Ein roter Teppich, posthum aufgerollt

Die Kronen Zeitung streute Simon Wiesenthal anlässlich seines Ablebens im September posthum Rosen. Im Gegensatz dazu steht die lange Kampagne des Massenblatts gegen den Nazi-Jäger, die Mitte der 1970er Jahre ihren Höhepunkt erreichte. Einer der Autoren, damals wie heute: Cato alias Hans Dichand.
Von Erwin Javor

EINST 10. Oktober 1975:Peter Gnam, noch heute innenpolitischer Redakteur der “Krone”, zur Causa Peter: “Nazi-Jäger Simon Wiesenthal behauptete gestern vor Journalisten in Wien, Peter wäre im Zweiten Weltkrieg bei einer SS-Einheit gewesen, die Frauen und Kinder im besetzten Russland ermordet hat. Diese, anscheinend von langer Hand für den Fall einer rot-blauen Koalition vorbereiteten Beschuldigungen wies Peter scharf zurück: Er habe nie an Erschießungen oder sonstigen Repressalien teilgenommen.” 11. Oktober 1975: Hans Dichand alias Cato zur Causa Peter: “Simon Wiesenthal wird fälschlich als Eichmann-Jäger bezeichnet, obgleich man heute weiß, dass es der staatliche israelische Geheimdienst gewesen ist, der mit Hilfe eines deutschen Staatsanwaltes Eichmann ausforschte und entführte. Wiesenthal hat mit diesen Vorgängen nichts zu tun. Dagegen jagt er sehr intensiv den FPÖ-Parteiobmann Friedrich Peter. Wiesenthal enthüllt, dass Peter im Krieg seinen Wehrdienst bei einer berüchtigten SS-Einheit ableistete, die im Hinterland auf Banditen, Juden und Zigeuner Jagd gemacht hat. Peter leugnet nicht, der genannten Einheit angehört zu haben, erklärt aber, nie an Erschießungen oder ähnlichen Aktionen teilgenommen zu haben … ” Und weiter: “Will man Peter heute, nach mehr als dreißig Jahren, für die bösen Taten seiner Einheit verantwortlich machen? Er war damals einundzwanzig Jahre alt. Die Veröffentlichung allein muss schon als Kollektivurteil empfunden werden, das nach Rechtssprechung und Volksempfinden unzulässig ist. Dazu der Zeitpunkt: Ging es darum, die Schuld eines Menschen zu ergründen oder auf hintergründige Weise jenen Politiker zu treffen, der Peter bei einem etwas anderen Wahlausgang eventuell zum Vizekanzler gemacht hätte? Politik mit Enthüllungen? Das wäre eine Art, Politik zu machen, wie wir sie in Österreich ablehnen.” 12. Oktober 1975: Richard Nimmerrichter alias Staberl: “Das ist die frisch-fröhliche Peter-Hatz, die eine der überflüssigsten Figuren auf der österreichischen Szene, Wiesenthal also, jetzt angefangen hat … Vor allem dient das Ganze der Eitelkeit und dem nachgerade schon unerträglichen Geltungsbedürfnis des Simon Wiesenthal.” 19. Oktober 1975: Hans Mahr, später großer Aufsteiger bei RTL, heute Vorstand der Premiere AG, in der Kolumne “Politik inoffiziell”: “FP-Chef Peter macht sich indes in Südtirol mehr Sorgen über die Gegenwart: etwa über das Aufflammen des Antisemitismus im Anschluss an die Wiesenthal-,Enthüllungen’: Zwanzig Jahre wird gegen den Antisemitismus gekämpft – und jetzt das!” Und dann etwas rätselhaft: “Es sind nicht meine Geister, die da gerufen wurden …” 19. Oktober 1975: Viktor Reimann, Gründungsmitglied der VdU, Vorgänger-Partei der FPÖ, zur Sacharow-Anhörung: “Einen Schönheitsfehler hat dieses Tribunal allerdings. Dem Untersuchungskomitee gehört nämlich auch Ingenieur Simon Wiesenthal an, der meines Erachtens dort falsch am Platz ist. War Wiesenthal vor dreißig Jahren ein Verfolgter, so ist er seit dreißig Jahren dem Lager der Verfolger beizuzählen. Sicherlich, ein Vergleich zwischen den in der Sowjetunion Verfolgten und den Verbrechern des NS-Regimes, auf deren Spur sich Wiesenthal gesetzt hat, käme einer Blasphemie gleich, und es ist deshalb Wiesenthal auch kein Vorwurf zu machen, wenn er in der Verfolgung von Naziverbrechern seine Lebensaufgabe sieht. Man muss allerdings für eine solche Lebensaufgabe einen eigenen Charakter haben, weil der Mensch im Allgemeinen eher zur Versöhnung neigt. Im Alten Testament werden an mehreren Stellen Hass und Rache verurteilt, und jüdische KZ-Häftlinge haben in einem der ergreifendsten Appelle, die je verfasst wurden, dem Hass abgeschworen.” Und weiter: “Doch jedem Menschen sein Pläsier, noch dazu, wenn man davon ganz gut leben kann …” 28. Oktober 1975: Leserbrief, anonym: “Schauen Sie, dass dieses … Wiesenthal, dieser …, diese größte … Österreichs, nur aus Österreich fortkommt!” Die Leserbrief-Redaktion fügte an dieses Zitat folgende Bemerkung an: “Aus diesem Leserbrief mussten wir auf Grund des Pressegesetzes beleidigende Worte auslassen.” 22. November 1975: Viktor Reimann schreibt: “Wiesenthal und einige ihm hörige Journalisten vertreten die These, dass in Österreich der Antisemitismus, wenn schon nicht offen, so doch heimlich blüht.” 2. Dezember 1975: Schlagzeile auf Seite 3: “So wird Österreich beschimpft!” Darunter wird festgehalten: “Wiesenthal im Ausland: Nazis in Regierung, die meisten Kriegsverbrecher aus Österreich.” 6. Dezember 1975: Viktor Reimann schreibt: “Wiesenthal ist ein seltsamer Fall. Der Mann will nicht nur gefürchtet, sondern auch bewundert, ja geliebt werden, wenigstens von seinen jüdischen Mitbürgern. Da seine Tätigkeit immer unwichtiger und problematischer wird, ringt er wie besessen um Anerkennung. Noch immer kämpft der jüdische Staat Israel um seine Existenz und benötigt deshalb das Gerede vom Antisemitismus in Österreich, wenn die Vertreter der größten Staaten der Welt wie Chinas, Indiens oder der Sowjetunion für die schändliche Zionismusresolution in der UNOstimmten.” HEUTE 21. September 2005: Der innenpolitische Redakteur Dieter Kindermann schreibt unter dem Titel “Simon Wiesenthal kämpfte bis zuletzt gegen das Vergessen!”: “Er war unbestechlich, unbequem, eine moralische Autorität. Und die setzte er voll ein, um zu verhindern, dass der Holocaust jemals vergessen wird. Mit dem Credo Recht, nicht Rache spürte er weltweit NS-Verbrecher auf – allen voran Adolf Eichmann.” Etwas später hält Kindermann in seinem Nachruf fest: “Es gibt keine größere Sünde als das Vergessen, erklärte immer wieder Simon Wiesenthal. Und so eröffnete er 1961 sein Dokumentationszentrum wieder – diesmal in einem kleinen Büro in Wien. Mit Fahndungserfolgen, die weltweit Aufsehen erregten. Er gab den entscheidenden Hinweis zur Verhaftung von Hitlers Holocaust-Organisator Adolf Eichmann in Argentinien … Für Wiesenthal gab es keine Kollektivschuld – nur eine individuelle Schuld.” 22. September 2005: Leserbrief von Ing. Harald Schober aus Weiz: “Ein Kämpfer gegen das Vergessen ist tot. Simon Wiesenthal fühlte sich als Überlebender nicht bloß den Toten gegenüber verpflichtet, sondern auch künftigen Generationen. Er wollte Recht, nicht Rache, er wollte Aufklärung und Bewusstmachung als Mittel gegen einen möglichen Rückfall in die Barbarei.” 25. September 2005: Hans Dichand selbst greift in die Tasten und schreibt unter seinem Pseudonym Cato unter dem Titel “Gegen uns alle”: “Unser ständiger Krone-Korrespondent in New York, Hans Janitschek, berichtete uns, dass die New York Times, also eine der mächtigsten Zeitungen Amerikas, Simon Wiesenthal selbst nach seinem Tode kritisiert. Das ist unanständig, und so wollen wir es gar nicht wiederholen. Natürlich geht es auch wieder gegen Kurt Waldheim los. Das Wall Street Journal bezeichnet in einem Leitartikel den Alt-Bundespräsidenten als ehemaligen SS-Offizier. Vielleicht noch in Erinnerung ist, dass die New York Post Waldheim als SS-Schlächter beschimpfte. Das sind sehr beleidigende Falschmeldungen, denn Waldheim war nie bei der SS. Wäre es nicht an der Zeit, dass die österreichische Regierung dagegen etwas unternimmt, dass man dem österreichischen Volk zutraut, einen SS-Schlächter zum Bundespräsidenten gewählt zu haben?”

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