Neue Moscheen braucht das Land

Von Erwin Javor

Unser Präsident, der Ari, hat Ezzes für die Muslime. Ich auch. Meine sind natürlich besser. Aber der Reihe nach. Ich zitiere gleich einmal meinen Präsidenten mit einem, meiner Meinung nach, ungeheuerlichen Satz: „Wenn es Leute gibt, die sich nicht integrieren lassen wollen, dann haben sie in Österreich nichts verloren.“ Ari hat gemeint, und wurde dafür in breiter Öffentlichkeit in allen Medien viel beachtet, es wäre für „uns“ Juden völlig in Ordnung, wenn Muslime mehr Moscheen bekämen, aber sie sollten sich zurückhalten mit allem, was muslimisch daran ausschaut – sinngemäß. Sie sollten sich der europäischen Gastkultur anpassen, damit sie weniger anecken. „Für Minarette ist im Zeitalter der Handys und des SMS kein Bedarf.“ Gut für die Muslime, dass sie im Gegensatz zu den Juden am Schabbes ja jederzeit telefonieren und SMS-en dürfen.

Davon abgesehen, was er sich da denkt, ist eine der ältesten Ideen darüber, wie sich Menschen in multikulturellen Gesellschaften am besten vertragen könnten, bekannt als die Assimilationsthese. Majorität absorbiert Minorität, und dann ist alles in Ordnung. Wenn man jetzt ein bisschen weiter denkt, frage ich mich, wieso meinem Präsidenten am eigenen jüdischen Beispiel noch nicht aufgefallen ist, dass es so simpel nicht läuft.

Nehmen wir einmal die Juden in Österreich. Da gab und gibt es assimilierte, orthodoxe und alles dazwischen. Aktuell sind es nur noch zirka 7000. Wer kann sich vorstellen, dass es realistisch ist, eine neue Synagoge zu bauen, die allen gefällt? Nicht nur den andersgläubigen Österreichern, weil der Davidstern an der unauffälligen Fassade nur ganz klein wäre, sondern auch allen Juden. „Die“ Juden sind nämlich, wenn ich Ari erinnern darf, ein überaus buntes Konglomerat ganz unterschiedlicher religiöser oder säkularer Orientierungen und unterschiedlichen geografischen Ursprungs: Atheisten, Agnostiker, Reformjuden, Drei-Tages-Juden, Orthodoxe aller, zumindest einem Dutzend, Schattierungen. Das ist nicht nur nicht realistisch, sondern, gottlob, aussichtslos und spricht für Pluralismus, der mir schon einmal gefällt.

Übertragen auf die Muslime, und davon gibt es in Österreich deutlich mehr als 7000, nämlich eine halbe Million: Wie viel wahrscheinlicher ist es bei denen, dass sie sich auf ein einziges Moschee-Konzept mit einem unauffälligen, oder noch besser, keinem Minarett, auf Bethäuser, die „ins Land passen müssen“, einigen, wie es unserem Präsidenten gefiele? Also vielleicht solche, die mit alpinen Holzschindeln gedeckt und mit Herrgottschnitzerei verziert sind?

Davon abgesehen, dass dieses Konzept nicht realistisch ist, es bringt ja auch nichts! Nehmen wir wieder die Juden: Vor 1938 haben über 200.000 Juden in Wien gelebt. Die meisten davon waren nicht nur bestens integriert, ein Teil war sogar bis zur Unkenntlichkeit seiner jüdischen Identität assimiliert. Sie ließen sich taufen, sie wuchsen auf, ohne die jüdischen Traditionen zu kennen, sie waren überzeugte, patriotische Österreicher. Hat es ihnen etwas genutzt, als der Schickelgruber kam? Oder auch vorher unter Lueger? Nicht dass ich wüsste! Waren jüdische Philharmoniker nicht ausreichend integriert? Oder jüdische Rechtsanwälte und Ärzte, Wissenschafter, Universitätsprofessoren? Und nicht zu vergessen, die jüdischen Flickschuster und Schneider, die so gar nicht in das angeblich so bedrohliche „Stürmer“- Judenbild passen? Was geschah mit den berühmten jüdischen Komponisten von typischen Wienerliedern wie das „Fiaker-Lied“, „Das kleine Café in Hernals“ oder „I bin a stiller Zecher“. Sie fanden sich, wie die sogenannten Kaftan-Juden, die sich nicht integrieren wollten, genauso im KZ wieder.

Daher, liebe Musliminnen und Muslime: Ihr braucht weder Muzicants noch meine Ezzes. Weil es wird euch gegen Rassisten und Anti-Andersisten sowieso nichts nützen, egal, was ihr macht. Also entscheidet euch dafür, was euch persönlich am meisten entspricht und steht zu dem, was ihr seid, in all seiner Vielfalt! Das nützt und hilft euch genauso viel und genauso wenig, wie zu tun, was irgendjemand Euch nahelegt.

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