Freunde, das Leben ist lebenswert

Wenige Tage vor Pessach startet eines der spannendsten neuen Kulturprojekte in Wien: das stadtTheater von Anita Ammersfeld. Die völlig neu konzipierten Räume der früheren „Kleinen Komödie“ stehen ab 20. April als Theater und Ort der kulturellen Begegnung offen. Die erste Premiere im neu eröffneten Haus befasst sich mit der Geschichte dreier jüdischer Künstler, die das Kulturleben Österreichs vor 1938 wesentlich mit geprägt haben. Die Nazis machten dem ein jähes Ende. Stolz auf das Erbe, nicht auf die Schöpfer.
Von Danielle Spera

Fritz Grünbaum, Hermann Leopoldi und Fritz Löhner – Namen, die aus dem Kulturerbe der Zwischenkriegszeit nicht mehr wegzudenken sind.Fritz Löhner-Beda war der wohl berühmteste Schlagertexter (z. B. „Ausgerechnet Bananen“, „Was machst Du mit dem Knie, lieber Hans“) und Operettenlibrettist der 1920er und 1930er Jahre. Franz Lehár verdankt einen großen Teil seines Weltruhms seinem Librettisten Löhner. 1938 verschleppten die Nazis Löhner im so genannten „Prominenten-Transport Nr. 1“ nach Deutschland. Löhner hoffte, dass Lehár, der einer von Hitlers Lieblingskomponisten war, sich für ihn einsetzen würde. Ein verhängnisvoller Irrtum. Fritz Löhner wurde in Auschwitz erschlagen. Im Lager hatte er seinen vielleicht wichtigsten Text geschrieben: „Das Lied der Häftlinge von Buchenwald.“ Fritz Grünbaum, Conférencier und Kabarettist, war ebenfalls als Texter erfolgreich – „Ich hab das Fräul’n Helen baden sehn“. Gemeinsam mit Karl Farkas etabliert er die Doppelconférence als wunderbares Element des Kabaretts. Kurz vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich, am 10. März 1938, treten Fritz Grünbaum und Karl Farkas ein letztes Mal im Simpl auf. Farkas gelingt die Ausreise, Grünbaum wird deportiert und stirbt im Konzentrationslager Dachau. Seine Wohnung wird „arisiert“, 453 Werke des passionierten Kunstsammlers (darunter Dürer, Rembrandt, Degas, Spitzweg, Kokoschka, 60 Arbeiten von Schiele) sowie seine Bibliothek zwangsverkauft. Verkaufsweg und Verbleib der Grünbaum-Sammlung konnten bis auf Schieles „Tote Stadt III“ bis heute nicht nachvollzogen werden. Hermann Leopoldi war Komponist von Wiener Liedern. Er schuf die Musik zu vielen bekannten Schlagern und Wienerliedern, wie z. B. „In einem kleinen Café in Hernals“, „Schön ist so ein Ringelspiel“, „Der stille Zecher“, „Powidltatschkerln“, oder „Schnucki, ach Schnucki, fahr ma nach Kentucky“. 1937 erhielt er noch das Silberne Verdienstzeichen der Republik, 1938 wurde er ins KZ Dachau, später ins KZ Buchenwald deportiert wo er auch das Buchenwald-Lied komponierte. Er konnte freigekauft werden und emigrierte 1939 in die USA. 1947 kehrte er auf Einladung von Bürgermeister Körner nach Wien zurück.Löhner, Grünbaum, Leopoldi: Die Werke, die sie geschaffen haben, gelten als „urwienerisch“. Nur den wenigsten, die heute ihre Lieder beim Heurigen oder in der Operette hören, ist bewusst, dass die Schöpfer dieser Texte und Melodien Juden waren. Den Nazis war das nicht verborgen geblieben, das Leben der drei Künstlerfreunde war mit 1938 zerstört.Die Geschichte der drei Freunde ist Basis für das Theaterstück von Charles Lewinsky mit dem bitter-ironischen Titel „Freunde, das Leben ist lebenswert“, das 2001 uraufgeführt wurde. Es stellt den drei jüdischen Künstlern mit dem Chauffeur Prohaska einen überzeugten Nazi entgegen, der zwar Fritz Löhners Kunstfertigkeit bewundert, ihn aber aus seiner rassistischen Ideologie heraus verachtet. Lewinsky beschreibt das Schicksal der Künstler, denen allmählich jeder Stolz ausgetrieben wird und die zu retten versuchen, was sie von ihren Peinigern unterscheidet: Freundschaft und Humor. Selbst das misslingt. Lewinsky versucht auch der Frage nachzugehen, wie aus einem durchschnittlichen Menschen mit einem Mal ein Zerstörer, ein Folterer, ein Mörder werden kann. Die SS-Leute in seinem Stück schwärmen von deutscher Kultur, während sie diejenigen verfolgen, deren Lieder sie so gerne hören. Lewinskys Stück ist bisher nur in Deutschland gezeigt worden. Dabei behandelt es ein Thema, das unbedingt nach Österreich, vor allem nach Wien gehört. Denn es zeigt exemplarisch den Umgang Österreichs mit seinen jüdischen Bürgern. So wie ehemals aus Österreich vertriebene Juden, die, sobald sie später – z. B. als US-Bürger – den Nobelpreis erhalten, im österreichischen Kleinformat sofort zu Österreichern mutieren, wurden die Werke Löhners, Grünbaums und Leopoldis als „ursprünglich österreichisch“ aufgenommen. Das Schicksal der drei Künstler hat aber hier kaum jemanden interessiert und ist zunehmend in Vergessenheit geraten. Charles Lewinsky wurde 1946 in Zürich geboren. Als Dramaturg und Regisseur arbeitete er an verschiedenen Bühnen, bis er Redakteur beim Fernsehen wurde. Inzwischen ist Lewinsky auch als Autor von TV-Shows, Romanen und Bühnenstücken erfolgreich. Sein Stück „Freunde, das Leben ist lebenswert“ zeigt die große künstlerische Leistung von drei Menschen und gleichzeitig ihr persönliches Schicksal in den dunkelsten Stunden des Landes, das sich im Jahr 2005 der Aufarbeitung seiner Geschichte stellen will. INFO stadtTheater Premiere ist am 20. April 2005, 20 Uhr

Mitwirkende u. a.: Hannes Gastinger, Johannes Seilern, Thomas Declaude, Sebastian Eckhardt, Marcus Thill, Sascha Oskar Weis

Regie: Charles Lewinsky;

Musikalische Leitung: Roman Grinberg

Bühnenbild: Hans Kudlich

Tickets erhältlich unter Tel. 512 42 00

Kartenpreise: von 19 bis 34 Euro

stadtTheater Walfischgasse 4, 1010 Wien

Tel.: 512 42 00 info@stadttheater.org

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