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Seit mehr als einem Jahr gibt es die Möglichkeit für Nachkommen von Opfern der NS-Diktatur, die österreichische Staatsbürgerschaft zurückzuerlangen. Doch einige Problemfälle zeigen, dass eine Novellierung nötig ist.

Von Michael J. Reinprecht

Der Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes (mit dem neuen Paragraph 58c StbG) war 2019 ein Initiativantrag aller Parteien im Nationalrat vorausgegangen. Mit der Regelung, die seit etwas mehr als einem Jahr in Kraft ist, haben Nachkommen von österreichischen Opfern des NS-Regimes nun einen erleichterten Zugang zur (Wieder-)Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft (siehe NU 4/2020). Bis dato wurden 13.500 Anträge gestellt, etwa 6000 Menschen haben im Rahmen dieses Verfahrens die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten.

Der derzeitige Gesetzestext gilt als durchaus großzügig, die Nachkommen von NS-Opfern bekommen leichter die österreichische Staatsbürgerschaft, die ihren Vorfahren entrissen wurde – allerdings gilt das nicht für alle. Weshalb unter der Koordination von ÖVP-Mandatar Martin Engelberg eine Gruppe Parlamentarier an einer Novellierung des neuen §58c arbeitet.

So verlangt die bisher gültige Fassung, dass die Ausreise des NS-Opfers, also der „Ankerperson“, bis spätestens 15. Mai 1955 erfolgt sein muss. Das löste bei etlichen Nachkommen österreichischer NS-Opfer Unverständnis aus, denn ihre Vorfahren waren nicht „ausgereist“, sondern deportiert oder ermordet worden. Dies soll in der Novelle klargestellt und in einen juristisch einwandfreien Text gegossen werden.

Ähnliches gilt für die Frage der Unbescholtenheit. Denn diese musste nach derzeit gültigem Recht auch für die Vorfahren, also die Opfer des NS-Regimes, nachgewiesen werden – was ein mühevolles und nicht selten ergebnisloses Unterfangen war.

Die neuen österreichischen Staatsbürger nach §58c können zusätzlich zu ihrem neuen österreichischen auch ihren derzeitigen Pass behalten: Diese Doppelstaatsbürgerschaft, die der Paragraph 58c ermöglicht, ist die große Ausnahme von der österreichischen Regel. Bekanntlich unterliegen Doppelstaatsbürgerschaften üblicherweise äußerst rigiden Vorschriften.

Verbunden mit der alten Heimat

Stellt sich die Frage, was geschieht, wenn jemand aus Sorge, die österreichische Staatsbürgerschaft zu verlieren, die US-amerikanische nicht angenommen hat, obwohl sie ihm oder ihr angeboten worden war? Als Nachkomme eines vor den Nazis geflohenen Österreichers hätte man jetzt Anspruch sowohl auf die US-amerikanische wie auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Doch dies ist in der aktuellen Fassung des §58c nicht so klar geregelt: Wie schaut das Prozedere für den Nachkommen eines NS-Opfers aus, dessen Familie aus Verbundenheit mit der alten Heimat den österreichischen Reisepass behielt? Muss dieser Nachkomme nun den heimischen Pass zurückgeben, um die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erlangen, um dann neuerlich die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen – oder geht das nicht auch einfacher?

Und was ist schließlich mit jenen Österreicherinnen und Österreichern, die nach dem sogenannten „Anschluss“ (beruflich) im Ausland weilten? Die sich auf einer Vortragsreise befanden oder außerhalb des Deutschen Reiches eine Professur angenommen hatten und die nicht mehr zurückkonnten, ohne ihr Leben zu riskieren? Auch für deren Nachfahren sollte der Wiedererwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft erleichtert werden.

Bisher haben mehr als 6000 Nachkommen österreichischer NS-Opfer die heimische Staatsbürgerschaft erhalten. Doch auch wenn die Kommunikation zwischen den Hauptakteuren gut läuft, ist es sinnvoll, wenn der Paragraph einer Revision und Novellierung unterzogen wird. Erklärtes Ziel ist es, dass die „Reparatur“ mit den Stimmen aller im Parlament vertretenen Parteien bis Jahresende über die Bühne gebracht wird. Damit alle Menschen, deren österreichische Vorfahren Opfer des NS-Terrors geworden sind, auch die Möglichkeit haben, die „verlorene“ österreichische Staatsbürgerschaft wieder zu erlangen.

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