Nicht mein Präsident

Wenn du einmal ein paar tausend Jahre der Verfolgung hinter dir hast, tendierst du nicht wirklich zum Optimisten. Du nimmst das Schlechteste an und freust dich, wenn es besser kommt. Du rechnest damit, dass dein Fußballklub verlieren wird, es am nächsten Tag aus Kübeln schüttet und du wegen eines Hexenschusses nicht aus dem Bett wirst steigen können. Ja, und so bin ich leider ganz sicher, dass Norbert Hofer den Titel eines Bundespräsidenten tragen wird.

Rekapitulieren wir: Juristen streiten darüber, ob eine Wahl nur dann zu wiederholen ist, wenn es nachweislich Manipulationen gegeben hat oder, wie andere meinen, bereits dann, wenn es solche gegeben haben könnte. Der Verfassungsgerichtshof hat sich für die zweite Interpretation entschieden und es würde nichts bringen, diese Rechtsposition hier in Frage zu stellen. Aber war eine Manipulation denn tatsächlich möglich? Sie hätte sich so abspielen müssen, dass Beamte aus verschiedenen Bundesländern und Wahlbeisitzer aus unterschiedlichen Parteien, darunter auch der FPÖ, sich zusammengetan und einen Masterplan beschlossen hätten. Die einen sollten zu früh auszählen, andere vor Eintreffen der Beisitzenden vorsortieren, dritte gleich gar nicht zur Auszählung kommen, aber alle Vorgänge durch ihre Unterschrift bestätigen und so weiter. Ja, und sie müssten das alles bei Wahlkarten machen, die ganz gegen den Trend in großer Mehrheit an den Kandidaten Hofer gegangen wären, in der Absicht, den armen Tropf zu benachteiligen. Punktuell möglich gewesene Manipulationen hätten den Vorsprung von Alexander Van der Bellen ja nicht zunichtemachen können.

Wie kann man nur glauben, dass eine derart große Manipulation der Wahl in der geschilderten Form möglich gewesen wäre? Eine solche Verschwörung staatszersetzender Art würde sich kein Hollywood-Regisseur zu verfilmen trauen, weil ein Mindestmaß an Logik selbst bei Science-Fiction gefragt ist. Es hat sich also, so die Meinung des juristisch Ungeschulten, der Verfassungsgerichtshof entschlossen, gegen die Logik und damit in letzter Konsequenz für den Kandidaten Hofer zu entscheiden.

Gehen wir noch einen Schritt zurück. Es darf wohl angenommen werden, dass die gleichen Fehler schon beim ersten Wahlgang vorgekommen sind. Ein Schelm, wer jetzt sagt, dass sie von den faulen FPÖ-Willis, denen die Kraft fehlte, ihren Verpflichtungen als Wahlbeisitzer nachzukommen, die dann aber mit ihrer Unterschrift bezeugten, dass ohnehin alles supersauber verlaufen sei, nur deswegen nicht angezeigt wurden, weil Herr Hofer damals den ersten Platz belegt hat.

Oder war es so, dass die Herren Strache, Hofer und Kickl schon beim ersten Wahlgang informiert waren? Das würde bedeuten, dass sie schlechte Verlierer sind, die Manipulationen, ich bleibe lieber bei Fehler, nur dann anzeigen, wenn sie eine Wahlwiederholung benötigen, um zum Ziel zu kommen.

Sagen wir klar, was wir uns dazu denken: Die FPÖ und ihre Spitzenpolitiker haben eine Strategie gefunden, die unserem Land noch viel Sorgen bereiten wird. Sie bezeichnen sich immer dann, wenn sie verlieren, als Opfer. Dazu konstruieren sie ein sogenanntes System, das nichts anderes im Sinn hat, als ihnen zu schaden. In Abwandlung des positiven Spruchs der Musketiere „Einer für alle, alle für einen“ haben sie die negative Form zur Perfektion entwickelt. Bei ihnen heißt es „Einer gegen alle, alle gegen einen“. Damit kannst du autoritär regieren, jeden Einwurf von anderen als Störung des „bösen Systems“ abtun und auf diese Weise die Demokratie scheibchenweise abschaffen.

In den nächsten Wochen wird es wie aus Kübeln schütten, mein Klub wird verlieren und der stets unverbindlich lächelnde Herr Hofer wird mit dem Opfer-Schmäh gewinnen. Er darf sich dann ganz verfassungskonform Bundespräsident nennen. Allerdings soll er wissen, was ihn vermutlich nicht sehr kratzen wird: Mein Bundespräsident ist er nicht. Es hat tatsächlich Unregelmäßigkeiten von verantwortlichen Beamten und Wahlbeisitzern gegeben, die im Übrigen streng bestraft werden sollten, damit sich solche Rechtsbrüche nicht wiederholen. Aber manipuliert war die Wahl nicht. Der bei der ersten Stichwahl siegreiche Alexander Van der Bellen gehört in die Hofburg und nicht der schlechte Verlierer.

Ich werde also ein paar Jahre lang dem Bundespräsidenten die Gefolgschaft verweigern müssen. Aber vielleicht gibt es ja Anfang Oktober Schönwetter und mir tut beim Aufstehen rein gar nichts weh. Nicht einmal die Medienberichte nach der ausgezählten Wahl.

Schana towa u’metuka!

Ihr Peter Menasse
Chefredakteur

* Verfasst vor Bekanntwerden der Misere rund um die Briefwahl-Kuverts

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