Pendler zwischen den Welten

Robert Dornhelm Foto: © Milagros Martínez-Flener

Seine steile Karriere führte Robert Dornhelm rasch von Wien nach Hollywood. Trotz seiner Hollywood-Erfolge hat der österreichische Regisseur mit rumänischen Wurzeln seine Kontakte zu Österreich und Europa nie abreißen lassen.

Robert Dornhelm ist, soviel ist gewiss, viel unterwegs. Mit Vorliebe pendelt der offenbar immerjunge, siebzigjährige Regisseur zwischen der alten und neuen Welt. Im kalifornischen Malibu lebt er gemeinsam mit seiner Frau in einem Strandhaus, seine Nachbarn klingen wie ein Auszug aus dem Who is Who Hollywoods, Mel Gibson, Sean Penn und Ed Harris  haben ihre Häuser in unmittelbarer Nähe.  In Wien, wo wir uns auch zum Interview treffen wohnt Dornhelm derzeit in einem sparsam, fast spartanisch eingerichteten Appartment in einem filmhistorisch bedeutsamen Haus zur Untermiete: Im Palais Pallaviccini wurde bekanntlich einst Der dritte Mann mit Orson Welles gedreht. Passt, denn Anlass für seinen aktuellen Wien-Aufenthalt und unser Interview sind, wie könnte es auch anders sein, Dreharbeiten.

 Der TV-Krimi spielt Anfang des 20. Jahrhunderts in Wien. Sigmund Freud verkündet gerade seine revolutionären Erkenntnisse der Psychoanalyse, als der Wiener Polizei-Inspektor Max Rheinhardt in die Wohnung des hübschen Mediums Charlotte Löwenstein gerufen wird. Deren Tod gibt ihm jede Menge Rätsel auf: Die junge Frau wurde ganz offensichtlich erschossen, eine Waffe oder ein Projektil kann aber nicht gefunden werden. Das Zimmer ist von innen verschlossen, es gibt keine Spuren eines Kampfes. Da Reinhardt weder an Selbstmord noch an übersinnliche Kräfte glaubt, bittet er den jungen Arzt und Psychoanalytiker Max Liebermann um Hilfe. Der Schüler Sigmund Freuds ist bekannt für seinen kühlen Verstand und für seine unkonventionellen Methoden.

Das außergewöhnliche Ermittlerduo wird übrigens auch in zwei weiteren der insgesamt drei Psycho-Thriller beschäftigt sein, die in den nächsten Monaten als Gemeinschaftsproduktion von ORF, ZDF, der MR-Film und der BBC in Wien gedreht werden. Der britische Schauspieler Matthew Beard spielt die Titelfigur Max Liebermann, Jürgen Maurer den Kriminalbeamten Oskar Rheinhardt.  Auch Ursula Strauss ist bei der internationalen Produktion, die in englischer Sprache gedreht wird, dabei.

Opulente und vor allem stimmige Ausstattung, authentische Kostüme, aufwändige Szenen und jede Menge „Suspense“:  Das ist die erfolgversprechende Mixtur, in der Robert Dornhelm sich beruflich zu Hause fühlt, egal ob in Kalifornien oder in Österreich. Seine für den ORF gedrehten Filmen wie „Maria Theresia“, „Das Sacher“ oder „Kronprinz Rudolf“ wurden alle zu Publikumshits. Der Spezialist für die filmische Wiederauferstehung einer großen Vergangenheit, der in der Filmmetropole Los Angeles mit Superstars wie Keith Carradine, Tom Waits, Tom Hulce, Lauren Bacall, Dennis Hopper und Jeff Bridges zusammenarbeitete, kam 1961, als 13-Jähriger, mit seinen Eltern auf der Flucht vor dem Ceausescu-Regimes nach Wien.

Sein Cousin, Ex-Staatsoperndirektor Ian Holender, holte die Familie in Triest ab und brachte sie nach Österreich. Vielleicht liegt es ja so gesehen in den Genen, dass der Filmregisseur, der einst sein Studium an der Wiener Filmakademie abbrach und sich lieber dem Dokumentarfilm zuwandte, zwischendurch ziemlich erfolgreiche Ausflüge in die Welt der Oper unternahm. Beim Opernfestival im Steinbruch von St. Margarethen setzte er zunächst 2013 Giacomo Puccinis La Bohème, im Jahr darauf Verdis Aida und schließlich im August2015 Puccinis Tosca derart erfolgreich in Szene, dass er dafür sogar mit dem Österreichischen Musiktheaterpreis ausgezeichnet wurde.

Für sein Dokumentarfilm-Debüt „Kinder der Theaterstraße“ konnte Dornhelm  Grace Kelly als Erzählerin gewinnen – und wurde für einen Oscar nominiert. Einen Emmy gewann er 2001 für die TV-Serie „Anne Frank“, Oscar-Preisträger Ben Kingsley spielte darin den Vater der Titelheldin.

Robert Dornhelm im Gespräch mit NU. Foto: © Milagros Martínez-Flener

NU: Es fällt auf, dass Sie nach einer erfolgreichen Hollywood-Karriere wieder mehr in Europa drehen. Fehlt Ihnen bei den zunehmend computergenerierten Special Effects-Filmen der amerikanischen Produktionen der menschliche Aspekt?

Dornhelm: Hollywood wird immer mehr zur Industrie. Es werden Filme produziert, die der Jugend wie Fast Food verfüttert werden. Bevor sie weltweit in die Kinos kommen, gibt es Test-Screenings und je nach dem Ergebnis dieser Publikumsbefragung werden die Filme verändert, egal ob das den Regisseuren gefällt oder nicht.  Mit dem klassischen Hollywood, wie es Filmemacher wie Billy Wilder, Fritz Lang oder Fred Zinnemann kannten – um die einst sehr erfolgreichen Österreicher in diesem Business zu nennen –, hat das nichts mehr zu tun. Und mit dem europäischen Autorenfilm schon gar nicht. Obwohl es auch in Amerika eine Independent-Szene gibt, die sehr interessante Filme hervorbringt.

NU: Verspüren Sie auch so etwas wie eine Österreich- oder Europa-Nostalgie?

Dornhelm:  Der Grund für meine Rückkehr nach Österreich lässt sich schnell auf den Punkt bringen: Es gibt hier offenbar mehr Filmstoffe, die mich wollen und die ich will. Aber ich lebe nach wie vor in Kalifornien, wenn auch – vor allem wegen Donald Trump – weniger gern als früher. Andererseits ist die Zunahme des Rechtspopulismus in Europa – und Österreich – auch besorgniserregend.

NU: Die Liebermann-Krimis spielen im Wien der Jahrhundertwende. Ist das eine Epoche, die Sie besonders interessiert? Es hat ja auch ihr „Sacher“-Zweiteiler in dieser Zeit gespielt.

Dornhelm: Wegen der Liebermann-Krimis wurde ich ja schon vor einigen Jahren kontaktiert – noch vor dem „Sacher“. Damals ist es nicht zustande gekommen. Umso mehr freue ich mich, dass es jetzt funktioniert hat. Ich habe die Romane von Frank Tallis gelesen, der selbst Psychiater und Freud-Experte ist, und ich war und bin fasziniert von seiner Schilderung der damaligen Atmosphäre Wiens. Tallis beschriebt Wien als Hotspot der Psychoanalyse, der Wissenschaft und der modernen Kunst, in dem man aber auch sehr deutlich die wachsenden Tendenzen zu Faschismus, Nationalismus und Antisemitismus erkennen konnte. Mich fasziniert am Liebermann-Stoff aber auch die Tatsache, dass er in der Vergangenheit spielt, sich aber sehr modern mit Bezügen zu heute erzählen lässt.

NU: Wenn Sie von Bezügen zu heute sprechen – meinen Sie damit unter anderem den damaligen Wiener Bürgermeister Karl Lueger, der in Ihrem Film auch vorkommt? Er war ja geradezu ein Prototyp eines Populisten, der seine Gesinnung von links-sozial über die politische Mitte bis hin zu extrem rechts und nationalistisch gewechselt hat. Hauptsache er wurde mehrheitlich gewählt.

Dornhelm: Ihm wird ja auch der Ausspruch nachgesagt: Wer ein Jud‘ ist, bestimme ich – was nichts anderes heißt, als dass er Menschen in erster Linie danach beurteilt hat, ob sie ihm politisch nützen oder schaden können. Im Umkehrschluss bedeutet es auch, dass es damals Juden gab, die Lueger nützen konnten oder wollten. Das hat schon Karl Kraus thematisiert und auch in unserem Film löst es einen familiären Konflikt bei den Liebermanns aus. Die Politik der damaligen Zeit und ihre Parallelen zu heute steht zwar nicht im Vordergrund des Films – der dreht sich in erster Linie um die Auflösung eines klassischen Kriminalrätsels. Aber der Zeitgeist von damals ergibt dem Ganzen eine sehr dichte Atmosphäre. Dazu gehört auch die Aufklärung eines zunächst völlig undurchsichtig und unlogisch erscheinenden Mordfalls mithilfe psychoanalytischer Erkenntnisse. Liebermann ist also so etwas wie der erste „Profiler“ der Kriminalgeschichte.

NU: Sie erwähnen, dass Politik und Psychoanalyse in Ihrem Film eine Rolle spielen – welche Rolle kommt der Moderne in der Kunst zu, der die Wiener Szene ebenfalls entscheidende Impulse lieferte?

Dornhelm: Das kommt natürlich auch alles vor: Die Spannungen zwischen der Akademie der Bildenden Künste, die sich der Tradition verpflichtet fühlte, und den Begründern der Secession. Das Motto der Secession „Der Zeit ihre Kunst der Kunst ihre Freiheit“ spielt schließlich bis heute in alle Lebensbereiche hinein. Das gilt nicht nur für die Bildende, sondern für alle Bereiche der Kunst. Es kommt übrigens auch Gustav Mahler in unserem Film vor.

NU: Bleiben wir einmal bei Freud, der ja auch vorkommt – wenn auch nur als Nebenfigur. Mit Freud hat sich ja in der Rechtsprechung – und damit auch in der Kriminalliteratur – die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch Täter oft selbst als Opfer der Gesellschaft zu sehen sind, die daher für ihre Verbrechen nicht immer voll verantwortlich sind. Ist das auch ein Aspekt, den Sie in Ihrem Thriller thematisieren?

Dornhelm: Ja, unbedingt! Das war immer schon ein Bestreben meiner Filme, dass ich nicht mit erhobenem Finger auf „die Bösen“ und deren (Un-)Taten zeigen, sondern die gesellschaftlichen Ursachen für seelische Abgründe erforschen will. Das entspricht auch meinem Glauben an die Besserungsfähigkeit von Menschen. Ein Glaube, der allerdings angesichts der rechtspopulistischen Tendenzen auf der Welt und auch hierzulande, ziemlich auf die Probe gestellt wird.

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