Sportlich feiern – ohne Wühlen in der Vergangenheit

Im Juli ist etwas los in Wien: Von 5. bis 13. Juli finden hier die Europäischen Makkabi Spiele statt – mit mehr als 2500 aktiven Sportlern aus aller Welt plus deren Familien und Fans. Es ist das erste Mal seit der Shoah, dass die Spiele in einem Land stattfinden, das einst zu Nazi-Deutschland gehörte. Für Wien sei das ein großes Renommee, sind die Organisatoren überzeugt.
Von Petra Stuiber

Sogar der Wiener Bürgermeister legt sich mächtig ins Zeug. Michael Häupl nimmt, exklusiv für die Delegierten des Makkabi-Weltkongresses in Paris, eine eigene Videobotschaft auf. Er beschreibt Wien in den schönsten Farben, er schwärmt von Wiens jüdischer Gemeinde, nennt den Sport, wie die Musik, „völkerverbindend“ und lobt die „großartigen Makkabi Spiele“. Der Auftritt per Video macht Eindruck: Im November 2008 geben die Delegierten des Weltkongresses Wien den Zuschlag für die Austragung der Spiele im Juli 2011 – vor Stockholm und St. Petersburg. Häupls euphorische Reaktion damals: „Ich freue mich jetzt schon auf 2011.“ Die Entscheidung des Makkabi-Weltkongresses sorgte nicht nur in jüdischen Kreisen für einiges Aufsehen: Immerhin finden die 13. Europäischen Makkabispiele (die 18. Spiele insgesamt) zum ersten Mal in einem deutschsprachigen Land statt – einem Land, das einst zum Deutschen Reich gehörte und den Holocaust mit verantwortet.

2100 aktive Sportler, etwa ein Drittel zwischen 14 und 16 Jahre alt, werden kommen. Über 40 Nationen werden vertreten sein, in 19 Disziplinen werden sie antreten, in drei verschiedenen Altersklassen. Bis zu 100 Wettbewerbe finden statt, zentraler Austragungsort ist der Campus Hakoah, aber auch die Trainingsplätze des Ernst- Happel-Stadions, die Werner-Schlager- Tischtennishalle in Schwechat, oder der Golfklub Fontana werden genutzt. Das Gesamtbudget für die Spiele beträgt rund drei Millionen Euro, 1,1 Millionen Euro übernehmen Bund und Stadt Wien, 500.000 Euro haben Sponsoren gestiftet, und rund 1,5 Millionen Euro soll durch die Teilnahmegebühr (920 Euro für den gesamten Aufenthalt in Wien) gedeckt werden. Freilich: Auch weniger Betuchten, die sich den Betrag nicht so leicht leisten können, wird die Teilnahme an den Spielen ermöglicht – „da finden wir einen Weg“, betont man in Wien mit Nachdruck.

Organisator Oskar Deutsch hat eine Menge Gründe, stolz darauf zu sein, was er mit seinem Team auf die Beine gestellt hat, nicht zuletzt diesen: „Es ist das erste Mal, dass der Bundespräsident eines europäischen Landes die Spiele eröffnet.“ Heinz Fischer wird die Spiele am 5. Juli am Wiener Rathausplatz feierlich eröffnen. „Das wird ein Spektakel, da werden alle schauen“, freut sich Deutsch. Das Organisationskomitee hat in den letzten zweieinhalb Jahren ganze Arbeit geleistet: Sponsoren, prominente Unterstützer, Sport-Austragungsstätten mussten gesucht, ein Organisationsbüro gegründet, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit getan, freiwillige Helfer gefunden werden. Immerhin kommen Anfang Juli rund 2500 jüdische (Amateur-)Sportler aus der ganzen Welt nach Wien – plus ihre Familien. Die müssen vom Flughafen abgeholt, in ihren Hotels untergebracht, es müssen über 40.000 koschere Menüs gekocht, 80.000 Liter Mineralwasser beschafft, es muss das Shuttle-Service zu den Sportstätten organisiert werden – und jene Makkabi-Teilnehmer oder -gäste, die zum ersten Mal seit Vertreibung und Verfolgung wieder in Wien sein werden, müssen behutsam begleitet und betreut werden.

200 Freiwillige haben Deutsch und sein Team bereits zusammen, „Juden und Nicht-Juden arbeiten da begeistert mit“. Apropos Begeisterung: „So eine freudig erregte Stimmung habe ich in der Kultusgemeinde schon lange nicht mehr erlebt“, sagt der Makkabi- Präsident.

„Wir sehen das als neuen Zugang, eine neue Art der Begegnung mit der Bevölkerung in Wien, es geht um ein gemeinsames Miteinander – ohne Wühlen in der Vergangenheit. Der Sport sei das geeignete Scharnier dafür, er sei bestens geeignet für Völkerverbindung.

Rund 7,5 Millionen Euro an Wertschöpfung rechnet sich Wien-Tourismus für die knappe Woche aus, in der die „Makkabis“ in Wien sein werden – ihre anverwandten und bekannten Begleiter nicht einberechnet.

Die ersten Makkabi Spiele in Europa fanden 1929 in Prag statt, ein Jahr später folgte Antwerpen. Und dann die lange dunkle Pause des „Dritten Reichs“ und des Zweiten Weltkriegs, in der Juden nicht mehr Vereinen beitreten durften, dann nicht mehr Sport treiben durften, schließlich millionenfach getötet wurden. Von den Folgen dieser Grausamkeiten erholte man sich in Europa nur sehr langsam. Erst 30 Jahre später, 1959, fungierte Kopenhagen erstmals wieder als Gastgeber der Europäischen Makkabi Spiele. Die Spiele waren und sind Amateurspiele, „das ist Tradition und wird auch so bleiben“ (Deutsch). Man ist stolz darauf, dass ganze Familien- Dynastien in den verschiedenen Altersklassen antreten (siehe auch Geschichte über die Familie Sinai). Gleichwohl nahmen immer wieder Spitzensportler aus Sympathie daran teil, etwa der legendäre Mark Spitz, der, wenige Monate, nachdem er bei den Makkabi Spielen gewonnen hatte, bei den Olympischen Spielen in München 1972 den Rest der Sport-Welt in Grund und Boden schwamm. Mit vielen prominenten Namen können die diesjährigen Makkabi Spiele in Wien zwar nicht aufwarten, aber immerhin ist die ungarische Schach-Championne Judith Polgar zu Gast, die mit ausgewählten Gehirn-Athleten ein Simultan- Turnier spielen wird. Zudem wird ein Platz vor dem Ernst-Happel- Stadion „Rudolf Spielmann Platz“ benannt, nach dem berühmten österreichischen Schachmeister, den die Nazis vertrieben hatten und der 1942 im schwedischen Exil starb. „Eine schöne zeitliche Zufälligkeit“ nennt das Makkabiade-Organisator Deutsch, der diesen „Zufall“ nicht ganz zufällig betrieben hatte.

Überhaupt: Auch wenn die Wiener Organisatoren die 13. Europäische Makkabiade feiern wollen, „ohne in der Vergangenheit zu wühlen“ – ihrer Geschichte entkommen weder die Stadt noch die Spiele. Schon einmal, vor mehr als 20 Jahren, hat sich Wien für die Austragung der Spiele beworben. Damals war Kurt Waldheim Österreichs Bundespräsident, und „was soll ich noch mehr dazu sagen“, sagt Deutsch. Um hinzuzufügen: „Damals haben wir gelernt, wie man’s nicht macht.“ Im Grunde laufe die Vergabe ja „nicht anders als bei Olympischen Spielen“, plaudert Deutsch – um sich schmunzelnd gleich zu korrigieren: „Natürlich ohne die kolportierten Schmiergelder.“ Aber, ganz im Ernst: „Ohne den Restitutionsvertrag von 2001 hätten wir wohl auch diesmal keine Chance gehabt.“ Die in Washington vereinbarte Rückgabe des Hakoah-Sportzentrums und der beeindruckende Neubau im Prater, der auch im Bewerbungsvideo breiten Raum einnahm, haben wohl den positiven Ausschlag gegeben, ist man in Wien überzeugt.

Was nun die kleine Wiener Jüdische Gemeinde davon habe, ein derartiges Mega-Projekt zu stemmen, umreißt Deutsch so: „Das ist vor allem eine Visitenkarte nach außen. Wir können zeigen, welch wunderbare Infrastruktur Wien hat – für religiöse Juden genauso wie für alle anderen.“ Dies sei insofern bedeutend, „als es ja Politik der Gemeinde ist, dass wir mehr werden“. Deutsch, der auch stellvertretender Vorsitzender der Kultusgemeinde ist: „Schon in der Vergangenheit haben wir die Einwanderung von Juden, vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion, sehr gefördert. Das wollen wir auch weiterhin tun.“ Da seien die Makkabi-Spiele „eine sehr gute Gelegenheit zu zeigen, wie schön es hier ist“. Ein Schelm, wer das für eine politische Ansage hält.

Informationen zur Makkabiade, alle Termine sowie Austragungsorte finden sich unter
www.emg2011.eu

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