Nach der Wahl ist vor der Wahl

Rainer Nowak und Peter Menasse treffen sich zum Dajgezzen neuerdings beim Fernsehsender OKTO. Das Resultat ist an jeden Dienstag und Donnerstag um 20.00 Uhr live oder in der OKTOTHEK (www.okto.tv) zu sehen. Hier ein kleiner Vorgeschmack.

Menasse: Wenn ich schon die Chance habe, einen Chefredakteur zu treffen, der die Welt kennt, kann ich dich gleich fragen: Weißt du, was Herr Faymann jetzt macht?

Nowak: Ich habe ihn zufällig vergangene Woche beim Mittagessen getroffen, er saß an einem Nebentisch, und ich hatte nicht den Eindruck großer Euphorie. Das Kanzleramt hat ihm angeblich sofort Chauffeur und Handy entzogen. Was wieder einmal die Gnadenlosigkeit der österreichischen Bürokratie zeigt und fast Mitleid aufkommen lässt. Das klingt ein wenig unglaubwürdig, wenn ich das sage. Aber in einer Stadt, in der Hundertschaften behaupten, Herrn Kern erfunden zu haben, Mitverschwörer gewesen zu sein oder ihn über Nacht gemacht zu haben, ist es verständlich, wenn ich nun späte Solidarität mit Werner Faymann entwickle.

Menasse: Na ja, es gibt schon ein paar Leute außer dir, die auf diesen Mitleids- Zug aufgesprungen sind. Obwohl – dieses Gleichnis kann man gar nicht mehr verwenden, denn das Bahnwesen ressortiert ja zur anderen Gruppe.

Nowak: Ich frage mich, wie viel Kern- Witze ich heute noch erleben muss.

Menasse: Das hat schon Mitterlehner bei einem der ersten gemeinsamen Auftritte der beiden erledigt. Er hat sich dafür sofort bei Kern entschuldigt. Bei diesem Sager habe ich Reinhold Mitterlehner zum ersten Mal wirklich herzlich lachen gesehen. Unser beider Problem ist aber, dass es neuerdings eine Kernlehner-Doktrin für die Österreicher gibt. Die besagt, dass wir alle ab sofort immer freundlich und optimistisch sein sollen. Das aber erschwert das Dajgezzen enorm.

Nowak: Na jedenfalls sind die beiden bereits per Du und können miteinander. Obwohl per Du sind wir beide auch, aber politisch sind wir nicht einer Meinung. Mir fällt bei den beiden Herren auf, dass das Literatur-Zitat politische Hochkonjunktur hat. Es gibt keine Rede mehr, bei der nicht zweimal Hermann Hesse oder Shakespeare vorkommt.

Menasse: Goethe ist jetzt angesagt: „Das also ist des Pudels Kern…“

Nowak: Reden wir über die Präsidentenwahlen. Ich glaube, du und deine Freunde seid traurig, dass Hofer nicht Bundespräsident geworden ist. Jetzt könnt ihr nicht jeden Tag bejammern, wie schrecklich das Land ist. Mit Van der Bellen, der so eine Art Heinz Fischer mit Bart ist und sich nur durch die Augenbrauen von ihm unterscheidet, wird sich überhaupt nichts ändern. Nach zwei Monaten wird jeder der Meinung sein, dass der Mann immer schon Bundespräsident war.

Menasse: Nein, eine Opferrolle wirst du mir nicht überstülpen können. Die ist bereits fest von der FPÖ besetzt. Da sind Strache und Kickl echte Großmeister. Ich bin mit dem Wahlergebnis sehr zufrieden, vor allem auch, weil es so knapp ausgegangen ist. Das gibt Platz für die wunderbarsten Verschwörungstheorien.

Nowak: Meinst du die, dass Norbert Hofer gar keinen Stock braucht, sondern ihn nur genommen hat, um Mitleid zu erheischen?

Menasse: Mir hat am besten die Theorie gefallen, dass man mit Fernsignal Kreuzerl auf Wahlkarten löschen kann. Böse Wähler würden beide ankreuzen und dann per Funk eines ausradieren. Wozu das gut sein soll, weiß ich nicht, aber es ist jedenfalls wunderbar ausgedacht.

Nowak: Ein Wahlleiter in Oberösterreich, der merkt, dass es mehr Stimmzettel als Wahlberechtigte gibt, und daraufhin den Überschuss einfach zerreißt, ist aber auch nicht ohne. Ich finde, man sollte die Wahl wiederholen, damit alle in den Wahlbezirken von Villach über die Steiermark und Oberösterreich ein bisschen üben können.

Menasse: Wie auch immer, es wird sich nicht viel ändern hierzulande, da gebe ich dir recht. Die Frage ist nur, ob Strache jetzt mit Hofer einen ernsten innerparteilichen Konkurrenten bekommen hat?

Nowak: Du meinst, Strache wird jetzt bald auch am Stock gehen? Ist nicht anzunehmen. Kommen wir lieber auf Christian Kern zurück. Du erinnerst dich altersentsprechend wahrscheinlich nicht mehr daran, aber wir haben uns einmal an einem späten Freitag- Vormittag in einer ÖBB-Kantine getroffen, um zu dajgezzen. Dort herrschte gähnende Leere. Unsere Analyse war, dass alle ÖBBler schon Frühschluss gemacht hätten oder in Frühpension gegangen wären. Da haben wir wie immer keine Vorurteile und Kalauer ausgelassen. Christian Kern hat das gelesen und war „not so amused“.

Menasse: Siehst du, das hat er nur dir gesagt, ich weiß davon gar nichts.

Nowak: Wahrscheinlich hat er deine Telefonnummer nicht gefunden.

Menasse: Dabei hätten wir das damals nach der Kernlehner-Doktrin positiv sehen müssen. Es war keiner in der Kantine, weil alle Leute dank des straffen Kern’schen Managements angestrengt bei der Arbeit waren. Ich sage aber jetzt nicht mehr, weil sonst kriegst du wieder einen Rüffel – und der wäre diesmal von höchster Stelle.

 

* Dajgezzen: sich auf hohem Niveau Sorgen machen; chochmezzen: alles so verkomplizieren, dass niemand – einschließlich seiner selbst – sich mehr auskennt.

 

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