Die Gretchenfrage

Was die im Nationalrat vertretenen Parteien zum Judentum zu sagen haben und wie sie sich beim Thema Israel/Naher Osten positionieren, wissen die Wähler. Heuer treten neue Parteien an, deren Einstellungen noch nicht bekannt sind. NU hat sich bei Frank Stronach und Matthias Strolz von den NEOS darüber erkundigt, wie sie es „mit uns Juden halten“.
Von Peter Menasse

Frank Stronach (Team Stronach)
Wenn es voll und ganz nach der Weltbetrachtung des früheren NU-Herausgebers Erwin Javor geht, müssten Juden Frank Stronach wählen. Javor pflegt politische Entscheidungen und Haltungen darauf abzuklopfen, ob sie für Juden gut oder schlecht sind. Danach richtet er seine Präferenzen. Und aus.

Über Frank Stronach wird viel geschrieben im September 2013. Seine Biografie ist bekannt und vermutlich, wie bei anderen Menschen auch, prägend für seine Ansichten. „Ich war ein lediges Kind“, sagt er, was heute in der großen Stadt keiner mehr so sagen würde. Aber im steirischen Kleinsemmering bei Weiz vor 81 Jahren war das ein Makel, den zu überwinden ein Antrieb für den jungen Stronach gewesen sein mag. Er ist weit gekommen, manches aber hat er wohl von damals noch mitgenommen.

Der Vater war Kommunist und als solcher noch vor den Juden unter der ersten Gruppe von Verfolgten, als die Nazis die Macht übernahmen. Das könnte ein Grund für die emotionale Nähe zu Juden sein, die sich bei Stronach heraushören lässt.

Ich erzähle ihm von einem Auftritt des ehemaligen FPÖ- und jetzigen BZÖ-Politikers Ewald Stadler im ORF, bei dem dieser immer wieder von „Herrn Strohsack“ sprach, wohl um eine jüdische Herkunft von Stronach zu konstruieren und ihm damit beim österreichischen Bodensatz an Antisemiten zu schaden. Tatsächlich waren weder Stronachs Mutter Elisabeth Strohsack noch sein Vater Anton Adelmann Juden. Stronach sieht die Ausritte des Herrn Stadler gelassen. „Ich reagiere nicht auf so was“, sagt er voll Ruhe und erhebt sich damit recht elegant über die Wadlbeißerei des rechten Dampfplauderers.

Spricht man Stronach auf das Judentum an, versteht er darunter vor allem Israel. Dieses Land sei ein Vorposten der Demokratie in einem Umfeld, das „eigentlich nicht für democracy ist“. Und er kritisiert, dass Europa Israel als einziges Land der Region mit einer demokratischen Basis so gar nicht unterstütze. Er selbst ist stolz auf sein Ehrendoktorat, das ihm die Universität von Haifa verliehen hat. Alon Ossip, den er als rechte Hand und eigentlichen Geschäftsführer seiner Firma, der „Stronach Group“, bezeichnet, ist ein Israeli.

Fragt man Stronach nach den Antisemiten, die er mit seiner Sympathie zum Judentum als Wähler vergraulen könnte, verweist er darauf, dass er seine Prinzipien nicht verrate. Dann verwendet er einen Ausdruck, der heute schon einigermaßen aus der Mode gekommen ist. Es gäbe viele „Hypokriten“, die man sowieso nicht überzeugen könne. Hypokriten, so weist es Wikipedia aus, sind Heuchler, die ihr Verhalten danach ausrichten, den Mächtigen zu gefallen. Antisemitismus entstehe aus einem Mangel an Information, meint Stronach optimistisch, hier wohl eher von seinen Jahren in Kanada als von einer Kenntnis der Beharrlichkeit österreichischer Vorurteilspfleger geprägt.

Die Frage nach dem Recht auf Beschneidung beantwortet Stronach eindeutig. Es sei Sache der Familie, darüber zu entscheiden, auch weil es keineswegs bewiesen sei, dass die Beschneidung den Buben schade.

Mit der FPÖ habe er keine Verbindung, sagt Stronach, er sehe aber bei ihr mehr Bewegung als bei den Regierungsparteien, die das Land, wie er meint, zugrunde richten würden. Mit Strache habe er aber in keiner Weise irgendetwas gemeinsam.

Stronach ist ein Freund der jüdischen Gemeinde. Er habe in den letzten Jahren „700.000, glaube ich“ gegeben. „Sie haben damit sogar Werbung im Fernsehen gemacht“, bestätigt NU. So viel Mut, sich zur jüdischen Sache zu bekennen, ist tatsächlich außerordentlich in diesem Land. Javors würden vermutlich Stronach wählen.

Matthias Strolz (Neos)
Der Spitzenkandidat der Neos braucht ein wenig Zeit, um die Frage zu beantworten, welche Positionen seine Partei zu Israel und dem Nahen Osten einnimmt. „Wir haben im Bereich der Außenpolitik noch keine sehr detaillierten Positionen, wir haben sehr detaillierte bezüglich EU und Europa“, sagt er und spannt dann einen Bogen von der „Schicksalsgemeinschaft Europa“ zur „Chancengemeinschaft“. Würde NEOS mitzureden haben, würden sie sich für eine aktivere Rolle Österreichs in Europa und der europäischen Union stark machen. Gut so, aber was ist jetzt mit dem Nahen Osten?

Strolz erweitert den Bogen. Er spricht von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Politik der EU auch im Nahen Osten und dass die Neos dazu schon einige Vorschläge hätten.

Erst der Einwand, dass in der EU doch ganz unterschiedliche Meinungen bestünden, führt schließlich zur ehrlichen und für einen Politiker sympathischen, weil unüblichen Aussage, dass es dazu noch keine akkordierte Position in seiner Partei gäbe. Dann aber entwickelt er doch einen analytischen, interessanten und, wie Strolz es nennt, „prozessorientierten“ Zugang: „Ich glaube nicht, dass die Lösungen großartig von außen kommen können, sondern dass Österreich mit seiner, wenn auch schon lange verschütteten Tradition eine aktive Rolle zu spielen hätte, um eine Plattform zur Begegnung zu geben, um hier als Mediator mit am Tisch zu sitzen.“ Na bitte, geht doch.

Einer der Spitzenkandidaten der Neos ist Niko Alm, ein mit religiösem Eifer angebliche Religionsprivilegien bekämpfender Aktivist. Er hat in der Beschneidungsdiskussion harte Worte gefunden und das Verbot der rituellen Beschneidung gefordert. Das sei nicht, so Strolz, Politikinhalt der Neos: „Wir haben eine klare Position zum Thema Religion. Wir sind dafür, dass dieses Recht auf freie Religionsausübung mit allem, was wir haben, zu verteidigen ist. Das ist Demokratie, das halten wir für essenziell.“ Man könne die „Kirchen“ für vieles kritisieren, aber es sei auch wichtig, ihre großartigen Leistungen zu würdigen.

Bleibt die Frage, ob die NEOS, wenn sie in eine starke Position kämen, gemeinsam mit der Freiheitlichen Partei in eine Regierung gehen würden. „Nein“, sagt Strolz, „da tun wir uns schwer, weil wir haben einfach einen anderen Ansatz in der Politik. Wir haben als leitende Grundwerte die Wertschätzung, die Eigenverantwortung, die Authentizität und die Nachhaltigkeit.“ Die FPÖ habe ein Problem bei der Wertschätzung, würde sie doch allzu oft über das Schüren dumpfer Vorurteile politisches Kleingeld machen. „Das wollen wir nicht befördern“, so Strolz, „auch nicht durch eine stehende Kooperation.“ Es wäre jedoch denkbar, im Parlament in Sachfragen zu kooperieren, um den Stillstand zu überwinden, der uns derzeit plage.

Der jüngere Vorarlberger Matthias Strolz wirkt bedächtiger als der alte Herr Stronach. Bei ihm spürt man ruhiges Abwägen und langsames Herantasten, bei „Frank“ festgefügte Ansichten eines Mannes, der seine Positionen mit niemandem in der Partei abzustimmen braucht. Anständig sind sie beide, was ihre Ansichten zu Judentum und Demokratie betrifft. Wer jetzt wen wählen wird, geht uns von NU sowieso nichts an. Und auch gegen Strolz würde Javor vermutlich keinen Einwand finden.

Die mobile Version verlassen