Die fabelhafte Welt des jüdischen Witzes

Von Martin Engelberg

In der Redaktionskonferenz von NU wurde beschlossen, dass ich mich an dieser Stelle nicht zu meiner Kandidatur für die Präsidentschaft der Kultusgemeinde und den bereits laufenden Wahlkampf äußern soll. In guter jüdischer Tradition flüchte ich mich daher in die Welt des Witzes. Der nachstehende, wunderbare und vielen sicher schon lange bekannte Witz hat überhaupt keinen Zusammenhang mit den Wahlen in unserer Gemeinde. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen oder Handlungen ist rein zufällig. Bitte hören Sie an dieser Stelle zu lesen auf, wenn Sie nur im geringsten befürchten müssen, das Lesen des Witzes könnte Sie in Ihrer freien Entscheidung beeinflussen, wen Sie zum nächsten Präsidenten der Kultusgemeinde wählen wollen. Alles klar, also:

Nach monatelangen Verhandlungen mit den Behörden wurde einem Talmudisten aus Odessa endlich die Genehmigung zu einer Reise nach Moskau erteilt. Er steigt in den Zug und findet einen freien Platz. Bei der nächsten Station betritt ein junger Mann das Abteil und setzt sich ihm gegenüber hin. Der Talmudist sieht den jungen Mann an und denkt: Dieser Mann sieht nicht wie ein Bauer aus. Wenn er also kein Bauer ist, dann kommt er aus diesem Distrikt. Wenn er aus diesem Distrikt ist, muss er ein Jude sein, schließlich ist das ein jüdischer Distrikt. Wenn er aber ein Jude ist, wo fährt er hin? Ich bin der einzige Jude in diesem Distrikt, der eine Genehmigung für eine Reise nach Moskau erhalten hat.

Ah, warte! Kurz vor Moskau gibt es das kleine Städtchen Samvet und Juden brauchen keine eigene Genehmigung, um nach Samvet zu fahren. Aber warum würde er nach Samvet fahren? Er fährt sicher zu einer der dort wohnenden jüdischen Familien. Aber wie viele jüdische Familien gibt es in Samvet? Nur zwei – die Bernsteins und die Steinbergs. Aber nachdem die Bernsteins ganz schreckliche Leute sind, muss ein so nett aussehender Mann wie dieser sicher zu den Steinbergs fahren.

Aber warum fährt er zu den Steinbergs in Samvet? Die Steinbergs haben nur Töchter und zwar zwei, also ist es vielleicht ihr Schwiegersohn. Aber wenn er es ist, welche Tochter hat er geheiratet? Man hört, dass Sara Steinberg einen netten Advokaten aus Budapest geheiratet hat und Ester einen Geschäftsmann aus Zhitomer – es muss also Saras Ehemann sein. Sein Name ist Alexander Cohen, wenn ich mich recht erinnere.

Wenn er aber aus Budapest stammt und mit dem ganzen Antisemitismus dort, dann hat er sicher seinen Namen geändert. Was wäre das ungarische Äquivalent für Cohen? Es ist Kovács. Aber wenn sie ihm das Recht gegeben haben, seinen Namen zu ändern, dann muss er einen besonderen Status haben. Was könnte das sein? Es muss ein Doktorat von einer Universität sein, nichts Geringeres.

An dieser Stelle dreht sich der Talmudist zu dem jungen Mann und sagt: „Entschuldigen Sie. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich das Fenster öffne, Herr Dr. Kovács?“ „Ganz und gar nicht“, antwortet der Mitreisende verdattert. „Aber woher kennen Sie meinen Namen?“

„Ah“, antwortet der Talmudist, „das war naheliegend“.

Liebe Redaktionskollegen und Leser: Ich habe leider schlechte Nachrichten. Als ich diesen Witz unlängst auf Facebook postete, fragte sich prompt ein Teilnehmer, was dies wohl im Zusammenhang mit dem Wahlkampf in der Gemeinde bedeutete. Darauf konnte ich nur antworten: Ah, das ist so naheliegend!

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