Nur Tarockieren kann kurzweiliger sein

Wolfgang Mayr und Robert Sedlaczek haben ein Buch über das Tarockieren geschrieben, das auch Lesern empfohlen werden kann, die dem Kartentisch abhold sind. Wer aber selbst Karten spielt, wird vieles erkennen, was ihm schon begegnet ist, und vieles erfahren, was er seinen Kartengegnern demnächst entgegenschleudern kann.
VON PETER MENASSE

Verduten-Tarock, um 1879

 

Die ersten Spuren von Tarock finden sich im Italien des beginnenden 15. Jahrhunderts. Das Spiel war damals dem Adel vorbehalten, weil Karten mit der Hand gemalt werden mussten und daher entsprechend teuer waren. Die für das Spiel typische fünfte Karten-Kategorie hieß vorerst Trionfi, später Tarocchi. Den christlichen Würdenträgern war das Spiel schnell ein Dorn im Auge. Wie konnte es sein, dass „Il Diavolo“, der Teufel, „Il Papa“, den Papst stechen konnte. Ein umbrischer Franziskanermönch schrieb dazu: „Die 21 trionfi sind die 21 Sprossen einer Leiter, die den Menschen in die Hölle führen“. Trotz dieses Bannfluchs setzte sich das Spiel bald in anderen Ländern, wie Frankreich, Deutschland und Österreich durch und schrieb Geschichte von Czernowitz bis ins Brixental.

Die Autoren haben nicht nur die historische Entwicklung aufgezeichnet, sondern aus ihrer Kulturgeschichte des Tarockspiels ein Buch gestaltet, das mehrere Bucharten in einem enthält, die da sind: Bilderbuch, Regelbuch, Geschichtsbuch und Anekdotenband.

„Zieh endlich deine Fäustlinge aus!“

Wer zum ersten Mal Tarock spielt, ist von den schönen Karten so fasziniert, dass er gar keine hergeben will. Allzu sehr darf er sich damit allerdings nicht Zeit lassen, denn am Kartentisch will keiner lange warten: „Spiel! I’ muss morgen um 8 Uhr im Büro sein“, heißt es da, oder grober „Zeig ihn her, auch wenn er noch so klein ist.“

Selbst für den Anfänger leicht verständlich sind Ausdrücke, wie „Zieh endlich deine Fäustlinge aus!“ für Spieler, die sich beim Austeilen immer wieder vergeben, oder die Redewendung „Wenn meine Großmutter vier Radln hätt’, warats a Autobus!“ für Einen, der seine Niederlage allzu lange besprechen will. Feige Spieler werden als „Staudenhocker“ bezeichnet, allzu sehr jubelnde Sieger mit einem „Mit voller Hos’n ist leicht stink’n“ wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt.

Ein großer Teil des Buches befasst sich mit Berühmtheiten unter den Tarockspielern. Von Mozart, Nestroy (er verlor fast immer) und Johann Strauß (mit viel größerem Ernst beim Tarock als beim Harmonium) über Radetzy (beim Tarock keineswegs so erfolgreich wie am Schlachtfeld) und Karl Lueger bis hin zu Sigmund Freud, Peter Handke und Lore Krainer (die Grande Dame des Königsrufens) reicht die Liste der Tarockierer, um nur einige zu nennen. Und natürlich erfüllt das Tarockieren alle Bedingungen, um ein Spiel für Juden zu sein. Es findet vornehmlich im Kaffeehaus statt, man kann die Gegner „pflanzen“ und den Mitspieler beleidigen – nur um nachher mit allen wieder gut zu sein.

Die Kulturgeschichte des Tarockspiels ist ein Buch zum Schauen, Staunen und Lachen. Alles Weitere lässt sich am Kartentisch diskutieren, aber bitte nicht, wenn Sie gerade zum Ausspielen dran sind.

Wolfgang Mayr, Robert Sedlaczek Die Kulturgeschichte des Tarockspiels Edition Atelier, Wien 2015, 352 Seiten, 29,95 EUR

 

Die mobile Version verlassen