Kreisky lebt

Die Palästinenser-freundliche Außenpolitik Österreichs ist um ein Kapitel reicher: Mit der lautstarken Stimme für die erfolgte Aufnahme Palästinas in die Unesco hat sich Österreich klar positioniert. Und einen Weg eingeschlagen, der nicht mehr leicht zu verlassen ist.
Von Rainer Nowak

Was muss ein Journalist schreiben, um die gesammelte ÖVP-Spitze in Aufregung zu versetzen und zu scharfen Reaktionen zu provozieren? Über die Ohnmacht in der einst Großen Koalition philosophieren? Die fehlende thematische Führungsstärke in der ÖVP darlegen und auf miese Umfragewerte hinweisen? Oder die Aufgabe der wirtschaftsliberalen Haltung zugunsten einer linken Arbeitnehmerpolitik, die eigentlich gleich die SPÖ erledigen könnte, kritisieren? Nein. Viel emotionaler reagieren Michael Spindelegger, Ursula Plassnik, Andreas Khol und Co, wenn man die aktuelle Außenpolitik als das benennt, was sie ist: Palästinenser-freundlich.

Das und zugegebenermaßen noch ein bisschen mehr, habe ich in einem Leitartikel in der „Presse am Sonntag“ zur Unesco-Aufnahme Palästinas mit der Stimme Österreichs kommentiert. Ursula Plassnik, Ex-Außenministerin und Botschafterin in Paris, nannte es „zynische Verdrehungen und einseitige Verkürzungen“. Stimmt, das steht in der Tradition dieses Landes seit den 1970er-Jahren, begonnen hat damit aber ein Sozialdemokrat, nämlich Bruno Kreisky. Seine eindeutige Parteinahme zugunsten der wirtschaftlich und militärisch unterlegenen Palästinensern ist eindeutig und bekannt, 40 Jahre später ist sie offenbar Common Sense in Österreichs Außenpolitik, wie die vergangenen Wochen eindrucksvoll bewiesen.

Dass Österreich aufgrund der Beteiligung Tausender seiner Bürger am Holocaust und der Auslöschung des jüdischen Österreichs so etwas wie eine solidarische Verpflichtung gegenüber Israel hat und diese politisch-diplomatisch lebt wie Deutschland, ist den genannten ÖVP-Politikern keinen Satz wert. Wobei die eigentliche Verantwortung für Österreichs Zustimmung zur politisch brisanten und sensiblen Aufnahme Palästinas in die Unesco laut österreichischen Diplomaten bei Brüssel liege: Da es keine gemeinsame Linie der EU-Staaten gegeben habe, daher die Positionierung Österreich. Hätten alle EUStaaten für eine Stimmenthaltung votiert, dann hätte sich Österreich daran gehalten, aber so wäre man eben den eigenen Kurs gefahren, erklärte es etwa Ursula Plassnik in einem scharfen Kommentar zu besagtem Leitartikel.

Auch die Präsidentin der Österreichischen Unesco-Kommission, Botschafterin Eva Nowotny, betont im Gespräch mit NU diesen Umstand und hält aber fest, dass die Entscheidung für die symbolische Unterstützung Palästinas auf Regierungsebene und wohl mit Wissen und dem Willen des Bundeskanzlers gefallen sei. Mit der Unesco-Aufnahme Palästinas könne zumindest in dieser Organisation Palästina auf Augenhöhe mit Israel agieren. Zudem gebe es eine lange Zusammenarbeit der weltweit tätigen Kulturorganisation, etwa bei der Lehrer- und Journalistenausbildung.

Nowotny meint auch, dass sich die israelische Seite in der Unesco-Debatte alles andere als klug verhalten habe. Weder sei ein Politiker in der Causa aufgetreten, noch habe der Delegierte in seiner Rede irgendeine Vision oder eine Idee vertreten, sondern ausschließlich negative Stimmung verbreitete und Kritik an Palästina und seinen Unterstützern geübt, erzählt die Botschafterin. Und: „Was hätte es für ein positiver Schritt und Befreiungsschlag sein können, hätte Israel Palästina anerkannt?“, fragt die Botschafterin. Weil die das umgekehrt auch nicht tun, wäre eine von mehreren Antworten. Aber zurück zur Unesco.

Der Erfolg der Palästinenser und Österreichs klare Positionierung, die laut Außenamt keinesfalls ein Widerspruch mit der Neutralität sei, findet auch den Gefallen des Bundespräsidenten, der diese aktivere Politik im Nahostkonflikt eindeutig begrüßt: Als Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas vor kurzem nach Wien reiste, konnte ihm Fischer das nächste Geschenk verkünden: Die diplomatische Vertretung solle weiter aufgewertet werden – zwar noch keine echte Botschafter, aber mit dem Status einer „mission“ gäbe es de facto einen Botschafter für Österreich. Fischer: „Das verbessert allein noch nicht das Leben der Menschen in Palästina, aber auch symbolische Akte haben ihre Bedeutung.“ Und genau deswegen habe Österreich auch für die Unesco-Aufnahme gestimmt – „aus Gründen des Gewissens und der politischen Prinzipien.“ Abbas kritisierte bei dem Arbeitsbesuch die „sture Politik Israels“. Plassnik hatte übrigens geschrieben, dass sich die Unesco-Aufnahme natürlich nicht gegen Israel gerichtet habe. Stattdessen hielt sie aber fest: „Es wäre ein fatales Signal an die Bewegung des Arabischen Frühlings, wenn Gewaltfreiheit bestraft und die Weigerung zum Gewaltverzicht politisch belohnt würde.“ Soll wohl heißen: Hilfe für Abbas, aber keine für die Hamas? (Und hoffentlich nicht für Israel.)

Dem Vernehmen nach soll Fischer Abbas auch dezent signalisiert haben, dass sich Österreich auch bei einem möglichen Antrag der Palästinenser zur Unido und vor allem der Internationalen Atomenergiebehörde ähnlich verhalten würde. Das sieht man allerdings im Außenministerium nicht so, die Unesco sei kein zwingender Präzedenzfall. Die Frage, wie man sich zum Wunsch Palästinas nach Aufnahme in die Uno stelle, ist ebenfalls noch offen. Wenn der Weg allerdings erst einmal eingeschlagen wurde, fällt das Umkehren schwer. Spindelegger hofft auf eine gemeinsame EULinie. Und wenn die nicht kommt? Plassnik: „In dieser Tradition wird sich Österreich weiterhin selbstbewusst und selbstbestimmt mit allem Nachdruck an der Suche nach einem Weg zu einem dauerhaften und gerechten Frieden im Nahen Osten beteiligen.“

Interessanterweise gibt es selbst von Publizisten, die einer Nahostpolitik im Sinne Kreiskys nicht negativ gegenüberstehen würden, kein Lob. So schrieb „Wiener Zeitung“-Chefredakteur Reinhard Göweil zwar von einem Hauch von Kreiskys Politik, hielt aber fest: „In so einer Situation täte der EU ein kleiner, feiner Vermittler aus ihren Reihen ganz gut. Davon, dass Österreich das sein könnte, war beim Wien- Besuch von Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas nichts zu spüren. Angesichts der festgefahrenen Positionen gibt es zwar wenig Chancen auf Bewegung in dem Konflikt. Aber ob die völlige Absenz von der weltpolitischen Bühne mehr bringt, darf gleichfalls bezweifelt werden. Und das betrifft nicht nur den Nahen Osten.“

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