Die Hoffnung lebt:
Naftali Bennett als Friedensstifter?

Kommentar von Eric Frey

Wenn es eine Gewissheit über die neue israelische Regierung von Naftali Bennett und Yair Lapid gibt, dann die feste Erwartung, dass diese seltsame Koalition von ganz links bis ganz rechts den Stillstand im israelisch-palästinensischen Verhältnis, der so typisch für die Regierungszeit von Benjamin Netanjahu war, prolongieren wird.

Für Netanjahu war der Status quo mit all seinen ungelösten Fragen die beste aller Welten. In der jetzigen Regierung sind die Kräfte, die nach Veränderung rufen, viel stärker. Aber sie heben einander auf. Weder kann Ministerpräsident Bennett und seine Jamina-Partei die Annexion des Westjordanlandes vorantreiben, noch die Arbeitspartei und die links von ihr stehende Meretz Schritte in Richtung einer Beendigung der Besatzung unternehmen. Zusammengehalten wird das Bündnis nur vom Willen, Netanjahus Rückkehr an die Macht zu verhindern. Die politische Resilienz des Ex-Premiers, der seine Likud ebenso beherrscht wie sein Freund Donald Trump die Republikanische Partei, deutet darauf hin, dass auch diese Regierung nicht so schnell verschwinden wird. Daraus kann man schließen, dass das, was vom Nahost-Friedensprozess noch übrig ist, wieder jahrelang auf der Stelle treten wird.

Es gibt ein einziges Szenario, das eine Bewegung mit sich bringen könnte, und zwar in eine überraschende Richtung. Vergessen wir nicht: Von den letzten drei Premierministern aus dem Likud-Lager sind zwei, Ariel Scharon und Ehud Olmert, in ihrer Regierungszeit von ihren starren rechten Positionen abgerückt. Das tat auch die ehemalige Justiz- und Außenministerin Tzipi Livni, die es als Chefin der Kadima-Partei 2008 fast ins Premieramt geschafft hätte. Aus extremen Falken wurden Tauben, die mehr oder weniger bereit waren, mit den Palästinensern einen fairen Deal einzugehen.

Die spannende Frage der heutigen israelischen Politik lautet: Ist eine solche Kehrtwende auch Bennett zuzutrauen? Auf den ersten Blick wirkt Bennett als Friedenspolitiker höchst unglaubwürdig. Er stammt aus der radikalen national-religiösen Siedlerbewegung, stand jahrelang rechts von Netanjahu und trat stets für die Annexion weiter Teile des Westjordanlandes ein, was einen unabhängigen Palästinenserstaat unmöglich machen würde.

Aber es gibt bei Bennett auch eine andere Seite. Der ehemalige IT-Unternehmer gilt als pragmatisch und neigt in seinem Charakter nicht zu Fanatismus. Die Freundschaft, die er mit Lapid eingegangen ist, scheint echt zu sein. Bennett ist klug und hat, anders als sein Vorgänger Netanjahu, nicht nur den eigenen Machterhalt im Sinn.

Es ist kein Zufall, dass so viele Rechtspolitiker, einmal im Amt angekommen, nahostpolitisch nach links wanderten. Die typische rechte Position – Fortsetzung der Besatzung unter Nichtbeachtung der Rechte der Palästinenser – mag zwar populär sein, lässt sich aber mit den Prinzipien einer Demokratie nicht vereinbaren. Für Populisten, die nur Wahlen gewinnen wollen, ist das kein Hindernis. Wer aber Politik langfristig gestalten will und nach nachhaltigen Lösungen strebt, gerät mit dieser Haltung in eine politisch-intellektuelle Sackgasse.

Was den Wandel solcher Politiker und Politikerinnen oft beschleunigt, ist die Reaktion aus dem eigenen Lager. Sie werden bei der ersten Abkehr von radikalen Positionen von früheren Verbündeten angefeindet und wenden sich dann umso schneller ab. Das führt in Israel meist in die politische Wildnis. So ging es zumindest Olmert und Livni; auch Scharon hätte, wäre er nicht vorzeitig ins Koma gefallen, nach dem Abzug aus dem Gazastreifen viel von seiner Popularität eingebüßt.

Noch ist es zu früh zu beurteilen, ob sich Bennett wandeln will und kann. Schon jetzt schlägt ihm Zorn und Hass aus dem rechten Lager entgegen, bloß weil er mit nicht-rechten Parteien koaliert. Für das israelische Friedenslager aber ist er dennoch ein Hoffnungsträger. Denn es ist praktisch ausgeschlossen, dass ein linker oder auch nur zentristischer Politiker je das Land hinter sich vereinen kann, um die für eine Friedenslösung notwendigen Kompromisse zu schließen. Das kann nur ein glaubwürdiger Vertreter der Rechten, der erkennt, dass die Besatzung Israel ins Verderben führt. Die bekannten Vorbilder für einen solchen Wandel sind Charles de Gaulle, der Frankreich aus Algerien herausführte, und Richard Nixon, der Mao in China besuchte. Hat auch Naftali Bennett das Zeug dazu? Eine ganz kleine Hoffnung lebt.

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