Keine Auktion in Sicht

Es wird erwartet, dass die Kommission für Provenienzforschung bis Jahresende ihren Schlussbericht vorlegt. Im Nationalfonds bereitet man sich daher vor, ehemals „arisierte“ Objekte aus Bundesbesitz, für die kein Anspruchsberechtigter mehr gefunden werden konnte, zu versteigern. Doch es könnte noch Jahre dauern, bis es so weit ist.
von Alexia Weiss

Seit Sommer 2004 arbeitet im Nationalfonds eine eigene Projektgruppe zum Thema Kunstrestitution, so Fondsleiterin Hannah Lessing im Gespräch mit NU. Eine ihrer Aufgaben: sich auf jenen Zeitpunkt vorzubereiten, an dem der Bund dem Fonds Kunstgegenstände zur – wie es im Gesetz heißt – „Verwertung“ übergibt. Es handelt sich dabei um Objekte aus früher großteils jüdischem Besitz, die in der NS-Zeit geraubt oder abgepresst wurden und sich heute noch in den Bundesmuseen befinden. „Verwertung“ – damit ist eine Auktion zu Gunsten von NS-Opfern gemeint. In den Gesetzen zur Kunstrestitution wurde festgehalten, dass aus den so erzielten Mitteln Leistungen an natürliche Personen mit einem direkten Bezug zu Österreich, die direkt verfolgt wurden und Schäden an Gesundheit, Freiheit, Vermögen oder Einkommen erlitten haben, zu erbringen sind. Laut Nationalfondsgesetz soll bei der Verteilung dieser Mittel besonders auf die soziale Bedürftigkeit der Opfer Rücksicht genommen werden. Es ist also nur mehr ein kleiner Empfängerkreis zu erwarten. Und mit jedem Tag, an dem wieder NS-Opfer sterben, wird er noch kleiner. Realistischerweise handelt es sich hier um die Generation 80 plus.Genau deshalb will Lessing rasch agieren können, sobald der Bund die Kunstgegenstände übergibt. Der Leiter der Projektgruppe, Michael Seidinger, hat bereits eine konkrete Vorgangsweise entworfen: Eine entsprechende Datenbank, die der Nationalfonds ab Herbst online stellen wird, soll die bisherigen Bemühungen der Provenienzforschung bündeln und eine Art Plattform darstellen. In dieser Datenbank sollen all jene Objekte abrufbar sein, für die sich kein Rechtsnachfolger finden ließ und die deswegen dem Nationalfonds zur „Verwertung“ übereignet werden. Die darin enthaltenen Objekte werden dann ein Jahr lang im Internet veröffentlicht werden. Nach Ablauf eines Jahres sollen die Gegenstände über ein internationales Auktionshaus versteigert werden.Darüber hinaus soll mit einer Ausstellung zum Thema „geraubte Kunst“ und den damit verbundenen Familiengeschichten weitere Publizität erreicht werden. Die Verständigung aller noch lebenden NS-Opfer, die vom Fonds registriert sind, ist geplant. Der Nationalfonds will damit zeigen, dass es hier nicht nur um die „bloße“ Verwertung von Gegenständen geht, sondern dass es gilt, einen Erinnerungsauftrag zu erfüllen. In welcher Höhe aber ist ein Erlös aus der Versteigerung von Kunstwerken ohne Rechtsnachfolger zu erwarten? Und wann steht seitens des Bundes fest, was nun dem Nationalfonds für diese Auktion übergeben wird? Wie ein NU-Rundruf in einigen Museen, aber auch dem zuständigen Bildungsministerium ergab, mahlen die Mühlen wohl wesentlich langsamer, als dem Nationalfonds – im Sinne der betagten Opfer – lieb ist. Darüber hinaus schätzen die Museumsverantwortlichen die Anzahl der als „herrenlos“ zu kategorisierenden Objekte als eher gering ein.Maren Gröning von der Albertina etwa geht davon aus, dass schlussendlich nur mehr wenige Kunstgegenstände für solch eine Auktion in Frage kommen werden. Einerseits, weil in der NS-Zeit „in den seltensten Fällen von der Gestapo anonym zugewiesen wurde“. Meistens wurde alles systematisch notiert, sodass die Provenienz nachvollzogen werden kann. Betroffene sehen das freilich anders, wie etwa die Wienerin Verena Krausneker (mehr zu ihrer Geschichte später).Was nun mögliche Anspruchsberechtigte angehe, heiße es nicht, nur weil von den in den Akten Geführten keiner mehr lebe, dass es keine Erbberechtigten mehr gebe, so Gröning. „Das Ministerium hat von sich aus niemanden gesucht – aber das heißt nicht, dass niemand zu finden wäre“, kritisiert die Kunsthistorikerin. Seit einem Jahr tue sich hier etwas auf informeller Ebene – angestrengt von der Anlaufstelle der Kultusgemeinde. Solange nicht alle möglichen Anstrengungen unternommen worden seien, Anspruchsberechtigte zu finden, könne nicht versteigert werden – sonst laufe man Gefahr, dass sich die Fehler von Mauerbach wiederholen, warnt die in der Albertina für das Thema Provenienzforschung zuständige Wissenschafterin.Die der IKG überantworteten Kunstgegenstände, die von den Nationalsozialisten geraubt und als „Mauerbach-Schatz“ in die Kunstgeschichte eingegangen waren, erbrachten bei einer Auktion 1996 einen Erlös von 155 Millionen Schilling (rund 11,3 Mio. Euro). Dieser Betrag wurde bis 2002 in einer ersten Auszahlungstranche auf etwa 6.000 Opfer verteilt, danach eine zweite Auszahlungsrunde vorgenommen.Vor der Auktion waren von der öffentlichen Hand allerdings nicht alle zur Verfügung stehenden Akten ausgewertet worden, wie auch die Wiener Kunsthistorikerin Sophie Lillie immer wieder in der Öffentlichkeit kritisierte. Hätte man dies getan, hätte man manche Gegenstände durchaus an ihre ursprünglichen Besitzer bzw. deren Erben zurückgeben können.Beschwichtigend äußert sich der Archivar des Kunsthistorischen Museums, Herbert Haupt, im Gespräch mit NU. Viel könne nicht mehr erwartet werden – vor allem aber nicht viel Wertvolles. Haupt ist gemeinsam mit der Wissenschafterin Lydia Gröbl alle Bestände durchgegangen. Eines der Ergebnisse: Nicht nur Kunstwerke aus der legendären Sammlung Rothschild wurden nach 1945 von den Behörden insoferne abgepresst, als das Ausfuhrverbotsgesetz als Druckmittel benutzt wurde. Manches durfte ausgeführt werden, dafür musste anderes im Museum verbleiben. Auch bei anderen Sammlungen wurde so vorgegangen.In den vergangenen Jahren, so Haupt, hätte man aber sukzessive alles an Opfer bzw. deren Erben restituiert. Maximal ein bis zwei wertvolle Gemälde habe man nicht zuordnen können – diese fallen also möglicherweise in die Reihe jener Objekte, die eines Tages vom Nationalfonds versteigert werden könnten. Darüber hinaus gebe es eine größere Anzahl von Münzen, bei deren Versteigerung aber keine Rekorderlöse zu erwarten seien, sowie andere Gegenstände aus den verschiedensten Sammlungen des Hauses – etwa aus der Musiksammlung. Genauere Angaben darf Haupt derzeit nicht machen – und verweist auf die Kommission für Provenienzforschung und deren Schlussbericht.Intern hat Haupt allerdings schon sehr genaue Angaben gemacht. Einerseits bereits im Sommer 1999 in einer detaillierten, an die 600 Seiten umfassenden Sachverhaltsdarstellung. Einiges darin Enthaltene hat er inzwischen – auf Grund neuer Erkenntnisse aus den Akten – revidiert. „Viele Namen haben mir damals noch nichts gesagt. Nun sind wir im Wissensstand schon wesentlich weiter.“Andererseits hat Haupt all seine Recherchen zum Thema auch in eine etwa vor zweieinhalb Jahren fertig gestellte Publikation mit dem Titel „Der Mut zur Wahrheit“ gepackt. Haupt schildert darin nicht nur die Veränderung der Inventarbestände in den Jahren 1938 bis 1945, sondern auch den Umgang des Museums mit der zuvor von den Nationalsozialisten geraubten Kunst in der Zeit von 1945 bis 1955. Aufgeschlüsselt wird in dem Werk das Vorgehen bei folgenden Sammlungen: Emil Kominik (Münzen), Anton Graf Lanckoronski, Serena Lederer, Alfred Menziles (Münzen), Louis und Alphonse de Rothschild sowie Leon Ruzicka. Würde dieses Buch veröffentlicht, würden sich auch viele Anfragen von selbst erledigen, meint Haupt. Warum das Werk bis jetzt nicht erschienen sei? Dazu will Haupt nichts sagen. Eine Anfrage im Büro von Museumsgeneraldirektor Wilfried Seipel ergibt: Bis jetzt habe man für den Druck keine Finanzierung aufstellen können. Andere Provenienzforscher äußern allerdings den Verdacht, eine solche Publikation wäre allzu unbequem. Schließlich geht es hier nicht nur um die NS-Verbrechen, sondern auch um den unrühmlichen Umgang des Nachkriegsösterreichs mit den Opfern. Eine lange Geschichte zum Thema Umgang mit Geschädigten hat auch die Wienerin Verena Krausneker zu erzählen. Sie ist eine Nachfahrin des Fabrikanten Otto Brill und dessen Frau Lilly, die im Wien der 1920er und 1930er Jahre zu den bedeutenden Sammlern und Förderern zeitgenössischer Kunst zählten. Im Juli 1938 wurden von der Zentralstelle für Denkmalschutz folgende Werke angeführt (Quelle: Sophie Lillie: „Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens“, Czernin Verlag, Wien 2003): 24 Ölbilder (darunter fünf Boeckl, vier Schiele, ein Metzinger, ein Walde), 27 Aquarelle, Gouachen und gerahmte Zeichnungen (darunter ein Pettenkofen, drei Boeckl, ein Liebermann), sechs gerahmte Stiche und Lithographien, elf Plastiken, 65 Handzeichnungen, 50 Mappen mit 400 Zeichnungen und Skizzen (u. a. von Boeckl, Kandinsky, Pechstein, Munch, Pettenkofen, Egger-Lienz, Klimt, Schiele, Nolde), eine Reihe von Wien-Stichen sowie eine nicht näher bezifferte Anzahl alter illustrierter Bücher.Das Ehepaar – die drei Kinder hatte man schon nach England schicken können – stellte einen Ausfuhrantrag für seine Kunstsammlung. Eine gotische Reliefplastik („Betende Nonne“), drei Selbstporträts und sieben Bücher wurden für die Ausfuhr gesperrt. Die Bücher sollen von der Nationalbibliothek, die Porträts von der Albertina erworben worden sein. Nachgewiesen werden konnte der Ankauf von insgesamt zwölf Gegenständen durch die Graphische Sammlung Albertina im Jahr 1938.Krausneker hat nach Beschlussfassung des Kunstrestitutionsgesetzes für die in Großbritannien lebenden, betagten Verwandten den Antrag auf Rückgabe der Objekte aus der Albertina gestellt. Zu dem Zeitpunkt waren ihr nach langen Recherchen sechs bis acht mögliche Objekte aus der Sammlung Brill bekannt. 2000 waren alle nötigen Dokumente beigebracht. Im Mai 2001 war jedoch seitens der Behörden noch nichts passiert – und der zuständige Beamte habe am Telefon lapidar erklärt: „Da muss ich mir erst einmal den Akt ausheben lassen.“ Inzwischen war ihre Großmutter bereits gestorben.Krausneker veröffentlichte damals einen Gastkommentar im „Standard“. Wenig später konnte sie gemeinsam mit ihrer Mutter acht Zeichnungen abholen. Doch dabei wurde sie stutzig: Denn so penibel, wie die Kunstwerke einst in die Bücher eingetragen worden waren, so penibel wurden sie auch wieder ausgetragen. Zwischen den ausgestrichenen Bestandsnummern übersprang die Beamtin aber immer wieder Einträge – insgesamt vier. Wenn man davon ausgeht, dass Sammlungen immer gemeinsam eingetragen werden, aus Sicht Krausnekers ein merkwürdiger Umstand.Sie klemmte sich also erneut hinter die Sache, recherchierte weiter. Es stellte sich heraus: Hier hatte man sich in der Albertina geirrt. Zwei weitere Zeichnungen, die eindeutig den Sammlungsstempel Brill trugen, wurden Krausneker in der Folge übergeben. Zwei – nicht vier. Immer noch im Besitz der Albertina befindet sich eine Zeichnung Stephan Pichlers sowie ein Skizzenbuch von Herbert Boeckl. Gröning von der Albertina äußert ein gewisses Verständnis für Krausneker, sieht aber „nur vage Bezüge“ und keine Möglichkeit, das näher zu belegen. Sophie Lillie zeigt sich im Gespräch mit NU dagegen überzeugt davon, dass der Familie Brill die zwei Werke zustehen. Das Problem sei, dass Indizien nicht als Beweis zugelassen würden. In jedem Gerichtsverfahren würde das anders funktionieren. Aber leider habe man im Kunstrestitutionsgesetz verabsäumt, für die Antragsteller auch Rechtsmittel vorzusehen. „Ich zweifle nicht daran, dass die beiden Sachen aus der Sammlung Brill sind.“ Krausneker führt unter anderem an, dass Boeckl von der Familie Brill intensiv gefördert wurde, am Balkon der Brill’schen Wohnung Ansichten des Donaukanals gefertigt und Otto Brill mit seinem kleinen Sohn großformatig in Öl porträtiert hat, dass es also eine besondere Präsenz von Boeckls Werk in der Sammlung Brill gibt. Grundsätzlich sei die Stempelung der Sammlung Brill sehr unsystematisch erfolgt – ganz im Gegensatz zu den durchgehenden Inventarnummern in den Museen. Für den zuständigen Beamten im Bildungsministerium, Georg Freund, „ist das von mir aus erledigt. Ich wüsste nicht, dass da noch etwas offen ist.“ Krausneker hat inzwischen aufgegeben. „Ich möchte die Kleinlichkeit vom Bundesdenkmalamt eigentlich nicht überbieten und habe resigniert. Natürlich könnte ich wieder einen Brief schreiben. Aber irgendwie ist es mir jetzt schon zu blöd.“ Sie erinnert sich, dass sie in den 1990er Jahren mit einem ganz anderen Gefühl an die Sache herangegangen sei – „nämlich, dass nun zwar sehr spät, aber doch Unrecht anerkannt und versucht wird zu restituieren, was möglich ist“. Sukzessive sei ihr aber von ihrem Gegenüber im Ministerium die Rolle der Bittstellerin zugewiesen worden, man sei ihr degradierend und respektlos begegnet, man habe aus ihr das Opfer gemacht, das sie eigentlich nicht gewesen sei, habe sie hingehalten und vertröstet und alles in die Länge gezogen. „Nach einigen Telefonaten habe ich dann aufgelegt und zu weinen begonnen, weil es so unangenehm und mir diese Kleinlichkeit in der Auslegung des Gesetzes unverständlich war. Ich dachte, wenn sie wollten, könnten sie doch großzügig sein. Aber das wollen sie offenbar nicht.“Alles so rasch als möglich im Sinn der Opfer erledigen – das will Margot Werner von der Österreichischen Nationalbibliothek. In etwa 60 Fällen habe man Erben ermitteln können, zehn Fälle stünden noch aus. Von rund 14.000 Büchern würden aber schlussendlich die ehemaligen Besitzer anonym bleiben. „Sie stehen per Gesetz dem Nationalfonds zu“, so Werner, die hofft, dass in der Kommission für Provenienzforschung bis Jahresende eine entsprechende Lösung gefunden wird. Sie kann sich auch eine Zahlung an den Fonds vorstellen, denn dass sie nun die 14.000 Bände dem Nationalfonds einfach hinstelle, das wäre wohl wenig sinnvoll. Mit solch einer finanziellen Regelung müssten natürlich beide Seiten einverstanden sein, stellt Werner klar. In der Kommission für Provenienzforschung ist die Marschroute allerdings noch alles andere als klar. Kommissionsleiter Ernst Bacher meinte zu NU: „Wir haben uns mit dieser Aufgabe noch nicht näher beschäftigt, sondern all jene Restitutionen vorgezogen, wo noch eine geringe Chance besteht, einen Nachfolger zu finden.“ Im Nationalfonds gibt Seidinger dazu allerdings zu bedenken: Mittlerweile sei so viel Zeit vergangen, „dass nicht nur jene sterben, die noch etwas restituiert bekommen könnten, sondern auch jene, denen man mit einer Auktion noch helfen könnte“. Bacher betont zudem: „Ob man heute, aus dem Blickwinkel der Provenienzforschung seit 1998, das Gesetz so vollziehen kann, wie es konzipiert wurde, bin ich mir nicht sicher.“Er selbst habe stets das Jahresende 2005 als Schlusspunkt seiner Tätigkeit in der Kommission in Aussicht gestellt, so Bacher. Er werde bis dahin persönlich versuchen, so viele noch offene Fragen wie möglich zu klären und abzuschließen. Dass bis Jahresende aber ein Abschlussbericht vorliege, der dann auch als Basis für die Arbeit des Nationalfonds dienen könnte, sei wenig realistisch. Im Zug der Forschungsarbeiten habe sich herausgestellt, dass das vorhandene Material nach immer neuen Erkenntnissen noch einmal durchgearbeitet werden müsse. „Eine vage Adresse, die für sich gar nichts bedeutet, kann ich heute etwa in Zusammenarbeit mit der Anlaufstelle viel besser lesen und deuten als noch vor ein paar Jahren.“Von jenen Objekten, die schließlich dem Nationalfonds übergeben werden, müsste jedes einzelne als „herrenlos“ belegt werden. Das brauche Zeit. Nur zu sagen, diese Gegenstände seien als „herrenlos“ anzusehen und würden daher dem Fonds übergeben, das reiche nicht, betont Bacher.Auch Freund, er ist Leiter der Geschäftsstelle des Kunstbeirats, meint, davon auszugehen, dass der Nationalfonds schon kommendes Jahr über Kunstobjekte ohne Rechtsnachfolger disponieren werde können, sei „zu optimistisch. Das wird schon noch einige Jahre dauern.“ Er werde jedenfalls alles, was ihm Bacher bzw. die Kommission vorschlage, versuchen, „schnell über die Bühne zu bringen“.Robert Holzbauer, selbst Provenienzforscher – früher im Bundesdenkmalamt, heute im Leopold Museum –, rückt hier im Gespräch mit NU den vom Ministerium vermittelten Eindruck, die langen Forschungsarbeiten würden sich vor allem aus der komplexen Materie ergeben, allerdings etwas zurecht. Während die Historikerkommission mit dem ihr übertragenen Mandat wenigstens über so etwas wie ein Statut verfügt habe, sei die Kommission für Provenienzforschung ein Provisorium, „ein höchst informelles Gremium“ geblieben. Noch immer gebe es weder ein Statut noch eine Geschäftsordnung. Es gebe keine definierte und öffentlich kommunizierte Zielvorstellung.Und: „Die manifeste Fehldimensionierung der Provenienzforschung des Bundes hat zur Folge, dass die Grundlagenforschung zur Entziehung und Restitution von Kunst- und Kulturgut ein Desiderat geblieben ist“, so Holzbauer, der in Zusammenhang mit Österreichs Kunstrestitution gern Grillparzer zitiert: „… auf halben Wegen und zu halber Tat, mit halben Mitteln zauderhaft zu streben …“ Kritik am methodischen Vorgehen der Kommission übt auch Lillie: „Anders als bei der Historikerkommission gibt es hier wenig Grundlagenforschung, anhand derer eine Systematik herausgearbeitet werden könnte. Es wurde immer nur Augenmerk darauf gelegt, die einzelnen Objekte der einzelnen Häuser aufzuarbeiten.“ Lillie kritisiert zudem, dass die Kommission viel zu wenig Finanzmittel bekommen habe.Die Wissenschafterin versteht, „dass der Nationalfonds schnell agieren und auch Mittel verteilen will“. Das sei aber eine jener Sachen im Kunstrückgabegesetz, „die einfach nicht durchdacht wurden“. „1998 hat man geglaubt, dass das ein, zwei Jahre dauern werde, und dann sei es vorbei. Und dann hat sich alles – in einem ungeheuren Ausmaß – aufgetan und tut sich weiter auf. Immer wieder stößt man auf Namen, auf einzelne Künstler, deren Werk eigentlich neu bearbeitet werden müsste.“Eine Einzahlung der Museen in den Nationalfonds und die sofortige Verteilung dieser Mittel an noch lebende Opfer hält Lillie für die sinnvollere Lösung. Die eigentlichen Gegenstände könnten somit an den Museen belassen werden und stünden im Fall eines später auftretenden Eigentumsanspruches für eine Rückstellung bereit. Insgesamt hält die Kunsthistorikerin die Restitutionspolitik der Bundesregierung für ambivalent. Einerseits seien in den vergangenen Jahren viele Kunstgegenstände restituiert worden, darunter auch fünf Gemälde von Gustav Klimt. Das werde aber kaum öffentlich bekannt gemacht. Die Regierung leiste also Arbeit, spreche aber nicht darüber. „Ich weiß nicht, inwiefern man wirklich dazu steht.“ Lillie kritisiert zudem: Der Beirat habe keine regelmäßigen Sitzungen. Alles passiere hinter verschlossenen Türen, Begründungen würden keine veröffentlicht. Auch seitens der Bundesmuseen werde nichts publik gemacht – außer von der Nationalbibliothek, die bereits eine Ausstellung zu dem Thema gemacht habe. Lillie versteht zum Beispiel nicht, dass die Bundesmuseen fragwürdige Objekte nicht online stellen, wie es etwa das Wien Museum (www.wien-museum.at) gemacht habe. Und die Kommission für Provenienzforschung habe nicht einmal eine eigene Homepage.

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