Peter Rabl – Mit Schaum vor dem Mund

Von Martin Engelberg

Am Beginn stand mein Kommentar in der Presse unter dem Titel „Antisemiten und Antiamerikaner aller Länder – vereinigt euch!“. Ein zugegeben provokanter Titel zu einer These, die jedoch schon seit einigen Jahren in akademischen Kreisen ausführlich diskutiert wird: Antiamerikanismus hat die gleichen Wurzeln wie Antisemitismus, und es gibt zentrale Aspekte, die beiden Ressentiments gemein sind: „Die Juden“ und „die Amerikaner“ werden zur Kanalisierung eigener Unzufriedenheit mit gesellschaftlichen Verhältnissen benützt, der britische Historiker Timothy Garton Ash nennt dies „mit Neid durchsetzter Groll“.

Dazu werden beide für bestimmte Erscheinungen – insbesondere der Moderne – personifiziert und diffamiert. Juden und Amerikaner werden als „das Andere“ oder „das Böse“, als konträr zur eigenen moralischen Position dargestellt. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der „amerikanische Geist“ als bedrohlich und zersetzend für die deutsche Kultur angesehen; sehr ähnlich wie der „jüdische Geist“.

Entsprechend dem in Deutschland und auch Österreich vorherrschenden „Anti-Antisemitismus“ – es gehört sich nicht, sich offen judenfeindlich zu zeigen – hat sich das Hassobjekt verschoben. Die heute legitimen Ziele sind: die USA und Israel. Die Bilder, die Argumente und die Emotionalität sind die gleichen geblieben.

Bisher hatte noch keiner meiner Kommentare in der Presse so viele Reaktionen ausgelöst. Die Leserbriefe waren höchst unterschiedlich, zumeist negativ und auffallend emotional. Diese Aufgeregtheit und die Formulierungen waren entlarvend – sie waren ungewollt der Beweis für die Richtigkeit meiner Feststellungen. Besonders hervorgetan hat sich Peter Rabl, langjähriger ORF-Journalist und bis vor kurzem Kommentator und Leitartikler des Kurier. Er schrieb in seinem öffentlichen Blog u. a. Folgendes: „Kritik an der teilweise schwer völkerrechtswidrigen und rassistisch gefärbten israelischen Politik wird unter anderem von ihm traditionell als antisemitisch vernadert.“

Allein diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Er beinhaltet zuerst einmal eine undifferenzierte und für einen führenden Journalisten nicht gerade sachliche Behauptung zur Politik Israels. Das wäre aber für sich noch nichts Überraschendes. Eine solche tendenziöse Aussage hat man schon bei so manchen österreichischen Medienleuten gelesen. In diesem Satz wirft mir jedoch Rabl persönlich vor – und hier muss festgehalten sein, dass wir einander persönlich kaum kennen –, ich würde jede Kritik an Israel „traditionell“ als antisemitisch „vernadern“.

„So, so“ – fragte ich in einem nächsten Kommentar in der Presse – „was ist da mit ‚traditionell‘ jetzt gemeint? Dass ich persönlich jeder Kritik an Israel mit diesem Vorwurf begegne? Das stimmt nicht und ließe sich unschwer mittels einer kurzen Internetrecherche widerlegen. Also ‚traditionell‘ im Sinne von – ‚wie alle Juden‘? Das wäre dann doch ein nettes Beispiel eines Vorurteils oder sogar Ressentiments, oder? Und dann muss es natürlich das Verb ‚vernadern‘ sein – wie denunzieren und verraten (Synonyme laut Duden) – ein Begriff der, wie zufällig, gerade in rechten Zirkeln so häufig auftritt. Einleitend und dazupassend betitelte mich Rabl als „prominenten Wiener Juden Engelberg“ – alles klar?

Diese eigentlich sehr sachliche Analyse seines Blogs ließ dann Rabls Kragen endgültig platzen und – wie es bei unseren Weisen so schön heißt: In drei Fällen zeigt sich das wahre Gesicht der Menschen: wenn sie trinken, beim Geld und im Zorn – Rabl ließ seinen Emotionen und Ressentiments freien Lauf. Er bezeichnete meinen Kommentar als „Frechheit, Anmaßung, Dreistigkeit, Unverschämtheit“, spricht von „psychologisierendem Geschwurbel“. Rabl nennt mich einen „personifizierten Antisemito-Meter“ und wirft mir und der Wiener Kultusgemeinde einen naheliegenden Mangel an kritischer Distanz zum Thema Israel vor und untermauert dies mit der Feststellung, dass es übrigens jene Kultusgemeinde sei, „in deren Stadttempel der beste Platz für den jeweiligen israelischen Botschafter in Wien reserviert ist“.

Mein Fazit meiner beiden Kommentare hatte sich vollauf bestätigt: Kritik an der Politik der USA und auch Israels ist natürlich zulässig, auch wenn man mitunter schon ein bisschen müde wird, dies immer und immer wieder betonen zu müssen. Wieso ist jedoch eine sachliche und ruhige Auseinandersetzung mit durchaus komplexen Themen gerade im Falle der USA und Israels so schwierig oder gar unmöglich? Selbstverständlich ist es spannend zu diskutieren, wieso die Mehrheit der Amerikaner mit der Überwachung durch die NSA durchaus zufrieden ist. Sind deswegen alle Amerikaner paranoid? Und wenn, gilt dann nicht vielleicht der Spruch: „Auch Paranoide haben Feinde“? Hingegen wurde in Österreich Terrorismus immer am besten damit bekämpft, dass die Außenpolitik traditionell mit terroristischen Organisationen im arabischen Raum sympathisiert und klammheimlich kooperiert hat, im Abtausch dafür, dass Österreich von Anschlägen verschont bleiben würde. Nach dem Motto: „Anschläge okay – aber macht’s die bitte woanders“. Selbstverständlich gilt es in allen Gesellschaften der freien Welt, darüber einen Diskurs zu führen, wie sehr wir bereits sind, auf Freiheiten zu verzichten, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.

Über all diese Fragen ließe sich diskutieren – durchaus mit Verve und Kritikbereitschaft in alle Richtungen. Wann immer es aber um die USA und Israel geht, tritt allzu vielen Menschen in Österreich der Schaum vor den Mund. Quod erat demonstrandum.

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