bäume.“ – „Nu Blau, was hätt ich denn machen sollen?“ Daraus können so manche Politiker lernen, wie man sich aus der Affäre zieht, wenn man einer Lüge bezichtigt wird.

Nathan: Sie lernen nicht daraus, sondern ziehen sich in letzter Minute in den Nationalrat zurück. Mir fällt kein Witz zur aktuellen politischen Situation ein, aber dafür ein anderer, der die rhetorische Dialektik, mit der oftmals Politiker operieren, um ihre Fehltritte zu argumentieren, ganz gut darstellt. Moische trifft seinen Bruder und erzählt ihm verärgert, dass er den Rabbiner gefragt habe, ob er beim Beten rauchen dürfe, was ihm dieser vehement untersagt habe. Daraufhin erklärt der Bruder: „Nu, du bist a Depp! Hättest ihn gefragt, ob du beim Rauchen beten darfst. Das hätt’ er dir bestimmt erlaubt.“

Ronni: Ja, der ist weniger lustig als vielmehr weise! A Chuzpe sozusagen, die in so vielen jüdischen Witzen steckt. Zum Beispiel dieser: Treffen sich zwei Juden …

Nathan: Nu also ehrlich, Ronni, ich hab eigentlich schon genug jüdische Witze gehört, hast du nicht einen ganz normalen?

Ronni: Na gut, du hast recht. Es treffen sich zwei Chinesen. Sagt der Blau zum Kohn …

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