In der Mitte zwischen USA und Russland?

Martin Engelberg

Kommentar von Martin Engelberg

Da war es wieder: In der Parlamentsdebatte über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wurde nicht nur immer wieder Österreichs „immerwährende Neutralität“ betont, sondern auch gefordert, Österreich möge sich doch auf bewährte Art und Weise „in der Mitte“ positionieren. In meiner Wortmeldung lag mir sehr daran, einiges richtigzustellen:

Die Proklamation der „immerwährenden Neutralität“ Österreichs war vordergründig der Aushandlung des Staatsvertrages geschuldet. Ein Entgegenkommen insbesondere an die Sowjetunion, mit der die Besetzung Österreichs durch die Alliierten beendet wurde. Dahinter stand aber in Wirklichkeit ein anderes Gelöbnis: Nie wieder wolle man sich in Österreich einer wahnsinnigen politischen Ideologie wie dem Nationalsozialismus verschreiben. Nie wieder wolle man sich an Gewaltherrschaft, Angriffskrieg und Massenmord beteiligen.

Auch in Deutschland wurde ein ähnliches Versprechen abgegeben, und obwohl sich die Bundesrepublik der NATO anschloss, entwickelte sich daraus mit der Zeit das goldene Kalb eines Pazifismus. In seiner jüngsten perversen Ausformung mit der langen Weigerung Deutschlands, der Ukraine Waffen zur Verteidigung zu schicken, dafür aber Helme. Erst viel später hat dann Deutschland der Ukraine doch noch Abwehrwaffen geliefert.

In Österreich entwickelte sich die „immerwährende Neutralität“ nachgerade zu einer Monstranz, die von allen Seiten verehrt und angebetet wurde. In ihrer perversen Ausformung weiß man in Österreich nicht, wo man steht, aber sicherheitshalber steht man in der Mitte. Die Neutralität, das „in der Mitte stehen“, habe uns ja schließlich Wohlstand und Frieden gebracht. Was für ein Trugschluss!

Ein kurzer Blick in die Geschichte sollte uns eines Besseren belehren. Wohlstand in Europa und insbesondere auch in Österreich wurde begründet durch die großzügigen Hilfen der Vereinigten Staaten von Amerika, die uns nach dem Zweiten Weltkrieg mit viel Geld wieder auf die Beine gestellt haben. Frieden hat uns der militärische Schutzschirm der USA und der NATO gebracht, den wir praktisch gratis, als Trittbrettfahrer, um nicht zu sagen als Schwarzfahrer, genossen haben. Als Teil der westlichen Welt haben wir von finanziellen Unterstützungen, Frieden und Freihandel profitiert, den andere gesichert und bezahlt haben.

Erfreulicherweise hat unsere Bundesregierung und insbesondere der neue Bundeskanzler Karl Nehammer nach kurzen Unsicherheiten bewiesen, dass Österreich aus der Geschichte die richtigen Lehren gezogen hat; dass wir auch den zweiten Teil des „Nie wieder Krieg“ gelernt haben, und der lautet: Nie wieder wollen wir Gewaltherrschaft, Angriffskrieg und Morden zulassen. Und wir sind dafür bereit zu kämpfen und auch Opfer zu bringen.

Neutralität darf keinesfalls Neutralismus heißen. Neutralität darf nicht „Bothsideism“ – also eine falsche Ausgewogenheit – bedeuten, wie es dieser zeitgenössische Begriff so gut trifft. In der Frage, was denn unser Planet sei, gab es auch zwei „Ansichten“: Eine Kugel oder eine Scheibe. Die Wahrheit liegt aber nicht in der Mitte!

Heute geht es um ein ganz klares Bekenntnis: Österreich ist ein integraler Bestandteil der westlichen Welt, der westlichen Wertegemeinschaft, mit den USA als unserem engsten strategischen Partner. Unsere Solidarität gilt heute der Ukraine und den Menschen, die dort leben. Wir beteiligen uns am Kampf gegen Aggressoren, Brechern des Völkerrechts, Unterdrückern von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten. Im Rahmen unserer heutigen Möglichkeiten, mit der vollen Beteiligung an den Sanktionen gegen Russland und mit der Gewährung größtmöglicher Unterstützung der Ukraine und ihrer Bevölkerung.

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