„Ein guter Mensch ist nicht lustig“

Schaut der Eigenbeschreibung zufolge zwar komisch aus, redet aber wie wir: Michael Niavarani, Chef im "Simpl". © JAN FRANKL

Michael Niavarani begann seine Brettl-Karriere vor vielen Jahren im „Simpl“. Nun ist der halbe Perser auch Chef des ältesten jüdischen Kabaretts in Wien.

Er sei lieber Kasperl und nicht Chef, sagte Michael Niavarani vor nicht allzu langer Zeit über sich selbst. Um dann zur Freude seiner Fangemeinde wortbrüchig zu werden. Überraschend – vor allem für sich selbst, wie er augenzwinkernd meint – kaufte er vor wenigen Monaten das Wiener Traditions-Kabarett „Simpl“ und verschaffte damit dem „Bulli“ ein neues altes Herrl. Nach mehr als 15 Jahren ist Niavarani damit als künstlerischer Leiter zurückgekehrt – in das Haus, mit dem für ihn alles begann: „Wenn ich die Stiegen in der Wollzeile hinuntergehe, fühlt es sich ein bisserl an, als käme ich zu meinen Eltern auf Besuch“, beschreibt er seine Gefühle. „Sich wieder um den Simpl zu kümmern, neue Kabaretttexte für das ‚größenwahnsinnig gewordene Nudelbrett‘ (Karl Farkas) zu schreiben, ist wie nach Hause kommen.“ Der gelernte Schauspieler und geborene Komiker hatte seine Brettl-Karriere im „Simpl“ begonnen, wo er schon im Alter von 25 Jahren Conférencier war, der jüngste in der langen Geschichte des Etablissements. Das einstige Kabarett-Wunderkind ist inzwischen 51 Jahre alt und will in „seinem Haus“ angeblich nur dann spielen, wenn er gerade nichts Besseres vorhat. Aber er schreibt die dort aufgeführten Sketches und hat in der aktuellen Saison auch Regie geführt. 

Mehr Spaß macht es ihm, sich mit geschätzten Kollegen auf die Bühne zu setzen und – mehr oder weniger unvorbereitet – Schmäh zu führen. Regelmäßig tritt Niavarani mit Otto Schenk auf, im Burgtheater hat er einige Abende mit Harald Schmidt bestritten. Sein Humor ist manchmal derb und in jedem Fall schwarz und treffend. Das Publikum ist begeistert. 

Dass auch Shakespeare-Tragödien eine heitere Seite haben können, bewies Niavarani mit seinen komödiantischen Adaptionen von Shakespeare-Klassikern wie Die unglaubliche Tragödie von Richard III. und Romeo und Julia, die dem Tod entronnen, dafür aber in einer langen, allzu langen Ehe gelandet sind. Seine Kinofilme und autobiografischen Bücher sind alle Kassenschlager geworden. Bei seinen jüngsten Auftritten im Wiener Globe-Theater saß Niavarani gemeinsam mit dem Komiker und einstigen Monty-Pythons-Star John Cleese auf der Bühne – und stellte sich seinem britischen Bühnenpartner mit folgenden Worten vor: „I look like a terrorist, but I am a Nazi.“ Was zum einen heißt, dass er Sohn eines Persers und einer Wienerin ist, und zweitens, dass er ganz offensichtlich sein Gegenüber und damit auch das Publikum lustvoll provoziert. Der doppelbödige Schmäh über seine Herkunft gewinnt angesichts seines Simpl-Abenteuers noch zusätzlich an Tiefe: Der persische Wiener ist nun auch Chef des ältesten jüdischen Kabaretts in Wien. 

NU: Das Kabarett Simpl ist das älteste jüdische Kabarett von Wien, manche sagen auch das älteste in Europa.

Michael Niavarani: Es ist auf jeden Fall das älteste durchgängig bespielte Kabarett.

Und Sie sind halber Perser. Man könnte da fast auf die Idee kommen, dass in Österreich doch alles in Ordnung ist, wenn sich diese Kombination mit dem jüdischen Kabarett auf anscheinend sehr harmonische Weise ausgeht. 

Diesen Gedanken habe ich ja schon zum ersten Mal 1993 gehabt, als ich damals künstlerischer Leiter wurde. Dass ein halber Perser in einem katholischen Land ein jüdisches Kabarett übernimmt, hat schon das gewisse Etwas. Ich habe vor ein paar Tagen eine interessante Begegnung gehabt – und zwar bei der Präsentation eines Buches über das Leben eines gewissen Jakob Eduard Polak. Er hat von 1818 bis 1891 gelebt und war Leibarzt des Schahs von Persien. Die Buchautorin hat mich dazu auf der Bühne interviewt. Polak war Jude und stammte aus Böhmen. Er war also, wie man sagt, „a böhmischer Jud‘“, der aus einem katholischen Land in ein islamisches fährt und dort das Medizin- und Krankenhauswesen revolutioniert. Er hat zum ersten Mal im Iran eine organisierte Medizin eingeführt. Ich habe die Autorin bei unserem Gespräch gefragt, ob ihrer Meinung nach so etwas heute noch möglich wäre, und sie verneinte das, weil sich diese Form der wechselseitigen Toleranz, des wechselseitigen Respekts leider mehr rückentwickelt. Und ich bin draufgekommen, dass ich auch böhmische Vorfahren habe. Ich bin also halb persisch, viertel niederösterreichisch und viertel böhmisch – und jetzt eben wieder im jüdischen Kabarett. Ich möchte mich nicht rückentwickeln und meine daher: das geht problemlos.

In einer „Rat-Pack“-Show fragte Dean Martin seinen Kollegen Sammy Davis, Jr., warum er als Schwarzer den jüdischen Glauben angenommen habe und meinte: „Wasn’t it enough for you to be black?“ An Sie gerichtet, könnte die Frage lauten: Mussten Sie als halber Perser in Österreich auch ein jüdisches Kabarett leiten?

Natürlich musste das sein. Ich wäre jetzt auch noch gerne blind und querschnittgelähmt.

Waren Sie nie mit Vorurteilen konfrontiert?

In meiner Jugend gar nicht. Das lag vielleicht auch daran, dass ich den persischen Teil meiner Herkunft immer stolz vor mir hergetragen und damit angegeben habe, dass meine Familie in Persien große Häuser und Gärten gehabt hätte – was natürlich alles erstunken und erlogen war. Ich glaube aber, dass es hauptsächlich mit der Sprache zusammenhängt, dass ich mich mit Vorurteilen nicht auseinandersetzen musste. Dadurch, dass meine Sprache so wienerisch klingt, kommt niemand auf die Idee, dass ich nicht von hier bin. Die meisten denken sich wahrscheinlich nur: Er schaut zwar komisch aus, aber er redet wie wir. 

Es gibt einen Schüler von Sigmund Freud, Theodor Reik, der ein Buch über das Wesen des jüdischen Humors und des jüdischen Witzes geschrieben hat. Er meint, dass diese Form von Witz gar nicht so speziell jüdisch sei, sondern sowohl Waffe als auch Medizin von Menschen ist, die in Unterdrückung leben müssen. Sehen Sie das auch so?

Darüber haben John Cleese und ich lange auch privat geredet. Wir haben uns die Frage gestellt: Wozu hat die Evolution den Humor entwickelt? Es hat ja alles, was wir Menschen machen, einen evolutionären Sinn. Manchmal liegt dieser Sinn lange zurück und steht uns heute im Weg – wie etwa die Angst vor Fremden. Vor 3000 Jahren war diese Angst wichtig, um für kleine Menschengruppen das Überleben zu sichern. Heute wissen wir durch die Philosophen der Aufklärung, dass wir einander nicht erschlagen müssen, sondern dass wir miteinander reden können. Das sollten wir uns in einer globalen Welt wieder in Erinnerung rufen. Und der Humor ist auch ein Ergebnis der Evolution. John Cleese meinte, dass der Humor dazu da sei, um mit dem Schmerz und der Traurigkeit des Lebens umzugehen. Eigentlich ist der Humor eine Bewältigungsstrategie. 

Sie schreiben ein Kabarettprogramm, das nicht nur humorvoll, sondern auch politisch ist. Könnte man sagen, dass Politiker, die gute Menschen und ohne Fehl und Tadel sind, sofort jeden Humor ersticken würden, weil man in einer idealen Welt ja keinen Humor mehr braucht?

Das ist richtig. Denn der Humor ist eine Zur-Wehr-Setzung, und John Cleese hat dazu auch etwas Gescheites gesagt. Er meinte, eine Komödie kann sich ja nur mit Negativem auseinandersetzen, gegen das der Humor als Strategie eingesetzt werden kann. Eine Komödie über Buddha geht sich da nicht aus, denn die wäre sicher wahnsinnig fad. Ein guter Mensch ist nicht lustig.

Um noch einmal auf Ihr „Simpl“-Programm zu kommen. Sie schreiben Sketches dafür, auch politische. Wird das nicht immer schwieriger?

Wir haben uns schon während der Proben die Option freigehalten, ständig neue Nummern zu schreiben, um auf politische Vorkommnisse reagieren zu können. Doch dann haben wir die Notbremse gezogen und gesagt: Wir werden keine Politiker parodieren und keine großen politischen Nummern machen, denn die waren und sind alle seit August ohnehin jeden Tag acht Stunden im Fernsehen. Wir haben daher Nummern geschrieben, die sich mit der politischen Essenz des Menschseins auseinandersetzen – und das hat dem Programm gutgetan.

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