Singlemarkt

Das Internet hat den jüdischen Heiratsmarkt revolutioniert. Aber was können die zahlreichen Singlebörsen und Singlereisen für Jüdinnen und Juden tatsächlich? NU hat das Angebot getestet.
Von Nina Horaczek

Der erste Treffer – ein absoluter Reinfall: Weiblich, jung, kultiviert sucht einen einfühlsamen, herzeigbaren und gebildeten Romeo unter vierzig. Und wen sucht der Computer aus? Typ eins: „Depredador“ aus Tultitlan/Mexico mit einem Aussehen, das jedes Casting zum Drogengang-Boss gewinnen würde. Typ zwei: Dodgy aus Schottland, der ein Preisboxer sein könnte. Aber zumindest lernt man auf „Jewish Love“ (www.jlove.com), der Seite mit dem Motto „Make your mother happy – join now!“, sich auf die inneren Werte zu konzentrieren. Von „Jewish Quality Singles“ (www.jqs.com) bis zu „Jewish Singles with special Needs“ (www.jswsn.org) ist im Netz für jeden jüdischen Geschmack etwas zu finden. Neben den traditionellen „Matchmakern“, den Kupplern, die ebenfalls schon im World Wide Web aktiv sind (siehe unter anderem www.mitmazel.com) gibt es mittlerweile ein fast unüberschaubares Angebot an jüdischen Singlebörsen im Internet. Sie unterscheiden sich allerdings – außer dass man beim Lieblingsessen neben Fastfood auch Kosher angeben kann – so gut wie gar nicht von nicht-jüdischen. Und wieso sollten sie auch? Auch hier gibt’s die Coolen, die meinen, ein einziges Mail mit den Worten „I love ya“ ohne „Hallo“ und „Wie geht’s?“ reicht aus, um sich eine Wienerin aufzureißen. Einzig die Männer- und Frauenquote scheint ausgewogener als auf „normalen“ Internet-Singlemärkten, wo die Männer chronisch in der absoluten Überzahl sind. „Wer in der Diaspora lebt und noch dazu in so einer kleinen Gemeinde wie in Wien, der muss sich einfach herausbewegen, wenn er einen jüdischen Partner finden will“, meint die Wienerin T., die selbst über verschiedene Singlebörsen ihren Juden fürs Leben gesucht hat. „Und die Leute hier sagen auch ganz ungeniert, ich fliege nach New York, und allen ist klar, sie fahren dorthin, weil dort ein anderer Pool ist und sich die Chancen, jemanden Netten kennen zu lernen, erhöhen.“ Vorselektion Wer nicht gleich zum Blinddate in den Flieger steigen will, für den gibt es im Internet genug Möglichkeiten, vorzuselektieren. Und da kann man ja gleich hierzulande beginnen. Auf www.jewishmingle.com finden sich gleich beim ersten Versuch ganze 19 Männer im heiratsfähigen Alter, auch wenn davon nur ein, zwei Mutige ihr Bildchen ins Netz stellen. Bei Frauen steigen die Chancen, wenn sie, was die Religion betrifft, ihr Kreuzchen bei „säkulär“ machen. Da gibt es dann gleich Einladungen quer durch Europa und in die USA. Für eine orthodoxe Heiratswillige aus Wien fand sich binnen zehn Tagen hingegen nur ein einsamer Spanier – und der ist wirklich nicht weiterzuempfehlen. Nach dem ersten „Ich dachte schon, ich finde nie eine orthodoxe Frau im Netz“-Mail, meldete sich der Verzweifelte schon zehn Minuten später in Stalking-Manier wieder. Diesmal mit einem grantigen: „Nur weil du keinen Mitgliedsbeitrag zahlst und Test-Userin bist, kannst du wenigstens mein Mail beantworten!“ Nein, Danke. Freundlicher geht es auf „Jewish Date“ (www.jdate.com) zu. Mehr als 20.000 User gleichzeitig online sind hier keine Seltenheit. Wer auf JDate seinen Prinzen finden will, sollte aber nicht unter Flugangst leiden – das Angebot ist auf die USA, Kanada, Frankreich und Großbritannien beschränkt. Dafür hat JDate auch das eigene Magazin „Jmag“, in dem sich jüdische Singles über jüdisches Singlesein auslassen können und es bietet sogar Single-Partys an, etwa „JDate and the City“ in London. Dass hier der erste Treffer das einsame Herz mit den Worten „I’m a psychopathic lunatic who after one date will stalk you“ begrüßt, kann man bei so vielen Extra-Angeboten verzeihen. Und wer hat schon beim ersten Mal die Liebe fürs Leben gefunden? „Auf Seiten wie JDate kann man wenigstens an der Qualität der E-Mails gleich erkennen, wie daneben die Leute sind“, meint Singlebörsen-Userin T. pragmatisch. Auch der Anteil an österreichischen Postern ist hier, ähnlich wie auf http://jewishfriendfinder.com, nicht so schlecht. Wer im Internet sein jüdisches Liebesglück sucht, muss ein wenig in die Brieftasche greifen. Drei Monate Partnersuche kostet zum Beispiel auf www.jewishcafe.com zwischen 40 und 50 Dollar, dafür füllt – falls sich kein passender Mann finden sollte – der jewishcafe-Administrator regelmäßig mit „The jewish Café misses you“-Nachrichten die eigene Mailbox. Single-Treffs Oder man zahlt gleich mehr für einen Flirturlaub. Der wird mittlerweile vom tiefsten Alaska bis rund ums Mittelmeer angeboten. Eine der Pionierinnen in dieser Verkuppelbranche ist die nach London ausgewanderte Wiener Jüdin Dana Teichner-Preiss, die gemeinsam mit ihrer in Israel lebenden Geschäftspartnerin Ariela Glueck seit Jahren Single-Sommerurlaube und -Bälle organisiert. Begonnen hat alles 1999, als Teichner-Preiss und Glueck in Wien eine Party für Freunde organisieren wollten. „Herausgekommen ist ein riesiger jüdischer Ball mit 1.500 Teilnehmern in der Hofburg“, erinnert sich die Mitbesitzerin von www.absolute-events.com. Und weil nach dem ersten Event in Wien die Nachfrage rasant stieg, organisieren die beiden seitdem jeden Juli eine Urlaubswoche für jüdische Liebeswillige unter 40 Jahren und jeden Winter einen jüdischen Ball in einer anderen europäischen Metropole. Das Flirten am Meer gibt es für Frühbucher ab 750 Euro für eine Woche im Fünfsternehotel in am Meer gelegenen Partymetropolen samt koscherem Essen, Beachpartys, Sicherheitsdienst – aber exklusive Flug. Dass in den vergangenen Jahren so manche Begegnung auf einem Absolute Event-Urlaub mit Hochzeit und Kindern endete, führt Teichner-Preiss auf ein simples Konzept zurück: „Wir kuppeln nicht, bei uns muss niemand irgendwelche Partnerspiele machen.“ Die österreichischen Juden scheint das trotzdem noch nicht überzeugt zu haben, im Gegensatz zu den Briten, Franzosen und Amerikanern trauen sich nur wenige an den Single-Strand. „Es scheint sich hierzulande noch nicht herumgesprochen zu haben, dass Single-Events cool sein können“, meint Teichner-Preiss. Kühl und deswegen quasi prädestiniert zum Kuscheln ist es auf www.jsinglescruise.com , wo man auf dem Boot in Alaska und vielen anderen Destinationen nach hübschen jüdischen Singles Ausschau halten kann. Noch mehr Reisen samt koscherem Essen und alleinstehenden Männern und Frauen gibt es auf http://www.kosherica.com. Übrigens: Singlebörsen-Testerin T. hat ihren Juden fürs Leben nach Singlesuch-Mails quer durch Europa und Blinddates in New York schlussendlich doch in Wien gefunden. Auf einer stinknormalen Sommerparty ganz ohne Internet und Kupplerin.

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