Restitution: Warten auf Gerechtigkeit

Noch sind die gesamten Gelder des „Entschädigungsfonds“ nicht freigegeben. Dennoch können bereits Entschädigungen beansprucht werden. Ein Überblick, wer wann wie viel bekommt.
Von Saskia Schwaiger

Das Restitutionspaket der Regierung hatte eine schwere Geburt gehabt: Über Wochen und Monate hatten sich die Verhandlungen zwischen Opfervertretern, Anwälten und österreichischer Regierung hingezogen. Seit 28. Mai 2001 ist das Gesetz in Kraft: 210 Millionen US-Dollar beinhaltet der „Allgemeine Entschädigungsfonds“, sobald die letzte Klage gegen die Republik Österreich zurückgezogen ist. Das könnte noch einige Zeit dauern (Siehe Kasten unten). Dagegen laufen bereits die ersten Auszahlungen der „Soforthilfe“, die ebenfalls Teil dieses Pakets sind.

Hier ein Überblick über alle Ansprüche und Leistungen des Nationalfonds:

• Noch nicht zu spät ist es für die erste Geste des Nationalfonds: 70.000 Schilling pauschal an alle Opfer des Nationalsozialismus. Wer dieses Geld noch nicht beantragt hat, kann dies immer noch nachholen. An 30.000 Betroffene ist das Geld bereits ausbezahlt worden. Diese Adressen verwendet der Nationalfonds auch, um für die zweite Geste mögliche Betroffene anzuschreiben. Aber Vorsicht: Die Kriterien für die Gelder aus dem „Entschädigungsfonds“ sind wesentlich präziser:

• Das Restitutionspaket der Bundesregierung, das per 28. Mai 2001 beschlossen wurde, steht auf drei Säulen:

1.) „Soforthilfe“: 150 Millionen Dollar (rund 2,5 M rd. Schilling). Der Fonds entschädigt für „Verluste und Schäden, die als Folge von oder im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Regime den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern sowie den anderen Opfern des Nationalsozialismus zugefügt wurden“. Das heißt: Als Pauschalentschädigung für entzogene Mietrechte, Hausrat und persönliche Wertgegenstände, ist eine Entschädigung von 7.000 US-Dollar beziehungsweise 105.000 Schilling vorgesehen. Die Pauschale ist eine Soforthilfe, die rasch ausbezahlt werden kann. Für jene Anspruchsb e rechtigten, die nach dem 24. Oktober 2000 verstorben sind, können auch die Nachkommen ihre Ansprüche geltend machen.

2.) Wer andere oder höhere Verluste geltend machen will ( liquide Betriebe, größere Immobilien, Bankkonten), wendet sich an den „General Settlement-Fund“, der mit 210 Millionen Dollar dotiert ist (3,5 Mrd. Schilling).

A l l e rdings: Das Geld kann erst fließen, wenn erstens alle Klagen zurückgezogen sind und zweitens die Antragsfrist (2 Jahre, bis zum 27. Mai 2003) verstrichen ist. 3.) 112 Millionen Dollar (1,8 M rd. Schilling) stehen zur Verfügung für Ansprüche aus den Bereichen Pflegegeld und Pensionsnachkauf.

• Voraussetzung für die Auszahlung aus dem Entschädigungsfonds ist wer

a.) per Stichtag 13.März 1938 die österreichische Bundesbürgerschaft besessen oder

b.) bis zum Stichtag etwa 10 Jahre ununterbrochen den Wohnsitz in Österreich gehabt hat, oder c.) vor dem 13. März 1938 Bundesbürgerschaft oder Wohnsitz verloren hat, weil er wegen des bevorstehenden Einmarsches der deutschen Wehrmacht das Land verlassen musste oder

d.) als Kind solcher Personen vor 9. Mai 1945 im Konzentrationslager oder vergleichbaren Umständen zur Welt gekommen ist.

• Fristen: Bis 27. Mai 2003 können Anträge auf Auszahlung aus dem Entschädigungsfonds gestellt werden. Kontaktadresse: Nationalfonds der Republik, 1017 Wien, Parlament, Tel (Mo – Do von 9 bis 12 Uhr): 01 – 408 12 63.

• Vo rgehensweise: Jene 30.000 NS-Opfer, die durch die Auszahlung der ersten Geste des Nationalfonds adressmäßig erfasst sind, wurden vom Nationalfonds bereits angeschrieben. Fonds-Generalsekretärin Hannah Lessing wird auf Dienstreisen mit den international größten Organisationen zusammentreffen, um über die zweite Auszahlung des Fonds zu informieren. Zusätzlich folgt eine Medienkampagne. „Die Pauschale soll eine Soforthilfe sein, die möglichst unbürokratisch gewährt wird, erklärt man beim Nationalfonds. „Oft reichen die Unterlagen, die wir von der ersten Auszahlung bereits vorliegen haben“.

Der Nationalfonds rechnet dennoch mit einigem Mehraufwand: Die 14 Mitarbeiter wurden in der Zwischenzeit auf über zwanzig aufgestockt. Rund 4.000 Auszahlungen sind bereits auf den Konten eingelangt. Die Mitarbeiter bemühen sich, nach Alterspriorität vorzugehen. Und: Der Beweisstandard soll so niedrig wie möglich gehalten werden.

 

INFO

 

Mauerbach-Verkaeufe:

Raetselraten um das vierte Viertel

Im Oktober 1996 wurden im Museum fuer Angewandte Kunst in Wien ueber 800 Kunstgegenstaende versteigert, die ab 1938 von den Nationalsozialisten geraubt und deren rechtmaessige Besitzer oder deren Erben nicht mehr eruiert werden konnten. Die Oeffentlichkeit hatte erst zehn Jahre zuvor erfahren, dass die Republik diese Schaetze ueber Jahrzehnte im ehemaligen Kartaeuserkloster Mauernbach gelagert hatte.

Die „Mauerbach-Schaetze ersteigerten einen Wert von unglaublichen 155 Millionen Schilling. Schon ein Jahr zuvor hatte die Bundesregierung per Gesetzesbeschluss, die Mauerbach-Gueter und die weitere Verteilung des Erloeses der Bilder in die Hand der Israelitischen Kulturgemeinde gelegt. Diese ging nun an die Verteilung der Gelder: Der Erloes wurde zunaechst (ohne die genaue Opferzahl zu kennen) in vier Viertel geteilt: Das erste Viertel erging an nach Israel ausgewanderte Juden aus Oesterreich, das zweite Viertel an in Oesterreich verblieben Opfer, das dritte Viertel an NS-Opfer in anderen Laendern. Das vierte Viertel jedoch wurde in einen Fonds einbezahlt, der gedacht war fuer „beduerftige Nachkommen“. Bis vorvergangene Woche lag das Geld im Fonds und warf Zinsen ab: 40 Millionen Schilling sind es laut IKG – Praesident Ariel Muzicant inzwischen. Das seltsame Warten soll jetzt zu Ende sein: „Der Bundesverband hat beschlossen, das Geld so schnell wie m.glich an die Opfer auszubezahlen“, erklaert jetzt Muzicant gegen.ber „Nu“. „Sollten wir die Israelis nicht . b e r zeugen k.nnen, so werden wir es im Alleingang tun.“

 

Restitution aktuell: Die verflixte letzte Klage

Die Freigabe der Fonds-Gelder ist im Entschaedigungsgesetz klar geregelt: 210 Millionen US-Dollar sind “ spaetestens nach Ablauf von 30 Tagen zur Verf.gung zu stellen, nachdem alle in den Vereinigten Staaten am 30. Juni anhaengigen Klagen gegen Oesterreich abgewiesen sind“. Was tun, wenn aber in Oesterreich selbst der Schluessel zur Aufhebung dieser Klagen liegt?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die IKG eine Sammelklage von oesterreichischen Shoah-Opfern unterstuetzt – auch finanziell. Die Klage wurde als „Fialkoff-Klage“ bekannt und liegt inzwischen bei der beruehmt gewordenen Richterin „Judge Kram“.

Inzwischen ist der Druck gestiegen, auch formell dieser Klage beizutreten, was hektische Verhandlungen ausgeloest hat: World Jewish Kongress-Generalsekretaer Israel Singer sprach mit Bundeskanzler Wolfgang Schuessel darueber. Dem Vernehmen nach sicherte Schuessel zu, dass die Regierung nochmals via Bildungsministerin Elisabeth Gehrer das Gespraech mit der Kultusgemeinde suchen solle. Der Kulturvorstand der IKG dagegen beschloss Ende August, der Klage dann offiziell beizutreten, wenn die Gespraeche mit Gehrer kein Ergebnis bringen sollten.

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