Sie haben weggeschaut

Christiane Hörbiger liest von 6. bis 9. Februar 2006 am stadtTheater aus der Biografie Leon Zelmans. Die Einnahmen dieses Lese-Zyklus spendet die Schauspielerin karitativen jüdischen Einrichtungen. Im Gespräch mit NU erläutert Hörbiger ihre Beweggründe, gibt aber auch Einblick in ihre persönliche Familiengeschichte.
Von Alexia Weiss

Warum sie gerade aus der Biografie Zelmans, Leiter des Jewish Welcome Service, lesen möchte, wollte NU von Hörbiger wissen. Weil sie die Lektüre “erschüttert” habe, so Hörbiger. Weil die Dinge so kühl und sachlich geschildert seien und diese Geschichte unter die Haut gehe. Weil sie die persönliche Widmung Zelmans “gerührt” und sie über diese Widmung zu weinen angefangen habe. “Ich habe mir da gedacht, vielleicht habe ich doch durch das Verhalten meiner Eltern (Paula Wessely und Attila Hörbiger, Anm.) immer wieder das Gefühl von einer persönlichen Wiedergutmachung oder einem persönlichen Wiedergutmachen-Müssen.” Ihre Eltern seien Mitläufer gewesen, sagt Hörbiger. “Beziehungsweise mein Vater war ja auch in der nationalsozialistischen Partei, was man uns Kindern aber erst viele Jahre später gesagt hat.” Die Tragweite der Konzentrationslager hätten ihre Eltern aber auch erst langsam mitbekommen. “Und das glaube ich heute so interpretieren zu können – sie haben weggeschaut.” Ein Leben lang seien sie und ihre Geschwister von den Eltern mit Sätzen wie “Ihr habt ja keine Ahnung” bedacht worden. In den Achtzigern habe sie aber dann von ihrer Mutter Antwort auf die eine Frage haben wollen: warum diese 1941 den NS-Propagandafilm “Heimkehr” gemacht habe. Eine Nacht habe Sie mit Paula Wessely, damals 78, “durchgestritten”. Das Fazit: Es war Angst. “Sie haben Ja gesagt, um Gefahren von der Familie abzuhalten und haben es vielleicht auch nicht so ernst genommen. Aber ich glaube, das Vorherrschende war schlicht und einfach Angst, Nein zu sagen zu dem Film.” Zu dem Zeitpunkt seien bereits zwei Kinder auf der Welt, das dritte in Erwartung gewesen und Wessely sei nur der deutschen Sprache mächtig gewesen. Die Konsequenz eines Nein wäre gewesen, dass die Mutter keine Arbeit mehr gefunden hätte. Wen sie nun mit ihrem Lesezyklus vorrangig ansprechen wolle? “Junge Leute, die Politikern glauben, die behaupten, den Holocaust hat es nicht gegeben. Junge Menschen, die ohne zu hinterfragen das glauben, was ihnen zum Teil ihre Eltern, zum Teil Politiker oder aber auch Menschen wie der kürzlich in Österreich verhaftete Revisionist Irving einzureden versuchen.” Nach der Lektüre der Biografie Zelmans fühle sie sich in ihrer Überzeugung bestätigt, “das darf, solange ich am Leben bin, nicht mehr vorkommen”. Nun wolle sie ihre Fernseh-Popularität nutzen, um ein Publikum zu erreichen, das eigentlich nicht in Lesungen gehe. “Das ist mein kleiner, winziger Beitrag.” “Ein Leben nach dem Überleben” Christiane Hörbiger liest aus der Biografie Leon Zelmans Lesezyklus am 6., 7., 8. und 9. Februar, Beginn jeweils 20 Uhr Tickets: 21 Euro pro Abend, Paketpreis für alle vier Abende 63 Euro stadtTheater , Walfischgasse 4, 1010 Wien Karten erhältlich auf oder unter 01/512 42 00 ”Ein Leben nach dem Überleben”, aufgezeichnet von Armin Thurnher, Verlag Kremayr & Scheriau, Erweiterte Neuauflage, Wien 2005, 232 Seiten, 3-218-00750-X, 19,90 Euro

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