Genussesser statt Notesser

Nach jahrelangem Tauziehen um die Zukunft des „Alef-Alef“ steht endlich ein Neustart bevor. Künftig wird der frühere Stahlunternehmer Edward Ferszt das Restaurant leiten. Als Mentor für den Start hat er den Gastronomen Shalom Bernholtz gefunden. NU hat mit den beiden gesprochen und einen kleinen Vorgeschmack bekommen.
Von Danielle Spera (Interview) und Jacqueline Godany (Fotos)

NU: Herr Ferszt, Sie kommen aus der Stahlbranche in ein völlig neues Metier. Was hat Sie dazu veranlasst?

Ferszt: 40 Jahre lang habe ich in der Stahlbranche gearbeitet und war jeden Tag glücklich dort. Es gab schwierige Zeiten und es gab gute Zeiten. Obwohl mir meine Arbeit Spaß gemacht hat, hatte ich immer zwei Träume: Eines war die Produktion von Judaica. Das habe ich dann auch umgesetzt und einige Chanukkah-Leuchter produziert, allerdings als Hobby. Mein zweiter Traum war, in der Gastronomie tätig zu sein, diesen Traum erfülle ich mir jetzt.

Woher kam das Interesse an der Gastronomie?

Ferszt: Ich esse sehr gern, ich koche auch gern, und ich mache Menschen gern glücklich. In der Gastronomie kann ich all das unter einen Hut bringen.

Darauf bereiten Sie sich gerade intensiv vor.

Ferszt: In den vergangenen Monaten habe ich zahlreiche Gastronomiekurse besucht, dabei viel Interessantes dort gelernt und mir theoretische Informationen geholt. Ich bin auch sehr froh, dass ich Shalom Bernholtz als Mentor habe. Er ist ein erfahrener Gastronom. Er hat im Alef- Alef tausende Leute zufriedengestellt mit Speisen, die bekömmlich und gut waren.

Wie ist das, wenn man sozusagen wieder in die Schule geht?

Ferszt: Es war für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Ich bin vor kurzem mit 65 in Pension gegangen und hatte meine Zweifel, ob dieser alte löchrige Kopf noch Inhalte aufnehmen kann. Aber ich konnte die Prüfung mit sehr gutem Erfolg ablegen.

Das Alef-Alef ist ein eingeführter Betrieb, der die klassischen jüdischen Speisen anbietet, wird es jetzt neue Angebote geben?

Ferszt: Ja, und zwar in drei Richtungen. Einmal möchten wir österreichische Küche, koscher natürlich, für Touristen anbieten. Ich habe vor kurzem in Barcelona zwei koschere Restaurants nebeneinander gesehen. Das eine hat Humus und Tchina angeboten, das andere Paella. Natürlich bin ich in das Restaurant mit den spanischen Spezialitäten gegangen. Genau dasselbe möchten wir hier machen. Das heißt, wenn Touristen nach Wien kommen, möchten wir ihnen Wiener Küche bieten, Wiener Schnitzel, Gulasch, Apfelstrudel, Tafelspitz – serviert, wie es sich gehört, in einer Kasserolle mit Suppe. Für die österreichischen Nichtjuden werden wir jüdische Spezialitäten auf der Karte haben: Gefillte Fisch oder gehackte Leber, Piroggen etc. Wie die Leute, die Chinesisch und Japanisch essen, sollen sie auch die jüdische Küche kennenlernen.

Wie möchten Sie ein neues Publikum ansprechen?

Ferszt: Wir hatten im Alef-Alef bis jetzt nur „Notesser“, also Menschen, die koscher essen müssen, entweder Touristen oder Leute, die zu Hause keine koschere Küche haben. Wir möchten jetzt die Genussesser dazu gewinnen. Wir wollen die Gäste nicht nur zufrieden stellen, sondern sie begeistern.

Wenn wir jetzt über die Kashrut sprechen, limitiert sie in einem Restaurant eher oder ist sie eine Chance, auch einmal neugierige Gäste anzuziehen?

Ferszt: Wir möchten ein gutes Restaurant machen, das auch koscher ist. Dementsprechend limitiert uns die Kashrut nicht. Wir können kein Gulasch mit Rahm anbieten, das ist aber keine große Beeinträchtigung.

Was wird sich an der Inneneinrichtung verändern?

Ferszt: Vor allem der Eingangsbereich ist nicht sehr einladend. Diesen Teil werden wir völlig umgestalten. Es soll eine Lounge-Atmosphäre geschaffen werden, für Gäste, die nur etwas trinken oder eine Kleinigkeit essen wollen.

Gibt es Trends in der koscheren Küche international? Es wird ja heftig diskutiert, dass man weniger Fleisch essen soll. Schlägt sich das auch in der koscheren Küche nieder?

Bernholtz: Im Gegenteil, unsere Gäste wollen das! Das jüdische Essen ist voll mit Fleisch, das erlebe ich nicht nur in Wien, sondern auch in meinem Restaurant in Krakau. Da sind unter 1.500 Gästen vielleicht fünf Prozent Vegetarier.

Ferszt: Die Welt der koscheren Restaurants teilt sich in zwei große Lager: in milchig und fleischig. Die fleischigen Restaurants arbeiten klarerweise sehr viel mit Fleisch. Wir werden auch Fischgerichte und Vegetarisches anbieten. Die jüdische Küche ist eine schwere Küche, aber man kann sie genussvoll einmal in der Woche konsumieren, ohne seine Gesundheit zu gefährden.

Was bedeutet Essen für Sie persönlich?

Ferszt: Für mich bedeutet Essen Genuss. Für mich bedeutet Essen nicht Nahrungsaufnahme, sondern angenehme Nahrungsaufnahme.
Bernholtz: Also, ich esse nur sehr gesund. Salate, Fisch, wenig Fleisch. Nur am Schabbes, da esse ich viel und mit Genuss. Meine Lieblingsspeise ist Topfen.

Haben Sie eine Lieblingsspeise?

Ferszt: Ja, alles was mit Kartoffeln produziert wird.

Kartoffeln essen Kinder auch gern. Werden Sie ein spezielles Angebot für Kinder haben? Vielleicht auch einen kleinen Kinderbereich, wo Kinder sich wohlfühlen?

Ferszt: Klar, ich bin ja ein sehr erfahrener Großvater. Speisen, die ich als Kind schon gegessen habe, die werden wir jetzt wieder produzieren, z. B. Spieße, die man sowohl milchig mit Käse und Brot als auch fleischig mit Würsteln machen kann.

Wir treffen uns heute in einem Ihrer Lieblingscafés, im Café Imperial. Werden Sie später dann überhaupt noch irgendwo anders hingehen?

Ferszt: Ich werde sicher meistens im Alef-Alef sein. Mein Leben wird sich aber nicht total ändern. In der Nähe des Café Imperial ist der Musikverein, da gehe ich oft hin und das werde ich beibehalten, aber auch in der Gastronomie unterwegs sein, erstens einmal, um mich zu entspannen und zweitens einmal, um neue Trends als Inspiration mitzunehmen.

Wann geht es los?

Bernholtz: Wir starten mit dem Umbau gleich nach Pessach.

Da kann man Ihnen nur ganz viel Erfolg und Glück wünschen, Masel tov, wenn man das schon vorher sagen darf.

Bernholtz: Immer! Vorher, nachher … Masel braucht jeder.

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