Der seltsame Kampf des Oberrabbiners Friedman

Seit über einem Jahr kämpft Moishe Arye Friedman, nach eigenen Angaben Oberrabbiner, in Wien für eine eigene, orthodoxe Gemeinde. Immer wieder bekommt er dabei Unterstützung von hohen freiheitlichen Politikern. Reiner Zufall, erklärt er im Gespräch mit NU.
Von Alexia Weiss

Moishe Arye Friedman ist erst 29 – und hat doch schon einen weiten Weg hinter sich. Aufgewachsen in den USA, kam er vor rund fünf Jahren nach Wien – und ließ sich hier mit einem deklarierten Ziel nieder: Friedman will eine eigene, orthodoxe Gemeinde gründen. Deshalb betont er gerne seine österre i c h ischen Wu rzeln. Bereits seine Vorfahren lebten in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Und auch an Rabbinern mangelt es in seiner Familie nicht. Bis ins 14. Jahrhundert reicht die Rabbiner-Tradition zurück. Außerdem ist Friedman mit einer Österreicherin verheiratet, die, wie er hervorstreicht, ebenfalls aus einer Rabbinerfamilie stammt. Beste Voraussetzungen für seine hochfliegenden Pläne also?

Auch an politischer Protektion scheint es Friedman nicht zu mangeln. Der Beschneidungszeremonie seines sechsten Kindes, eines Buben, wohnte heuer einer bei, den man wahrscheinlich dort nicht vermutet hätte: der Wiener FPÖ-Chef Hilmar Kabas. Nur einer von mehreren Kontakten des „Oberrabbiners“ – als solcher wird er von der IKG nicht anerkannt – zu den Freiheitlichen. So vertrat ihn ursprünglich sowohl bei seinem Antragsverfahren auf Einrichtung einer eigenen, orthodoxen Gemeinde als auch in seinen zahlreichen Rechtsstreitigkeiten der freiheitliche Nationalratsabgeordnete und Anwalt Martin Graf. Gegen Friedman läuft ein Verfahren wegen „Religionsstörung“und eine Privatklage des IKG-Amtsdirektors Avshalom Hodik wegen „Übler Nachrede“ und „Beleidigung“. Inzwischen scheint das Verhältnis abgekühlt, Friedman hat einen neuen Rechtsvertreter.

Auch mit dem EU-Abgeordneten und FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky hatte Friedman Kontakt aufgenommen. Aufnahmen eines Zusammentreffens im Café Landtmann, veröffentlicht in einem Nachrichtenmagazin, sind stumme Zeugen. Agiert der FP-Mann als Förderer seines Lieblingsprojektes, der Gründung einer eigenen Kultusgemeinde? Nein, meint Friedman, er habe Sichrovsky vielmehr gebeten, ihn bei seinen Initiativen für iranische Juden zu helfen.

Nichtsdestotrotz beeilte sich der freiheitliche Spitzenmann in einem Leserbrief an eine Tageszeitung mitzuteilen, er sei an der Neugründung einer Kultusgemeinde nicht interessiert und fühle sich in religiösen Belangen in der IKG gut aufgehoben. Friedmans Fazit: Sichrovsky sei ja eigentlich ein „zionistischer Agent für Israel“. Und von Zionisten hält Friedman naturgemäß nicht viel.

Aber zurück zur FPÖ – und den seltsamenen Verbindungen des Rabbiners dorthin. Friedman bestreitet, dass er zu den Freiheitlichen bessere Kontakte habe als zu Vertretern anderer Parteien. Er pflege das Gespräch mit allen Fraktionen, aber er habe von vielen der freiheitlichen Politiker eben eine besonders gute Meinung. Die FPÖ stünde auch nicht hinter seinen Bemühungen, eine orthodoxe Gemeinde zu gründen. Dazu, so Friedman, sei er von „Oberrabbinern aus der ganzen Welt“ beauftragt worden.

Auf die Frage, warum er sich nicht unter das Dach der IKG stellen will, folgt ein Konvolut aus schwer nachvollziehbaren Erklärungen. „Die KG ist keine jüdische Religionsgemeinschaft, sondern eine politische, zionistische und kulturelle Bewegung, die sich die Ausrottung der traditionellen jüdischen Religion zum Ziel gesetzt habe“. Deshalb gäbe es für orthodoxe Juden in Wien derzeit auch „keine Religionsfreiheit“. Überall in der Welt gebe es eine strikte Trennung von Reformjudentum und Orthodoxie – nur in Österreich nicht, arg umentiert Friedman. Das Mitgliederpotenzial seiner Gemeinde beziffert er mit 1.500 bis 2.000 Personen. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Sein Antrag auf Einrichtung einer orthodoxen Gemeinde liegt im Kultusamt, das im Bildungsministerium ressortiert. Zunächst gab es Probleme mit den beigebrachten Unterschriften. Dann teilte man Friedman im vergangenen Frühjahr mit, er müsse Nachbesserungen vornehmen. Einerseits geht es dabei um eine Ve rfassung, also ein Statut, in dem die Ritusverschiedenheit zur IKG deutlich wird. Andererseits müsse er Bestandsfähigkeit nachweisen. Obwohl die Frist zur Einreichung dieser Unterlagen längst abgelaufen ist, lässt man im Ministerium das Verfahren offen. Friedman lässt sich trotzdem Zeit. Er ist misstrauisch – und wirft den Beamten des Ministeriums vor, seinen Antrag lieber gestern als heute abschmettern zu wollen. Er geht davon aus, dass er ein ausgereiftes Finanzierungsmodell vorlegen muss, damit sein Antrag positiv erledigt wird. Dem wird im Ministerium entgegen gehalten: die Bestandsfähigkeit fuße vor allem auf der Mitgliederanzahl und der Kontinuität der Aktivitäten. Dennoch hat sich Friedman jüngst in einem Schreiben an die Landeshauptleute gewandt und diese um Subventionen gebeten. Dadurch hofft er, im Ministerium mit besseren Karten dazustehen.

Sein Zorn auf die IKG klingt selbst in dem Brief an die Länderchefs an: denn erfordert diese auf, unter das Kapitel Entschädigungszahlungen einen Schlussstrich zu ziehen und keinesfalls weitere Gelder locker zu machen. Stattdessen solle lieber seine orthodoxe Gemeinde unterstützt werden.

Friedman ist ein eifriger Briefschreiber. Um Unterstützung bat er schon die Regierungsmitglieder, den Bundespräsidenten, den Nationalratspräsidenten, aber auch die katholische Kirche. Das Echo blieb verhalten. Als verstörend werden vor allem seine Attacken gegen die IKG und deren Vertreter empfunden. Die IKG gehe „gegen alle internen Kritiker mit äußerst brutalen Methoden“ vor, verhalte sich „faschistisch“. Hodik wirft er gar vor, ein „Mann mit nationalsozialistischen Meinungen“ zu sein und „gegen Juden in Wien nazische Methoden der dreißiger Jahre“ zu benutzen. Geäußert hat Friedman diese Vorwürfe gegen den IKG-Amtsdirektor ausgerechnet in einem Schreiben an das Bildungsministerium.

Hodik hat daher eine Privatklage eingebracht. Der Amtsdirektor der IKG bestätigte gegenüber N U zwar, die Klage eingebracht zu haben. Näher wollte Hodik allerdings nicht dazu Stellung nehmen. Es handle sich um eine „Ve rteidigungsmaßnahme“, für die er sich seitens der Rabbiner Rückendeckung geholt habe. Er habe den Rabbinern allerdings auch zugesagt, mit der Sache nicht an die Öffentlichkeit zu gehen und daran wolle er sich halten, sagte Hodik.

Zurückhaltung ist Friedmans Sache dagegen nicht. Auch gegenüber N U erklärt er, er halte all seine Vorwürfe gegen die IKG aufrecht, selbst wenn das weitere Klagen nach sich ziehe. Vor Gericht werde er darlegen, dass es sich um eine „Religionsfrage“ handle.

Wien werde er auf keinen Fall verlassen. Dass er weggehe, das sei doch genau das, „was die wollen“. Im Übrigen betont Friedman, er habe für viele Mitglieder der IKG bereits Gutes getan. Und zwar mit einer Aktion, in deren Rahmen koschere Milchprodukte wesentlich günstiger als üblich über zwei Filialen einer Supermarktkette angeboten worden seien. Dafür sei er extra zur Beaufsichtigung der Produktion nach Salzburg gefahren.

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