Der neue Messias

Der Messias ist da und demonstriert sich selbst. ©Guy Butavia, CC BY-SA 3.0

Von Theodor Much

Seit vielen Jahren besitze ich beste Kontakte zur Himmelsverwaltung und zum himmlischen Zentralrat. Deshalb kann ich Direktberichte aus dem Paradies der Menschheit liefern: Die Ankunft des neuen Messias steht unmittelbar bevor!

Voraussetzen muss ich, dass im Himmel schon seit mehreren Jahren große Unsicherheit in Bezug auf die Rolle des künftigen Messias Menachem Schneerson herrscht. Denn der heilige Menachem, den viele seiner Chabad-Anhänger – zu Recht – als den zukünftigen Messias sehen, weigert sich seit Jahren standhaft, Israel zu betreten, vor allem wegen der Sündhaftigkeit seiner Bürger. Denn in Israel gibt es, seiner Meinung nach, viel zu viele ungläubige Juden, die unter anderem am Schabbat Auto fahren und die Speisegesetze viel zu wenig beachten.

Menachem ist auch über den dortigen Umgang mit Frauen, die viel zu viele Freiheiten genießen und sogar Militärdienst leisten, sehr unglücklich. Die Himmelsverwaltung erwägt daher, wie ich aus bestinformierten Kreisen höre, einen neuen Messiaskandidaten auszuwählen. Bei solch einer Suche muss natürlich sehr vorsichtig vorgegangen werden, denn falsche Messiaskandidaten gab es schon immer. Ich denke an die zwölf bekannten Möchtegern-Messiasanwärter, wie zum Beispiel Theudas (44 n. d. Z.), Eleasar ben Dinseus (53 n. d. Z.), Menachem der Zelote (66 n. d. Z.), Simon ben Giora (70 n. d. Z.), Jonathan der Sikarier (73 n. d. Z.), Simon bar Kochba (132 n. d. Z.) und Sabbatai Zwi im 17. Jahrhundert. Einige wurden von den Römern gekreuzigt, doch keiner von ihnen wurde wegen der Behauptung, der Messias zu sein, jemals vor ein jüdisches Gericht gestellt. Der von den Römern gekreuzigte Jesus von Nazareth hat übrigens nie in der Öffentlichkeit behauptet, der Messias zu sein.

Für das „Messias now“-Komitee war es daher nicht einfach, einen würdigen Messiaskandidaten in der Nachfolge von Menachem Schneerson zu finden. Daher führten die größten Gelehrten im himmlischen Komitee lange Diskussionen über jeden einzelnen Kandidaten. Natürlich musste auch geprüft werden, wer von den möglichen Kandidaten aus dem Hause David stammt.

Wie sich nun herausstellte, fand das Komitee nach langen und hitzigen Diskussionen einen sehr geeigneten Messiaskandidaten, ist aber noch auf der Suche nach dem vorgeschriebenen weißen Esel, auf dem der Messias das Heilige Land betreten soll. Bedauerlicherweise ist es bisher noch nicht gelungen, im Paradies einen weißen Esel zu finden, sodass der israelische Ministerpräsident mit der ehrenvollen Aufgabe beauftragt wurde, einen geeigneten weißen Esel im Heiligen Land zu suchen.

Itamar Ben-Gvir ist der Jungstar der israelischen Politik: Eine allseits bewunderte Persönlichkeit, ein Mann mit großartigen Charaktereigenschaften und ein hervorragender Streiter für Großisrael. Er war zunächst Mitglied einer Jugendorganisation, die für den „Transfer“ der Palästinenser aus Israel eintrat. Danach wurde er Mitglied der glorreichen Kach-Partei, die bedauerlicherweise von der israelischen Regierung als Terrororganisation eingestuft und verboten wurde. Aufgrund seiner Bekanntheit als mutiger Patriot wurde Itamar von undankbaren Generälen vom Armeedienst ausgeschlossen. Später studierte er Rechtswissenschaften und wurde Anwalt von zu Unrecht verfolgten heldenhaften Aktivisten, darunter auch Bentzi Gopstein, einem Zögling des heiligen Meir Kahane, der die Feinde Israels bekämpfte und dabei einen Säugling bei lebendigem Leib verbrannte. Itamar vertrat auch die lobenswerte Organisation Lehava, die gegen sündige Mischehen auftritt. Im Jahr 2007 wurde Itamar wegen angeblicher Anstiftung zum Rassismus und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilt, nur weil er bei einer Demonstration mutig Schilder mit der Aufschrift „Vertreibt den arabischen Feind“ und „Rabbiner Kahane hatte recht“ trug. Hier muss erwähnt werden, dass Rabbiner Kahane stets der Meinung war, dass man zwar Juden nicht ermorden dürfe, Nichtjuden hingegen sehr wohl. In den 1990er Jahren war Itamar bei den Protesten gegen das verräterische Oslo-Abkommen aktiv. 1995 trat er im Fernsehen auf, zeigte stolz ein Cadillac-Emblem, das er von Rabins Auto entwendet hatte, und erklärte vielversprechend: „Wir haben sein Auto gekriegt und wir werden auch ihn (Ministerpräsident Rabin, Anm.) drankriegen.“

Bis zum Jahr 2020 präsentierte Itamar in seinem Wohnzimmer ein Foto vom heiligen Dr. Baruch Goldstein, einem Siedler, der im verständlichen Zorn 29 Palästinenser in Hebron umgebracht hatte. Im Mai 2021 unterstützte Itamar jüdische Siedler in Ostjerusalemer Stadtvierteln, dabei bedrohte er palästinensische Einwohner mit einer Pistole und forderte die Polizisten auf, auf Demonstranten zu schießen, was sie bedauerlicher Weise nicht taten. Im Februar 2021 sagte Benjamin Netanjahu, Ben-Gvir werde zwar ein Teil seiner zukünftigen Koalition sein, er sei allerdings nicht geeignet für einen einflussreichen Posten in seiner Regierung. Gott sei Dank vergaß Netanjahu seine unsinnige Behauptung und ernannte Itamar, jetzt Chef der heiligen Partei Otzma Jehudit („Jüdische Macht“), zum Minister für Nationale Sicherheit. Nun darf Itamar auch eine eigene Privatarmee befehlen, die jederzeit gegen jüdische Verräter vorgehen kann und zum Schutz des künftigen Messias dienen soll.

Alle Handlungen Itamars wurden von den himmlischen Behörden registriert und für gut befunden. Es ist daher naheliegend, dass Itamar – der sicherlich dem Hause David entstammt – nun anstelle des etwas schwierigen Menachem Schneerson als der kommende Messias aufgebaut werden soll.

Wie ich heute hörte, wird im Paradies ein geeigneter weißer Esel wieder intensiv gesucht, auf dem Itamar bei seiner Ankunft in Jerusalem reiten soll. Geplant ist auch ein Esel-Reitkurs, um Itamar ein würdiges Auftreten zu sichern. Natürlich wäre es auch wichtig, dass Itamar etwas abspeckt, um den weißen Esel zu entlasten.

Wir alle freuen uns auf die Ankunft des neuernannten Messias und hoffen auf sein baldiges Erscheinen, zum Wohle Israels und der ganzen Menschheit.

PS: Auf die erfreuliche Nachricht seiner Nominierung hat Itamar noch nicht öffentlich reagiert, wohl aus allzu großer Bescheidenheit.

Die mobile Version verlassen