Ein Heimspiel als Megaevent

Wichtig nicht nur für die Stimmung: die perfekt inszenierte Show mit allerhand Hörenswertem.

Das AIPAC (American Israel Public Affairs Committee) gilt mit seinen mehr als hunderttausend Mitgliedern als besonders mächtige Lobby-Organisation. Kaum ein Ereignis spiegelt das selbstbewusste amerikanische Judentum besser wider als die Anfang März perfekt inszenierte Konferenz in Washington

Zugegeben, man macht sich mit einem etwas flauen Gefühl auf den Weg zu dieser Großveranstaltung. Die proisraelische Lobby-Organisation AIPAC hat eine bedeutende Anhängerschaft in der amerikanisch-jüdischen Community und gilt als eine der bedeutendsten Lobbys der USA überhaupt. Zur Konferenz 2020 sind sage und schreibe 18.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angesagt. Das sind fast doppelt so viele Leute als in die Wiener Stadthalle passen. Und es sind mehr als doppelt so viele als insgesamt Juden in Österreich leben.

Diese Menge strömt an einem Wochenende im März 2020 in Washington D.C. zum gigantischen Walter E. Washington Convention Center. Ziemlich alle auf einmal, zur Registrierung, zur Sicherheitskontrolle und in die verschiedenen Sektoren der riesigen Haupthalle. Ein Unterfangen, das hierzulande als absolut unbewältigbar gelten würde. Man glaubt es nicht: Wir sind zu viert – und binnen 15 Minuten auf unseren Sitzplätzen. Das Geheimnis dahinter: Es gibt in den USA eigene Consultants, die auf die Steuerung solch großer Menschenmengen spezialisiert sind, und ein ganzes Heer an Helfern.

Die Inszenierung ist überwältigend: Auf riesigen Videoscreens wird eine grandiose Light & Sound-Show abgezogen, alles in perfekter Regie und Qualität. Eröffnet wird mit einer sehr stimmungsvollen Havdalah-Zeremonie (zum Schabbat-Ausgang). Danach die Vorpremiere der dritten Staffel der höchst erfolgreichen israelischen Netflix-Serie Fauda. Live anwesend die Hauptdarstellerin Rona-Lee Shim’on.

Selbstsicherer Netanjahu

Das Grundgerüst der folgenden zwei Konferenztage ist gleich: Es gibt jeweils eine Morgen- und Nachmittagssession in der Haupthalle, bei der vor allem amerikanische, israelische und einige wenige internationale Politstars auftreten. Die Israelis sind dieses Mal lediglich über Live-Schaltungen oder Videobotschaften vertreten, da in Israel zur gleichen Zeit (wieder einmal) gewählt wird. Für den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu ist es ganz offensichtlich ein Heimspiel. Selbstsicher und in fehlerfreiem amerikanischem Englisch bedient er das Publikum, das begeistert an seinen Lippen hängt. Keine Frage, wer hier die Wahlen gewänne.

Aus den USA treten mehrere Spitzenpolitiker live auf: Angefangen mit dem sehr offiziell inszenierten Vizepräsidenten Mike Pence, der mit dem Hubschrauber auf dem Dach des Convention Centers landet. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden liefert eine etwas blutleere Videobotschaft ab. Humorvoll und gut vorbereitet der zu diesem Zeitpunkt sich ebenfalls noch im Rennen befindliche Michael Bloomberg. Beide Demokraten erhalten durchaus starke Zustimmung und Applaus im Publikum, obwohl die AIPAC heute als sehr konservativ – also Republikaner- und Likud-lastig – gilt.

Merken muss man sich wohl den demokratischen Senator von New Jersey, Cory Booker. Ganz im Stil des früheren US-Präsidenten Barack Obama reißt er mit seiner sehr amerikanisch-kirchlichen Rede das überwiegend jüdische Publikum von den Stühlen.

Unbeliebter Sanders

Der demokratische Kandidat Bernie Sanders hingegen verweigert die Teilnahme und twittert: „Ich bin weiterhin besorgt darüber, dass die AIPAC Leadern eine Plattform bietet, die bigott sind und gegen grundlegende Rechte für Palästinenser sind.“ In einer Diskussion darauf angesprochen, äußert sich Sanders noch deutlicher: „Ich bin stolz jüdisch zu sein. Ich habe sogar einige Monate in Israel gelebt. Aber momentan bin ich der Auffassung, dass trauriger- und tragischerweise in Israel mit Bibi Netanjahu ein reaktionärer Rassist das Land führt.“ Es muss nicht extra erwähnt werden, dass sich Sanders damit beim AIPAC-Publikum nicht sehr beliebt macht.

Eher als Beipack treten die Präsidenten Serbiens, Aleksandar Vučić, und der Demokratischen Republik Kongo, Félix Tshisekedi, auf. Beide betonen die große Freundschaft zu Israel und kündigen die Eröffnung diplomatischer Teil-Repräsentanzen ihrer beider Länder in Jerusalem an. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz war ebenfalls als Stargast geladen, musste aber infolge der Corona-Krise kurzfristig absagen.

Netanjahu
Die wahlkämpfenden Israelis sind diesmal lediglich über Live-Schaltungen vertreten. Kein Problem für Benjamin Netanjahu

Zwischen den Auftritten der Politstars gibt es hunderte Workshops, Stakeholder-Treffen, Networking-Events usw., die ganz offensichtlich zusätzliche Beweggründe für eine Teilnahme an der Jahreskonferenz sind. Die Teilnahmegebühr, gestaffelt von 400 bis 10.000 US-Dollar, ermöglicht den privilegierten Zugang.

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