IKG Immobilienholding

Von Martin Engelberg

Die Zeitung „Gemeinde“ ergriff unlängst die, wie sie meinte, überaus günstige Gelegenheit eines angeblich runden Amtsjubiläums Muzicants –er wurde vor acht Jahren und zwei Monaten zum ersten Mal gewählt und vor drei Jahren und sechs Monaten wieder gewählt – für ein langes und ausführliches Interview mit dem Präsidenten, das sich zu einem präsidialen „Tour d’horizon“ gestaltete. Doch siehe da, Muzicant sagt auch tatsächlich etwas Bemerkenswertes –wie ich meine, bemerkenswert Ehrliches. Auf die Frage: „Und wo bleiben die religiösen Leistungen, die Inhalte, das Jüdische?“, antwortet der Präsident: „Tatsächlich ist die IKG eine Dachorganisation … die zahlreiche anderen Institutionen und Organisationen fördert bzw. ihnen ermöglicht, ihr Angebot ständig zu erweitern. … Das ist zwar nicht der Verdienst der IKG, aber wir schaffen Voraussetzungen und jene Infrastruktur, die dafür erforderlich sind.“ Lassen wir uns doch das Gesagte einmal mittels eines Vergleichs auf der Zunge zergehen. Stellen wir uns vor, die katholische Kirche Österreichs würde mitteilen, sie sähe sich eigentlich als eine Dachorganisation, also eine Holding, die sich hauptsächlich darum kümmerte, dass sich ausreichend Immobilien in ihrem Besitz befänden und auch sonst genug Geld hereinkäme. Der Stephansdom würde z.B. – mit viel Unterstützung der öffentlichen Hand – allerfeinst hergerichtet, vielleicht in einem Seitentrakt ein kleiner Dachbodenausbau durchgeführt und ein Supermarkt eingerichtet, um die Erträgnisse noch weiter zu steigern. Für die religiösen Bedürfnisse, die Inhalte, die Seelsorge usw. jedoch stellte man nur einen Kardinal ein, der aber lediglich mit einer Sekretärin versorgt, ansonsten völlig auf sich allein gestellt und daher völlig überfordert wäre. Die Betreuung der Gläubigen im bestens adaptierten Stephansdom überließe man Opus Dei. Muzicant hat also, wohl eher unbewusst, eine sehr ehrliche und völlig richtige Analyse der Entwicklung der Kultusgemeinde unter seiner Präsidentschaft geliefert: Seit eh und je hat er in der IKG ein Projekt nach dem anderen verwirklicht. Zahlreiche Dachbodenausbauten, Neubauten, Wohnbauprojekte, das Großprojekt in der Czerningasse/Tempelgasse. Jetzt soll zur Krönung all dessen das Mega-Projekt „Ichmanngasse“ folgen. Es ist Muzicant dies auch gar nicht zum Vorwurf zu machen. Er macht einfach nur das, was er gut kann. Darüber hinaus haben all diese Projekte tatsächlich zur Verbesserung der Infrastruktur der Gemeinde beigetragen und hätten auch deren langfristige finanzielle Absicherung gewährleisten können (wären nicht die Ausgaben gleichzeitig dramatisch erhöht worden). Die religiöse Erziehung jedoch, ein positiver, erfüllter Zugang zur Religion, ein Gefühl für Inhalte, für das Jüdische – religiös, kulturell, werteorientiert, psychologisch, in welcher Ausrichtung auch immer es von den einzelnen Gemeindemitgliedern begriffen werden möchte – fehlt Präsident Muzicant fast gänzlich. Dies wussten auch immer alle mit ihm in der Kultusgemeinde Arbeitenden und es hat dies schon vor vielen Jahren der Mandatar der orthodoxen Liste „Khal Israel“, Mayer Fried s. A., einmal in einer Sitzung des Kultusvorstandes auf den Punkt gebracht: „Der Muzicant hat Kojach (Kraft) wie ein Pferd und er alleine kann ziehen eine ganze Kutsche. Aber er braucht einen Kutscher, der ihm weist, wohin zu laufen“. Den oder die Kutscher hat Muzicant längst abgeworfen und so rast die Kutsche – mit den Gemeindemitgliedern hinten drin – mit einem ziemlichen Tempo dahin. Keiner in der Kultusgemeinde scheint mehr einen Blick auf die wesentlichen Dinge im Judentum, in einer jüdischen Gemeinde zu haben. Jene Akademiker, Pensionisten, Händler, Kaufleute – erfolgreiche und gescheiterte, wie sie so im Kultusvorstand sitzen, sind inzwischen auch schon zu Freizeit-Immobilienmaklern und Developern und damit zu mitlaufenden Pferden mutiert. Hiermit sei einmal das Warnsignal „Fasten Seat Belts“ im Inneren der Kutsche eingeschaltet.

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