„Israel droht mit Selbstverteidigung“

Die Berichterstattung über den Nahostkonflikt ist selten fair und ausgewogen. Wie Israel zum Image kommt, eine „Gefahr für den Weltfrieden“ zu sein.
Von Florian Markl

Als Mahmud Abbas im Namen der Palästinensischen Autonomiebehörde vor wenigen Wochen beim UN-Sicherheitsrat um die Anerkennung Palästinas als Vollmitglied der Vereinten Nationen ansuchte, stand der Nahostkonflikt wieder einmal im Zentrum des medialen Interesses. Nicht zum ersten Mal konnte man anhand der Berichterstattung den Eindruck gewinnen, als handle es sich bei dieser Auseinandersetzung um das dringendste Problem dieser Welt. Diese wiederholt auftretende Fokusverengung bleibt nicht ohne Folgen.

Im November 2003 veröffentlichte die Europäische Kommission eine in 15 EU-Mitgliedsstaaten durchgeführte Umfrage, die für einiges Aufsehen sorgte: Im europaweiten Durchschnitt gaben 59 Prozent der Befragten an, Israel stelle in ihren Augen eine Gefahr für den Weltfrieden dar. In Österreich schlossen sich gar 69 Prozent dieser Aussage an, der zweithöchste Wert aller in die Umfrage aufgenommenen Länder, übertroffen nur noch von den Niederlanden mit 74 Prozent. Lediglich in Italien fand die Behauptung, Israel stelle eine Gefahr für den Weltfrieden dar, mit „nur“ 48 Prozent Zustimmung keine Mehrheit. Die Resultate waren insofern noch dramatischer, als in den Augen der Europäer Israel tatsächlich die größte Bedrohung des Weltfriedens darstellte – noch vor dem Iran, Nordkorea sowie den USA mit jeweils 53 Prozent der Nennungen.

Wie konnte es dazu kommen, dass ein Land von gerade einmal der Größe Niederösterreichs, das aktuell knapp acht Millionen Einwohner zählt, von einer Mehrheit der Europäer als größte Bedrohung des Weltfriedens erachtet wurde? Menschen urteilen auf Basis der Informationen, die sie aus Medien beziehen. Betrachtet man deren Berichterstattung über außenpolitische Themen, so fällt einerseits auf, dass dabei unverhältnismäßig viel Gewicht auf den israelisch-palästinensischen Konflikt gelegt wird, und andererseits, dass diese Berichterstattung nur selten als fair und ausgewogen bezeichnet werden kann.

Ein typisches Beispiel: Als Anfang Juni 2009 palästinensische Terroristen einen israelischen Grenzposten mit Schusswaffen und Granaten attackierten, versah der Standard seinen Bericht nicht etwa mit der Überschrift: „Israelische Armee verhindert Terrorangriff“, sondern titelte: „Fünf Palästinenser von israelischen Soldaten getötet“. Die Logik dieser Art von Berichterstattung brachte einmal Focus online unübertreffbar mit der Überschrift zum Ausdruck: „Israel droht mit Selbstverteidigung“. Was auch immer real vorgehen mag, sobald Israel agiert, folgt darauf der Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit und werden Schauergeschichten verbreitet, als handle es sich um unumstößliche Wahrheiten.

Als Israel etwa im April 2002 nach einer Serie verheerender Selbstmordattentate gegen die terroristische Infrastruktur im Westjordanland vorging, kam es in Jenin zu mehrtägigen Kämpfen. Binnen kürzester Zeit überschlugen sich die Berichte über das angebliche „Massaker von Jenin“, bei dem hunderte, wenn nicht gar tausende palästinensische Zivilisten von der israelischen Armee getötet worden seien. Für den britischen Guardian war Israels Vorgehen genauso abstoßend wie die Terrorangriffe vom 11. September 2001. In der Londoner Times berichtete ein Korrespondent, er habe als Kriegsberichterstatter in Bosnien, Sierra Leone und dem Kosovo noch selten ein so absichtliches Zerstörungswerk und eine derartige Missachtung menschlichen Lebens gesehen. Von einem Massaker und der Vertuschung von Völkermord wusste gar eine andere Zeitung zu berichten. Tatsächlich kamen in den Kämpfen in Jenin 23 israelische Soldaten und 52 Palästinenser ums Leben, die Mehrzahl davon Kämpfer verschiedener Terrororganisationen. Das Massaker, von dem die Medien bereitwillig berichteten, hatte nie stattgefunden. Der Völkermord war eine reine Erfindung. Als schließlich eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zum Schluss kam, in Jenin habe kein Massaker stattgefunden, waren all die falschen Berichte bereits gesendet, all die grotesken Verzerrungen bereits gedruckt. Kaum ein Medium sah sich verpflichtet, wenigstens im Nachhinein die haarsträubenden Fehler der Berichterstattung richtigzustellen.

Wenn eine derart verantwortungslose Art des Berichtens über den Nahostkonflikt die Regel darstellt, kann man sich dann darüber wundern, dass in der öffentlichen Wahrnehmung Israel in einem so schlechten Licht und von der Mehrheit der Europäer als größte Bedrohung des Weltfriedens gesehen wird?

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