Seibersdorfer Verhaeltnisse

In Österreichs renommiertem Austrian Research Center geben noch immer rechte Burschenschafter den Ton an. Wie lange noch, ist ungewiss. Wegen fortlaufender Malversationen bekommt nun der Staatsanwalt Post aus Seibersdorf.
Von Petra Stuiber (Text) und Matthias Cremer (Foto)

Der Minister ist ja eigentlich nicht zuständig, sondern die Staatssekretärin. Deren Pressesprecher geht sicherheitshalber jedes Mal auf Tauchstation, wenn NU anruft. Und der Aufsichts- ratspräsident lässt ausrichten, dass er ja furchtbar gerne mit uns sprechen würde – aber leider, leider fliegt er am nächsten Tag für eine Woche ins Ausland, und da ist noch so viel zu tun, wir hätten doch da bestimmt Verständnis, meint eine sehr korrekte und sehr bestimmte Assistentin. Haben wir. Ist ja schließlich kein angenehmes Gesprächsthema zur Zeit, das „Austrian Research Center“ (ARC) in Seibersdorf, noch dazu für die Sozialdemokraten Werner Faymann (Infrastrukturminister), Christa Kranzl (ihm zugeteilte Fo rschungsstaatssekretärin) und Hannes Androsch (ARC-Präsident).

Sprächen sie mit NU, müssten sie erklären, warum im ARC, einer der höchst subventionierten Forschungseinrichtungen Österreichs, noch immer Mitglieder rechtsrechter, schlagender Burschenschaften den Ton angeben, die einst von der schwarz-blau-orangen Regierung eingesetzt wurden.

Eine kleine Auswahl? Einer der beiden Geschäftsführer, Hans Rinnhofer, ist natürlich – wie sein Vorgänger Helmut Krünes – Mitglied der Burschenschaft „Olympia“. Alfred Wansch, Wohnungskommissionsmitglied der FPÖ Donaustadt, ist Leiter der Rechtsabteilung des ARC – und ebenfalls Mitglied der Olympia. Geholt wurde er von Martin Graf, ebenfalls FPÖ und – man ahnt es bereits – ebenfalls „Olympe“. Graf war FPÖ-Nationalratsabgeordneter, ab 2003 dann Geschäftsführer der ARC Business Services GmbH, später Prokurist von ARC, ehe er wieder für die FPÖ in den Nationalrat zurück wechselte. Weiters findet sich in der Rechtsabteilung von Seibersdorf noch ein Mann namens Arnulf Helperstorfer, Mitglied der Burschenschaft „Gothia“ und Vorsitzender des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS). Dass all das „Postenschacher“ ist, hat nicht nur der Grüne Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger immer wieder in parlamentarischen Anfragen klargemacht, die – auch vom derzeitigen SPÖ-Minister Werner Faymann – ausschließlich wortkarg beantwortet wurden. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen widerstands (DÖW) zeigte vor kurzem in einer „Stellungnahme zur Wiener Akademischen Burschenschaft Olympia“ auf, was die „Einbläuung“ dieser österreichischen Elite-Forschungseinrichtung darüber hinaus noch bedeutet. Da ist zum einen die „Olympia“, Burschenschafter- Heimat der ARC-Recken.

Im Jahr 1996 wusste der Hamburger Verfassungsschutzbericht so einiges aus der jüngeren Geschichte dieser Burschenschaft zu erzählen. Im Zusammenhang mit der Radikalisierung des deutsch-österreichischen Dachverbands „Deutsche Burschenschaft“ (DB) heißt es in dem Bericht: „Die DB wird von den abgespalteten Burschenschaften zwar nicht pauschal als rechtsradikal eingestuft, wohl aber Einzelpersonen und Einzelbünde. Dazu zählt unter anderem die Burschenschaft Olympia Wien.“

Bereits 1991 fiel die „Olympia Wien“ bereits durch ihre Forderung nach geeigneten Maßnahmen zur „sofortigen Beendigung der Unterwanderung des deutschen Volkskörpers durch Ausländer“ auf. In diesem Zusammenhang wird auch ein Ausspruch von Martin Graf, einem „Alten Herren“ bei Olympia, im „Spiegel“ wiedergegeben: „Die heutigen Staatsgrenzen wurden willkürlich gezogen; das deutsche Volkstum muss sich frei in Europa entfalten können.“ In einer „Festschrift“ aus dem Jahr 1989 wurde nicht nur die Überleitung der Burschenschaft 1938 in die natio-nalsozialistische „Kameradschaft Johann Gottlieb Fichte“ verherrlichend beschrieben, zum Ende der Nazi-Diktatur ist dort von der „totalen Niederlage“ die Rede. Und weiter: „Gleich nach Kriegsende setzte die von den Siegern betriebene systematische Umerziehung ein, die einen intensiven Wandel des Denkens, der Empfindungen und Verhaltensweisen erreichen wollte und auch erreichte … Die entstandene geistig-kulturelle Bewusstseinslücke wurde durch die Etablierung der westlich-pluralistischen Gesellschaftsform ,ausgefüllt’.“ Am 23. Jänner 2001 lud die „Olympia zu einem burschenschaftlichen Abend unter dem Titel „Die Diktatur der Gutmenschen – das Ende der Meinungsfreiheit?“, wo man sich über das NS-Verbotsgesetz austauschte.

Das ist freilich nicht alles: Nicht nur, dass die ARC-Manager Mitglieder in einer Vereinigung sind, die am Rande eben jenes Verbotsgesetzes haarscharf vorbeischrammt – einer war auch einmal mittendrin. Alfred Wansch, der nunmehrige Leiter der Rechtsabteilung, war 1980 noch 3·2007 nu 17 Mitglied im „Komitee zur Wahl eines nationalen Deutsch-Österreichers“. Und der war niemand anderer als der Neonazi und damalige Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Burger.

Umso bemerkenswerter, dass von Regierungsseite bis dato keine Reaktion kam – der Bund hält immerhin die Mehrheit am ARC, die Forschungsaktivitäten werden aus Steuergeldern bezahlt. Unter der Hand heißt es, Faymann, Kranzl und Aufsichtsratspräsident Androsch wollten warten, bis sich die bisherige ARC-Führung wegen notorischer Unfähigkeit selbst aus dem Amt schieße. Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik, weil Ex- Geschäftsführer Krünes und andere selbst Anteile an Subfirmen hielten oder Günstlinge mit intransparenten Auftragsvergaben beglückten.

Die ersten Weichen für eine Sanierung der Seibersdorfer Verhältnisse haben Androsch und der Aufsichtsrat zumindest gestellt: Ende Juli beschloss der ARCAufsichtsrat einstimmig, dass die Geschäftsführung über die mysteriösen Umstände beim Verkauf der burgenländischen ARC-Tochter FWG eine Sachverhaltsdarstellungabliefern und sogleich an die Staatsanwaltschaft übermitteln muss. Sollte die Sache strafrechtlich relevant sein, könne man „die ganze Partie loswerden“, sagte ein Insider zu NU, „ohne sie zu politischen Gesinnungsopfern zu machen“.

Sollte das wahr sein, ist das eine durchaus elegante politische Strategie mit einer uneleganten Begleiterscheinung: der völligen Umkehrung von Täter- und Opferrollen.

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