Der Teufel weiss keine Rache fuer den Tod eines Kindes

Rede von Dr. Nurit Peled-Elhanan, Mutter der bei einem Selbstmordanschlag in Jerusalem im September 1997 getöteten Smada Elhanan, 13. Die Rede wurde am Freitag, dem 8. Juni bei der Mahnwache der Internationalen Frauen in Schwarz gehalten.
Rede von Dr. Nurit Peled-Elhanan

In der letzten Woche haben wir viele Fotos toter Kinder gesehen. Diese Kinder wollten sich nur vergnügen, sie waren sich der Probleme ihres Lebens in diesem Land nicht bewusst. Und das Foto eines anderen Kindes, das sich selbst tötete, als ob es damit sagen wollte‚ lasst mich mit den Philistern sterben. Aber weder dieses Kind noch die anderen waren Philister.

Es waren die Philister, die ihre Kinder mehr als 40 Jahre lang in den Tod schickten. Kinder in Uniform, Kinder in Zivil, Kinder mit Gewehren und Kinder mit Molotow Cocktails, Kinder aus israelischen Kommandos und Kinder der palästinensischen Guerilla. Und das alles um die mörderischen Ambitionen der Philister und ihre Lust auf ein Land, das nicht ihnen gehört zu stillen. Die Philister sind diejenigen, die Mütter wie mich aller Hoffnung beraubt zurücklassen, die unsere Kinder zwingen, sinnlosen Kriege für sie zu führen. Kriege, die angeblich aus Liebe zu diesem Land, aus Liebe zu Gott und zum Wohle der Nation begonnen werden.

Aber in Wahrheit werden diese Kriege nur wegen der Verrücktheit und dem Größenwahn der sogenannten Staatsoberhäupter geführt. Für diese sind Kinder nur abstrakte Begriffe: du tötest eines meiner Kinder, dann töte ich 300 deiner Kinder, und damit ist die Rechnung beglichen.

Aber ich, die meine einzige Tochter verloren hat, weiß, dass der Tod eines Kindes das Ende der Welt bedeutet. „Der Teufel hat sich noch keine Rache für den Tod eines Kindes ausgedacht“, sagte der jüdische Dichter Bialik, aber nicht, weil der Teufel keine Mittel dafür hätte, sondern weil es nach dem Tod eines Kindes keinen weiteren Tod geben kann, da es kein Leben mehr gibt. Das Kind nimmt den Krieg und die Zukunft des Krieges mit in sein kleines Grab, wo beide neben seinen kleinen Knochen begraben liegen.

Als meine kleine Tochter getötet wurde fragte mich ein Reporter, ob ich Beileidsbekundungen von der anderen Seite akzeptieren würde . Ohne Zögern antwortete ich, dass ich keine wolle: als Vertreter der Regierung Netanyahu ihren Kondolenzbesuch abstatteten, ging ich weg, ich wollte nicht mit ihnen zusammen sit- zen. Für mich ist die andere Seite, der Feind, nicht das palästinensische Volk. Für mich ist der Konflikt weder zwischen den Palästinensern und den Israelis, noch zwischen Juden und Arabern. Der Konflikt besteht zwischen jenen, die Frieden und jenen, die Krieg wollen.

Meine Leute sind diejenigen, die den Frieden wollen. Meine Schwestern sind aller Hoffnung beraubte Mütter, israelische und palästinensische Frauen, die in Israel, im Gaza oder in den Flüchtlingslagern leben. Meine Brüder sind die Väter, die versuchen, ihre Kinder von der grausamen Besatzung zu befreien und die, wie ich, erfolglos sind in ihren Bemühungen. Obwohl wir unter verschiedenen Umständen geboren sind und verschiedene Sprachen sprechen, gibt es mehr Vereinendes als Trennendes zwischen uns.

Ich möchte zwei Schlagworte wiederbeleben, die von der israelischen Rechten missbraucht wurden und die seit dem Machtantritt der Rechten nicht wieder gehört worden sind. Das erste ist, dass „Brüder nicht im Stich gelassen werden sollen“. Unsere Brüder und Schwestern in den Flüchtlingslagern und in den besetzten Gebieten, denen es an Essen, Mitteln und aller anderen Menschenrechte mangelt, sollten nicht in Stich gelassen werden. Ein anderes Schlagwort ist: „Das Schließen der Siedlungen zerreißt die Nation“. Das Entwurzeln von Olivenbäumen und Weingärten, die Zerstörung von Häusern und das Konfiszieren von Land wird die schon jetzt gefährdete Spezies der friedensuchenden Menschen gefährden und ihr Aussterben bewirken. Und wenn diese Spezies nicht mehr existiert, wird es nichts mehr zu schreiben, nichts mehr zu lesen, nichts mehr zu sagen geben, außer der stummen Geschichte über den getöteten Jugendlichen.

Heute, wenn es fast keinen Widerstand gegen die Gewalttaten der israelischen Regierung gibt, wenn sich das israelische Friedenslager in Luft aufgelöst hat, muss sich eine Stimme erheben, eine Stimme, die so alt ist wie die Menschheit, eine Stimme, die über alle Unterschiede von Rasse, Religion und Sprache erhaben ist, die Stimme der Mütterschaft. Rettet unsere Kinder.“

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