Guten Tag, mein Name ist Oscar Bronner

Der Gründer des Nachrichtenmagazins „profil“, des Wirtschaftsmagazins „trend“ und Herausgeber des „Standard“ hat österreichische Mediengeschichte geschrieben. Hier erzählt er, warum er, obwohl in Israel geboren, kein Wort Hebräisch spricht und wie das ist, wenn ein Priester einem Sabre einsagen muss.
Von Danielle Spera, Peter Menasse und Peter Rigaud (Foto)

NU: Sich auf ein Interview mit Ihnen vorzubereiten, ist gar nicht so leicht: Informationen zu Ihrer beruflichen Laufbahn gibt es zur Genüge, aber nichts über Ihre Kindheit und Jugend, außer dem Datum und Ort der Geburt. Sie sind in Haifa geboren und damit ein echter Sabre.
Bronner: Ja, aber ich habe kaum Erinnerungen an Israel und außerdem auch die Sprache verlernt. Ich war fünf Jahre alt, als wir nach Wien gekommen sind und habe damals nur hebräisch gesprochen, Deutsch zwar verstanden, aber erst in Wien richtig erlernt. Die Eltern meiner Mutter sind damals gerade aus der Emigration in Schanghai nach Wien zurückgekommen und haben mich nicht verstanden, daher haben alle mein Deutsch forciert. Das war so erfolgreich, dass von meinem Ivrit nach kürzester Zeit nichts mehr übrig geblieben ist. Deutsch ist schnell meine Sprache geworden. Nachdem ich in einem absolut unreligiösen Elternhaus aufgewachsen bin, habe ich mit Hebräisch in keiner Weise mehr etwas zu tun gehabt. Wenn man religiös aufwächst, bleibt man in Kontakt mit der Sprache, das war bei mir aber nicht der Fall.

Das heißt, Ihre Familie hat das Judentum nicht praktiziert?
Nein, es gab keine Tempelbesuche, es gab kein Gebetbuch, es gab keine Feiertage. Von meinem Großvater weiß ich, dass er in den Tempel gegangen ist.

Sie haben also nur fünf Jahre in Israel gelebt, gibt es noch Kindheitserinnerungen?
Kaum. Ich bin, als ich 17 war, gemeinsam mit meinem Vater das erste Mal wieder nach Israel gefahren. Er hat mir gezeigt, wo wir gewohnt haben, und mir dabei dauernd erzählt, wie sehr sich alles verändert habe. In mir sind keine Erinnerungen erwacht. Ich hatte die Hoffnung, dass es in den drei Wochen meines Aufenthalts plötzlich „Klick“ macht und die Sprache wiederkommt, aber auch da war null Erinnerung. Ich habe keinen Zugang zu dieser Sprache gefunden. Später habe ich versucht, in Wien einen Hebräisch-Kurs zu absolvieren. Auch noch mit der Hoffnung, dass irgendwann der verschüttete Sprachschatz wieder auftaucht, denn ich bin kein besonderer Lerner. Im Lauf des Kurses fragte mich der Lehrer etwas, ich hatte keine Ahnung, da hat mir von hinten jemand eingesagt. Als ich mich umdrehte, um mich zu bedanken, habe ich festgestellt, dass mein Helfer ein katholischer Priester war. Ich habe das als schmachvoll empfunden, dass ein Priester einem Sabre einsagen muss. Da habe ich es endgültig aufgegeben.

Wie war Ihre Ankunft in Wien? Konnten Sie sich schnell einleben?
Ich erinnere mich, dass ich viele Fehler beim Sprechen gemacht habe, das war mir peinlich. Vor allem habe ich oft die Artikel verwechselt. Aber schon in der Volksschule bin ich ein guter Schüler gewesen.

Über Ihren Vater weiß man so gut wie alles, über Ihre Mutter dagegen gar nichts. Welchen familiären Hintergrund hatte sie?
Meine Großeltern väterlicherseits sind von den Nazis ermordet worden. Die Eltern meiner Mutter konnten sich nach Schanghai durchschlagen. Sie waren Wiener Juden, deren Familien seit Generationen hier gelebt haben. Der Großvater meiner Mutter war Landrabbiner im Marchfeld, wo er von Dorf zu Dorf gefahren ist, um seine Rabbinerpflichten zu erfüllen. Als mir meine Mutter davon erzählt hat, konnte ich fast nicht glauben, dass es auf dem Land auch Juden gegeben hat.

Wie haben sich Ihre Eltern denn kennengelernt?
Als Jugendliche in Wien. Meine Mutter war Zionistin und ist ganz offiziell nach Israel gegangen. Sie hat eine landwirtschaftliche Schule in Talpiot besucht. Die abenteuerliche Flucht meines Vaters aus Wien ist ja hinlänglich bekannt, er ist illegal nach Israel eingereist. Dort war meine Mutter seine einzige Bekannte. Er hat sie gesucht, gefunden und die beiden haben als 18-Jährige geheiratet. Als meine Mutter zwanzig war, bin ich auf die Welt gekommen.

Ihre Eltern haben aber Israel noch vor der Staatsgründung verlassen? Die Ehe ist bald zerbrochen.
Anfang 1948 sind wir nach Wien gefahren, weil meine Mutter ihre Eltern wiedersehen wollte. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich elf Jahre alt war. Sie waren immerhin dreizehn Jahre verheiratet, eigentlich eine lange Zeit für eine „Kinderehe“.

Und wie war Ihre Schulzeit, war es ein Thema, dass Sie Jude sind?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe die Volksschule in der Börsegasse besucht, wir haben um die Ecke, am Passauer Platz, gewohnt. Dort war dann übrigens auch die erste „Standard“- Redaktion, was für mich ein bisschen ein „Nach-Hause-Kommen“ bedeutet hat. Anschließend war ich kurz im Lycée, damals noch in der Breitenseer Straße, neben einer französischen Kaserne. Wir haben in den Pausen den Soldaten beim Exerzieren zugeschaut. Dort war ich nur drei Monate lang, weil wir dann nach Hamburg übersiedelt sind, wo mein Vater als eine Art Pionier beim Aufbau des Fernsehens mitgearbeitet hat. Den Rundfunk kannte ich ja schon, aber es war mir nicht möglich mir vorzustellen, wie Fernsehen funktionieren kann. Es hat damals nur ein paar Hundert Apparate gegeben. Ich war fasziniert. Auch mein Vater hat immer von dieser Zeit des Experimentierens geschwärmt und gemeint: „Man kann alles probieren, denn wenn es schiefgeht, bekommen es nur ganz wenige mit.“

Hatten Sie in Wien jüdische Freunde, waren Sie in jüdischer Gesellschaft?
Auch da hat das Judentum keinerlei Rolle gespielt. Später, in der Studentenzeit, war ich mit einem jüdischen Mädchen zusammen. Sie ist allerdings aus einer kommunistischen Familie gekommen, da hat die Religion auch keine Rolle gespielt. Irgendwann habe ich natürlich mitbekommen, dass es Juden in Wien gibt und dass sie in einer Art Ghetto leben. Bis heute ist es aber offenbar so, dass es hier für viele eine Frage ist, ob jemand Jude ist, oder nach übernommenen Nürnberger Gesetzen Halbjude, Vierteljude oder was auch immer.

Wie war das, als Sie in den USA gelebt haben?
Wenn man in Manhattan in einem intellektuellen Umfeld verkehrt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass man es mehrheitlich mit Juden zu tun hat. Ich habe dort eigentlich zum ersten Mal einen richtigen familiären Sederabend erlebt. Es ist dort ganz selbstverständlich, dass man eingeladen wird. In Wien gab es einmal eine Dame, die sich bemüht hat, nichtreligiösen Juden das Judentum beizubringen, da war ich schon einmal bei einem Sederabend dabei, aber das war schon eine sehr bemühte Aktion. In New York habe ich die Normalität erlebt. Die meisten Juden feiern aber auch Thanksgiving, das gehört zur Folklore der Stadt. Diese Normalität hat mir gut gefallen.

Ihr Vater war eine starke Persönlichkeit, war er in Ihrem Leben dominanter, prägender als Ihre Mutter?
Mein Vater war prägender durch seine Inhalte. Als Mensch hat mich sicher meine Mutter stark beeinflusst. Ich habe nach der Scheidung meiner Eltern mit meiner Mutter gelebt, daher hat sie eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt.

Ihr Vater ist spät in seinem Leben zum Judentum zurückgekehrt, er hat sich sogar die Teilnahme an Sederabenden gewünscht.
Das überrascht mich zu hören. Ich habe ihn nie bei einem Sederabend oder Shabbatabend erlebt. Mein Vater hatte mit der Religion überhaupt nichts am Hut, er hat sich als orthodoxen Atheisten bezeichnet, aber er war jüdischer Abstammung und hat das mit zunehmendem Alter mehr und mehr akzeptiert. Er hat sogar die Musik für einen jüdischen Gottesdienst geschrieben. Aber das war vollkommen losgelöst von der Religion.

Haben Sie es je bedauert, ohne Religion und Tradition aufgewachsen zu sein?
Es hat mir nicht gefehlt. Es wäre schon interessant, mehr darüber zu wissen. Ein bisschen habe ich mir selbst angeeignet. Ich bin ein areligiöser Mensch, Religion ist für mich Voodoo. Mein Zugang ist: Der Mensch schuf Gott nach seinem Ebenbild.

Wie ist das mit der Erziehung Ihrer Kinder?
Meine Frau kommt aus einem religiösen Elternhaus. Daher kriegen die Kinder mehr Religion mit als ich seinerzeit. Aber auch hier leben wir Liberalität. Mein ältester Sohn stammt aus einer anderen Beziehung, für ihn ist Religion kein Thema. Bei meinen jüngeren Kindern will es der Zufall, dass der Bub derzeit mehr Zugang zur Religion hat und das Mädchen weniger. Mal schauen, wie das weitergeht.

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Israel? Sie haben eine Wohnung dort. Ist Israel für Sie ein Urlaubsort oder doch mehr als das?
Es ist für mich ein Urlaubsort, dort zu leben, kann ich mir nicht vorstellen. Unter anderem, weil ich die Sprache nicht kann und mich mit Hilfe von Englisch – wie ein Tourist – bewegen muss. Ich habe aber einige sehr gute Freunde gefunden, sodass ich mehr erfahre als aus der medialen Beobachtung. Es ist schon eine verkehrte Welt: In Europa hält man Israel für die starke Macht in der Region und die anderen für weniger stark. Dazu hat mir ein Israeli einmal gesagt: Wenn man versucht, 50 oder 100 Jahre in die Zukunft zu schauen und sich fragt, ob es dann noch einen Palästinenserstaat geben wird, ist die Antwort selbstverständlich ja. Hinter der Frage, ob ein jüdischer Staat existieren wird, da steht ein großes Fragezeichen. Das sieht man in Europa nicht ein.

Als Sie „trend“ und „profil“ gegründet haben, war das auch ein Schritt heraus aus der Anonymität. Damals war es plötzlich für viele in Österreich ein Thema, dass Sie Jude sind.
Das hat die anderen mehr beschäftigt als mich. Wenn du als Jude eine Zeitung gründest, ist sie für manche automatisch „das Judenblatt“. Sie nehmen dann auch an, dass Israel in der Zeitung besonders behandelt wird. Bei „profil“ war Israel allerdings kein großes Thema, da es sich primär mit österreichischen Themen beschäftigt hat. Ich hab jedenfalls plötzlich mitbekommen, dass es für manche Leute ein Problem darstellt, dass ich Jude bin. Spätestens, als ich eine Warnung von der Kultusgemeinde bekommen habe, dass ich auf einer Liste von bedrohten Personen stehe.

Haben Sie als einer der wichtigsten österreichischen Medienmacher je Ressentiments wegen Ihrer Herkunft verspürt? Ich habe einen Bericht eines Journalisten in der „Presse“ gefunden, der erzählt, dass er einen jungen österreichischen Verlagsmanager getroffen und mit ihm über die Zeitungsszene gesprochen habe. Als er erwähnt hat, Sie wären ein gewiefter Geschäftsmann, habe der Manager gemeint: „Ein Jud’ eben.“ Das von einem vergleichsweise jungen Menschen, der es in Österreich zu etwas gebracht hat.
Ja, das ist das Seltsame. Bei allen drei Gründungen wurde ich jeweils für verrückt erklärt, weil so etwas in Österreich nicht funktionieren könne. Die Menschen hier seien zu blöd. Immer bin ich mit dem Zitat konfrontiert worden, dass jedes Land die Zeitungen habe, die es verdienen würde. Und ein solches Projekt hätte wirtschaftlich keine Chance, es werde zu wenig Leser geben, zu wenige Inserenten. Meine Antwort war stets, dass ich die Österreicher für ein Volk wie jedes andere halte, mit einem ähnlichen Konsumverhalten wie das der Bevölkerungen in vergleichbaren Ländern, mit den gleichen Automarken, mit besser und schlechter gekleideten Leuten. Es gibt einen ähnlichen Prozentsatz an Idioten und an intelligenten Menschen. Die Österreicher hätten noch nie die Chance gehabt, Publikationen wie „trend“, „profil“ oder „Standard“ abzulehnen, weil es vorher noch nie jemand probiert hatte. Andere meinten ständig, ich würde viel Geld verlieren. Als es aber dann wirtschaftlich funktioniert hat, da hieß es auf einmal, der gewiefte Jude, der macht das ja nur, um Geld zu verdienen. Und als ich den „Standard“ in der Waldheim-Zeit gegründet habe, sagten gleich welche, das wird sicher von der „Ostküste“ finanziert, als Kampfblatt gegen Waldheim. Also wenn man jemandem etwas Schlechtes nachsagen will, findet man immer etwas, und sei es das Geld.
You can’t do right.

Sie sind schon so lange im Zeitungsgeschäft. Macht es noch Spaß?
Im Prinzip ja, aber mittlerweile habe ich ein gewisses Alter erreicht und interessiere mich für viele Details nicht mehr so wie früher. Es wäre aber notwendig, und daher ziehe ich mich zunehmend aus der operativen Tätigkeit zurück. Die Tagesarbeit wird mittlerweile von anderen gemacht. Auf dem redaktionellen Sektor habe ich das besondere Glück, eine ausgezeichnete Chefredakteurin zu haben, auch auf wirtschaftlichem Gebiet habe ich einen wunderbaren Mitarbeiter, sie erledigen die Tagesarbeit. Ich bleibe Herausgeber und achte darauf, dass die Blattlinie eingehalten wird. Aber auch da weiß ich, dass das kein großes Problem darstellt bei der Redaktion unter dieser Führung. Ich werde also weiter den „Standard“ leiten, aber nicht mehr in der Tagesarbeit.

Zur Tagesarbeit: Die Medien in Österreich sind sehr israelkritisch, manche beklagen, dass der „Standard“ zu wenig Aufklärungsarbeit leisten würde, im Gegenteil: dass auch im „Standard“ die Berichterstattung überkritisch gegenüber Israel sei. Das stößt in der „jüdischen Gasse“ auf wenig Verständnis.
Der „Standard“ ist kein Organ einer politischen Gruppierung oder einer Interessengruppe. Daran ändert auch das Faktum nichts, dass ich Jude bin und in Israel geboren wurde. Wir schreiben ausgewogen. Aus Israel berichtet mit Ben Segenreich ein sehr guter Korrespondent. Israel kann bei uns keine Sonderstellung einnehmen. Wir sind eine österreichische Tageszeitung.

Vom „Standard“ wird gefordert, dem latenten Antisemitismus und der anti-israelischen Stimmung in Österreich mehr entgegenzusetzen. Es gibt manchmal Vorwürfe, dass der „Standard“ da sozusagen „auslässt“.
Einem militanten Zionisten wird man es sicher nicht recht machen können. Das ist auch nicht unser Ziel, wir berichten über die Region, auch aus den arabischen Ländern. Gudrun Harrer ist eine außenpolitische Expertin, sie ist Arabistin, spricht aber auch hebräisch und hat hervorragende Kontakte nach Israel. Ich kann nur sagen, dass ich nicht immer einer Meinung mit allem bin, was bei uns erscheint, aber das betrifft nicht nur Israel. Der „Standard“ ist eine unabhängige Zeitung und diese Unabhängigkeit, auch von meinen persönlichen Vorlieben, wird täglich gelebt. Gelegentlich wundern sich Freunde, dass auch über sie kritisch berichtet wird, und ich frage dann immer, wie stellt ihr euch das vor? Dass ich ein schwarzes Brett einrichte und den Journalisten sage, das sind meine Freunde, über die muss positiv berichtet werden. Ich sehe jedenfalls nicht, dass der „Standard“ eine anti-israelische Linie hat, das wäre auch nicht der Blattlinie entsprechend und da würde ich eingreifen. Wenn Kritisches gebracht wird, dann stammt es zumeist aus israelischen Medien. Seit Haaretz im Internet zu lesen ist, kann das auch jeder überprüfen. Wir geben die Diskussion innerhalb Israels wieder und die ist durchaus kritisch.

Wie hat sich der Medienmarkt in den Jahren seit Ihrem Einstieg in den Zeitungsmarkt verändert?
Österreich ist medial sicher ein normaleres Land geworden. Bis in die 70er Jahre haben Parteizeitungen eine große Rolle gespielt, die meisten Zeitungen waren einer Partei oder einer Interessengruppe zuzuordnen. Das hat sich geändert. Der zweite Aspekt ist, dass es heute einen unabhängigen Qualitätssektor gibt, zu dem ich sicher einiges beigetragen habe mit „profil“, „trend“ und „Standard“. Leider gibt es aber auch eine enorme Boulevardisierung, die Kronen Zeitung spielt eine dominierende Rolle und es gibt heute viel mehr Boulevardmedien. Und es gibt etwas, dass ich besonders anprangere, das ist die Medienkonzentration, die vermutlich in der zivilisierten Welt einmalig ist.

Kann ein österreichischer Politiker diese Konzentration überhaupt noch zerschlagen? Würden sich diese Medien nicht sofort gegen ihn wenden, sodass der Versuch scheitern würde? Gibt es einen Ausweg aus der Medienkonzentration?
Das setzt Zivilcourage voraus und ich glaube, das ist in Österreich nicht der mainstream. Ich habe schon in den frühen 1970er Jahren vor der sich abzeichnenden Konzentration gewarnt, und davor, dass es im Nachhinein für die Politik sehr schwer wird, das zu ändern. Dass es dann noch ärger geworden ist, weil sich immer mehr Politiker arrangiert haben, gehört leider auch dazu. Jeder glaubt sich für den Moment einen Vorteil herauszuholen. Das ist der klassische Unterschied zwischen Politikern und Staatsmännern. Der Politiker denkt an die nächste Wahl, der Staatsmann denkt an die Zukunft. Wir haben viele Politiker, die nur an die nächste Wahl denken und sich arrangieren wollen. So schaut es hier halt aus.

Und was sagen Sie zum Brief von Faymann und Gusenbauer an Dichand?
Wie immer man zu Schwarz-Blau gestanden ist, da muss man Schüssel Tribut zollen, dass er gegen die Wünsche der „Krone“ gehandelt hat. Und damit auch unter Beweis gestellt hat, was mit Gestaltungswillen zu erreichen ist. Aber es ist leichter sich zu arrangieren. Das Ausmaß, mit dem sich die SPÖ anbiedert, und da meine ich nicht den Brief an die Kronen Zeitung, sondern den Inhalt des Briefs, das ist beängstigend. Und sollte das erfolgreich sein, bin ich sehr pessimistisch, denn dann werden in allen Parteien nur noch die agieren können, die bei so etwas mitspielen. Ein Politiker muss sehr mutig sein, um dagegen aufzutreten.

Ist es für den „Standard“ von Bedeutung, welche Regierungszusammensetzung es nach der Wahl geben wird?
Nein, und ich habe auch keine Ahnung, wie die Wahl ausgehen wird.

Sie haben in einem Interview gesagt: „Ich mag keine Stagnation. Ich bin einfach ein Mensch, der gerne aufbaut, und ich hab noch viele Pläne.“ Wie schauen diese Pläne aus?
Einen der Pläne habe ich gerade realisiert, indem ich die Anteile der Süddeutschen zurückgekauft habe. Der Hintergrund dafür ist, dass der „Standard“ aus zwei Firmen besteht, aus der Zeitung einerseits und dem Online- Bereich andererseits. Im Gegensatz zu anderen Zeitungen ist bei uns der Online- Teil eine eigenständige und auch sehr erfolgreiche Firma. Wir führen die beiden Teile jetzt mittels einer Holding zusammen, damit die weiterhin selbstständig agierenden Einheiten besser zusammenarbeiten können. Viele Zeitungen hatten Angst vor dem Aufbau einer Online-Redaktion gehabt, weil sie fürchteten, die eigene Zeitung zu kannibalisieren. Mein Credo hingegen war immer, wenn denn schon jemand die Zeitung kannibalisieren sollte, ist es mir lieber, ich mache es selber als jemand anderer. Und letztendlich hat sich gezeigt, dass der Zeitung überhaupt kein Schaden entstanden ist. Das Ziel sind jetzt gemeinsame Projekte, sowohl in journalistischer als auch in werblicher Hinsicht.

Wenn Sie Ihr bisheriges Leben Revue passieren lassen, gibt es da etwas, das Sie anders machen würden?
Ich habe einiges gemacht in meinem Leben, darunter auch einige Fehler. Aber ich bin froh darüber, dass der Saldo positiv ist, also die richtigen Entscheidungen die Fehler übertreffen. Ich habe beruflich richtig entschieden und meine 13 Jahre dazwischen in New York, wo ich mich mit dem Malen befassen konnte, waren eine wunderbare Zeit. Das Malen ist mir immer wichtig gewesen, sodass ich mir in meiner Jugend schon die Frage gestellt habe, in welche Richtung ich gehen sollte: Malen oder Schreiben. Schließlich bin ich dann im Journalismus gelandet. Insgesamt habe ich sehr viel Glück gehabt in meinem Leben. Das lässt sich schwer planen.

Ihr Leben in zwanzig Jahren, wo sehen Sie sich?
Ein Vorteil meines Rückzugs aus der operativen Tätigkeit ist sicher, dass ich den Kopf frei bekomme, um zu malen. Ich habe mir ein Atelier eingerichtet, das wartet auf mich.

Destination?
Wien.

 

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