Riess-Interview? Ja, klar doch!

Von Peter Menasse

Das Interview unseres Kollegen Martin Engelberg mit Susanne Riess im Heft 51 hat Lob und Kritik hervorgerufen. Im Mittelpunkt stand die Frage: Darf eine ehemalige Politikerin der extremen Rechten in NU vorkommen, ja sogar am Cover abgebildet sein?

Ein berechtigter Einwand lautete, dass wir die Rolle der früheren Politikerin nicht ausführlich dargestellt hätten. Das sei hier in wenigen Sätzen nachgetragen. Susanne Riess war ab 1996 geschäftsführende Bundespartei-Obfrau der FPÖ und damit Jörg Haiders Statthalterin. Ab dem Jahr 2000 bis Anfang 2003 fungierte sie als Vizekanzlerin in der Regierung Schüssel. Riess hat in ihren Funktionen alles mitgetragen, verteidigt und gestützt, was ihr Mentor Haider an Scheußlichkeiten von sich gegeben hat. Fremdenfeindlichkeit, Angriffe auf den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Niedermachen von politischen Gegnern, sie hat sich nie distanziert, sondern hieß das alles gut. Nach dem Putsch von Knittelfeld verließ sie die Partei und ging in die Privatwirtschaft ab. Den damaligen Zustand unseres Landes charakterisiert, dass man ihr zum Abschied das „Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich“ umgehängt hat.

Jetzt also ein Interview mit NU. Sie sagt darin, und das erstmals seit ihrem Ausscheiden aus der Politik, dass Jörg Haider unberechenbar war, dass er seine ideologischen Positionen immer nach denen gerichtet hat, denen er gerade gegenüber saß, dass er sich der extremen Rechten und sie sich seiner bedient hat. Sie spricht über die heutige FPÖ als eine Partei, in der nach Knittelfeld „sie plötzlich auferstanden sind aus irgendwelchen dumpfen Ecken“. Sie nennt sie ablehnend eine „Rechtsaußen-, rechtsextreme oder rechtsradikale Partei“.

Gut, unsere Leserinnen und Leser, wie alle politisch wachen Menschen, wussten das immer schon und haben es nie anders gesehen. Aber wir werden in den Kreisen, denen Riess so lange in prominenter Position angehört hat, so gar nicht gehört. Was wir wissen, wissen sie noch lange nicht. Jetzt spricht die „Königskobra“ des Jörg Haider erstmals Klartext, und das wird auch in rechten Kreisen vernommen. Vielleicht wird sogar der eine oder andere ÖVP-Politiker seine Koalitionspräferenzen überdenken, wenn derart klare Worte von einer kommen, die es wissen muss.

Es war nach allen Regeln des Journalismus richtig, das Interview zu führen, zu drucken und prominent zu platzieren. Die Frau war bereit, über ihre früheren Freunde zu reden, sie sollte ihre Chance haben. Bestätigt wurden wir dadurch, dass die deutlichen Aussagen von Susanne Riess in großen österreichischen Medien zitiert wurden und das Interview damit eine über die NULeserschaft hinausgehende Öffentlichkeit erhielt.

Wir hätten sie weißgewaschen, meinten einige Leserinnen und Leser. Nein, sage ich, wir haben sie nur reden lassen. Das Resultat zeigt in aller Klarheit eine larmoyante, sich selbst gegenüber vollkommen unkritische Person.

Der Schriftsteller Peter Turrini hat uns dazu geschrieben: „… ihre politischen Aussagen geben die österreichische Katastrophe der Verharmlosung wider, die eine generelle ist. Sie weist sehr wehleidig darauf hin, dass die positiven Tendenzen innerhalb der FPÖ auf wenig Gegenliebe gestoßen seien, aber sie denkt keinen Moment darüber nach, was verschiedenste Aussagen der FPÖ (auch in ihrer Verantwortung und Ära) für viele Menschen bedeutet haben.“ Und weiter: „Wer den österreichischen Charakter, der mit den Folgen seines Tuns nichts zu tun haben will, studieren will, der muss dieses Interview lesen.“

Die Distanzierung der Susanne Riess erfolgte erst rund zehn Jahre nach ihrem Ausscheiden aus der Politik und ist wohl weniger einem Prozess der Einsicht gedankt, als vielmehr dem Wissen, dass es für eine Topmanagerin nicht opportun ist, in der braunen Sandkiste bei den Schmuddelkindern mitzuspielen. Ein Wort der Entschuldigung bei jenen, die in ihrer Zeit als Führungsmitglied der FPÖ verhöhnt, geängstigt und gedemütigt wurden, hat sie nicht gefunden.

P.S. Peter Huemer, der den Abdruck des Interviews kritisiert hat, wurde von uns eingeladen, einen Kommentar dazu zu schreiben (siehe Seite 53).

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