Historikerbericht des Dorotheums vor Veröffentlichung

Eine neue Publikation zum Thema NS-Kunstraub wollte u. a. auch die Rolle des Dorotheums in der NS-Zeit näher beleuchten. Die beiden Herausgeberinnen Gabriele Anderl und Alexandra Caruso stießen dabei nach eigenen Angaben auf eine Mauer des Schweigens. NU hat beim Dorotheum nachgefragt. Fazit: Anfang 2006 wird der lang erwartete Historikerbericht des Auktionshauses veröffentlicht.
Von Alexia Weiss

Die Herausgeberinnen dieses Sammelbandes waren bei ihrem Vorhaben, die Rolle des Dorotheums während und nach der NS-Zeit zum ersten Mal ausführlicher einer interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren, nur bedingt erfolgreich”, schreiben Anderl und Caruso in ihrer Einleitung zu dem Buch “NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen”. Einen bereits zugesagten Beitrag des Dorotheums habe man bis zur Fertigstellung des Buchmanuskripts nicht erhalten.“ Nach Dafürhalten der Herausgeberinnen ist es jedoch an der Zeit, nicht Rücksichtnahme, sondern Offenlegung einzufordern – geht es doch um eine Institution, die wie keine zweite nachhaltig vom NS-Kunst- und Kulturgutraub profitiert und es bis heute vermieden hat, sich ihrer Vergangenheit zu stellen.” Fakt ist: Die 1998 von der Republik eingesetzte Historikerkommission klammerte das Dorotheum aus ihrer Forschungstätigkeit zum Vermögensentzug in Österreich während der NS-Zeit sowie den Rückstellungen und Entschädigungen nach 1945 aus. Dafür sollte das Dorotheum, damals noch Teil der staatlichen ÖIAG (Österreichische Industrieholding AG), ein eigenes Historikerteam einsetzen. 2002 wurde das Auktionshaus privatisiert – und wird nun von den Brüdern Soravia im Rahmen ihrer Soravia Gruppe (Schwerpunkt: Bau- und Immobilienbranche) betrieben. Ende 2003 legte die Historikerkommission ihren Schlussbericht vor. Seitens des Dorotheums gibt es bis heute keinen Bericht – dafür aber viel Unmut bei Betroffenen. Erst diesen September veröffentlichte Dorit Bader-Whiteman, eine heute in den USA lebende Emigrantin, nach der auch das letzte noch gegen Österreich offene Restititutionsverfahren (“Whiteman-Klage”) benannt ist, im “Standard” ihre Erinnerungen an die Flucht, den Verlust der Habseligkeiten. Darin heißt es u. a.: “Unsere verbliebenen Habseligkeiten hätten uns nach der Flucht folgen sollen, erreichten uns aber niemals. Ganz nebenbei hörte ich meine Eltern sagen, dass die Möbel, die Kunstgegenstände und alles Weitere im Dorotheum versteigert worden waren. Da ich selbst Dorit heiße, blieb mir dieser Name in Erinnerung. Ohne das Dorotheum zu kennen, assoziierte ich damit eine heruntergekommene Altwarenhandlung. Ich sollte eine Überraschung erleben. Vor einigen Jahren war ich in Wien, um bei einer Konferenz über den Holocaust zu sprechen. Als ich am Graben entlang spazierte, sah ich einen Wegweiser, der zum Dorotheum wies. Aufgeregt folgte ich dem Schild und war bald verblüfft – ich fand keine verlotterte Gerümpelkammer, sondern ein Palais. Fein gefertigte Möbel und funkelnde Juwelen betörten meine Augen. Das war also der Ort, wo unsere Besitztümer gelandet waren! Welche Ironie, dass dieses stolze Institut sich herabgelassen hatte, um Hand in Hand mit der Gestapo das Vermögen der fliehenden Juden fortzuschaffen. Ich betrat also das Gebäude und verlangte den Direktor zu sprechen. Ich verschwieg mein Begehren, denn ich fürchtete, dass ich, falls ich mein Anliegen vorbrächte, keinen Termin erhalten würde. Man sagte mir, der Direktor wäre nicht anwesend, und ob ich mit dem Pressesprecher sprechen wolle. Ich verneinte. Nachdem sich die Aufregung bei der Sekretärin gelegt hatte, erschien ein Mann – ein Anwalt! Auch ohne Erklärungen war ihnen sofort klar gewesen, was der Grund meines Kommens war. Daher war es mir bewusst, dass ich nicht die Erste gewesen war. Das Dorotheum hatte mich wohl in bestimmter Hinsicht sogar erwartet. Der Mann hatte ein geschäftliches Auftreten. Ich bin wegen der Besitztümer meiner Eltern gekommen, teilte ich ihm mit. Der Anwalt erwiderte kurz: Wir untersuchen diese Angelegenheit. Wann werden Sie zu einem Ergebnis kommen?, fragte ich, es sind bereits mehr als 50 Jahre vergangen. Wir werden Sie brieflich verständigen, lautete seine knappe Antwort. Kein Ausdruck des Bedauerns.” Martin Böhm, Geschäftsführer für den Auktionsbereich des Dorotheums, betonte dazu im Gespräch mit NU: was den Fall von Frau Whiteman betreffe, gebe es ein laufendes Verfahren, er könne also keinen Kommentar dazu abgeben. Die Vorwürfe der beiden Wissenschafterinnen Anderl und Caruso weist Böhm zurück. Sehr wohl hätten die Historiker des Dorotheums gerne einen Beitrag geliefert. Doch dann habe es plötzlich geheißen, nun sei es zu spät. Nun ist die Arbeit der Geschichtswissenschafter, deren Namen Böhm noch nicht öffentlich kommunizieren will, jedenfalls in der Zielgeraden. Böhm kündigte das Erscheinen des Berichts gegenüber NU für das erste Quartal 2006 an. Die Arbeit habe sich schwierig gestaltet, erläutert Böhm, “darum hat es auch so lange gedauert”. Das Dorotheum habe kein Archiv, durch einen Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg sei der Hauptraum zerstört, die meisten verbliebenen Unterlagen seien in den 1970er Jahren skartiert worden. Das sei übrigens immer “auf ministerielle Anordnung geschehen”, schließlich sei das Dorotheum ja bis 2002 in Staatsbesitz gewesen. Die fehlende Aufarbeitung treffe nun die neuen Eigentümer. “Die Geschichte ist bisher sicher nicht in der Form aufgearbeitet worden, wie wir das gerne hätten.” Und was ist nun in dem Bericht zu erwarten? Konkrete Zahlen, Auflistungen etc.? Hier verneint Böhm. Aufgabe der Historiker, die übrigens noch vor der Privatisierung des Auktionshauses von der Republik eingesetzt wurden, sei es gewesen, Zusammenhänge herzustellen, die Systematik der Geschäfte in der NS-Zeit aufzuzeigen. Aber auch die hausinterne Durchsetzung des Personals mit Nationalsozialisten bzw. die “Säuberung”, also Entlassung jüdischer oder politisch nicht genehmer Mitarbeiter soll aufgezeigt werden. Einer der beiden Direktoren sei schon vor Machtübernahme der Nationalsozialisten “ein illegaler Ober-Nazi” gewesen. Einzelfälle aufzulisten habe insoferne wenig Sinn, als “das Dorotheum ja nur die Versteigerungen durchgeführt hat”, erklärt Böhm. Hier liegt auch der Schlüssel dafür, dass das Dorotheum auch nach Ende des Whiteman-Verfahrens und nach Vorliegen des Historikerberichts keine Restitution in Fällen leisten wird, die die NS-Zeit betreffen. “Hier gibt es ein primäres Missverständnis: Restitution ist eine Naturalrückgabe. Das Dorotheum hat aber kein Eigentum an den versteigerten Objekten, es ist vielmehr ein Makler, der Eigentumsübergang findet vom Verkäufer zum Käufer statt. Natürlich hat das Dorotheum als solches mitgemacht und ist hier sehr aktiv gewesen, da gibt es nichts zu beschönigen. Aber wir sind ja kein Museum. Deshalb können wir auch nichts restituieren.” Das Dorotheum habe aber sehr wohl – damals noch über die ÖIAG – in den Allgemeinen Entschädigungsfonds eingezahlt, an den Böhm auch bei Vermögensentzügen in der NS-Zeit in Zusammenhang mit beim Dorotheum eingebrachten Gegenständen verweist. In den Fonds einzuzahlen sei insoferne selbstverständlich gewesen, als das Dorotheum ja über die einbehaltenen Provisionen an den Geschäften verdient habe. Was aktuelle Fälle betrifft, also Gegenstände, die heute eingebracht werden, und deren Provenienz bei näherer Durchleuchtung auf eine “Arisierung” oder “Enteignung” hindeutet, gehe man sehr sensibel vor, betont Böhm. Seit der Übernahme des Dorotheums durch die Soravia Gruppe seien in mehreren dutzend Fällen Objekte von der Versteigerung zurückgezogen worden. Das Dorotheum setzt dabei auf Mediation zwischen den Einbringern und den Erben der ursprünglichen Besitzer.“ Eine Mediation ist die mit Abstand wirkungsvollste und sinnvollste Maßnahme”, so Böhm. Hier müsse man behutsam vorgehen. Denn auch die Einbringer seien oft “perplex”, wenn sie mit der Vergangenheit der Objekte konfrontiert würden. Sie hätten die Stücke oft geerbt oder selbst gutgläubig gekauft. Man übe sich in diesen Fällen daher in Diskretion. “Wenn dann die mediale Keule drübergeschlagen wird, ist das nicht dienlich.” Es gehe vielmehr darum, eine konstruktive Lösung zu finden, was mit Hilfe von Mediation auch meist gelinge. Gabriele Anderl/Alexandra Caruso (Hrsg.): “NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen”, StudienVerlag, Innsbruck 2005, 3-7065-1956-9, 314 Seiten, 33 Euro Die Publikation beleuchtet einerseits den Kunst-Raubzug der Nazis in Österreich von 1938 bis 1945, andererseits die Restitutionspraxis in den Jahrzehnten nach Kriegsende bis heute. Lesetipp für Kunstliebhaber.

Die mobile Version verlassen