Der Mensch denkt und Gott lenkt

In ihrem Roman Der Duft des Regens auf dem Balkan, erschienen im Hollitzer- Verlag, erzählt Gordana Kuic die Geschichte ihrer sephardisch-jüdischen Familie aus Sarajevo.
VON IDA SALAMON

Die fünf Schwestern Salom
Oben: Nina, Buka und Klara
Unten: Riki und rechts Blanki

Damals, in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, wurde das Buch Der Duft des Regens auf dem Balkan wie ein Schatz von Hand zu Hand weitergereicht. Der Herausgeber dachte, dass der Roman einer unbekannten Autorin sich nur schwer verkaufen würde und ließ zunächst nur eine kleinere Auflage drucken. Innerhalb weniger Monaten waren trotz des sehr hohen Preises alle Bücher verkauft.

Die Geschichte der Bestsellerautorin Gordana Kuic aus Belgrad beginnt in Sarajevo im Jahr 1914 mit Vorbereitungen der Familie Salom für den Besuch des Thronfolgers Franz Ferdinand. Die Hauptfiguren des Romans, die fünf jüdisch- sephardischen Schwestern Nina, Buka, Klara, Blanki und Riki leben in einer Welt, die zwischen Tradition und Modernisierung im Wandel begriffen ist. Die Erzählerin schlägt einen historischen Bogen, der die Zeit der Umbrüche und der schicksalhaften Jahre zwischen 1914 und 1945 umfasst.

Fünf ganz besondere Frauen

„Sarajevo war eine kleine Stadt, mit sehr strengen Regeln“, sagt die Autorin im Gespräch mit NU über die traditionelle multikonfessionelle Gemeinschaft, die sie in ihrem Roman beschreibt. „Meine Mutter und meine Tanten waren besondere Frauen mit  Zielen außerhalb des akzeptablen gesellschaftlichen Rahmens. Trotzdem haben sie ihre Ziele nicht aufgegeben und ihre Träume verwirklicht.“

Kuics Mutter Blanka lebte in einer festen Beziehung „mit meinem zukünftigen Vater, den sie später geheiratet hat – einem Serben. So etwas kam damals nicht vor.“ Die jüngste Tochter Riki war Ballerina, und „das wurde ähnlich wie Prostitution betrachtet“. Klara heiratete einen Katholiken aus Dalmatien, sie reiste um die Welt. Tante Nina eröffnete und führte einen Modesalon namens „Chapeaux – Chic – Parisien“ im Zentrum der Stadt. Alleine, ohne einen Mann an ihrer Seite, „im damaligen Sarajevo war das undenkbar!“ Die älteste Schwester Buka beschäftigte sich mit Geschichte, Literatur und Schriftstellerei, was auch „ziemlich ungewöhnlich war für jemanden, der aus einer traditionellen Umgebung stammt“, so Gordana Kuic über ihre Familie, die eigentlich Levi geheißen hat. Die Stabilität, Unterstützung und Liebe innerhalb dieser Familie, die im Roman sehr lebendig geschildert wird, haben sicherlich zum Erfolg des Buchs und der Schöpferin beigetragen.

5.000 Seiten Text

Der Roman entstand in Gordana Kuics Wohnung im Zentrum von Belgrad: Hohe Flügeltüren mit Scheiben aus geschliffenem Glas, antike Massivholzmöbel, altes Silber, Kristallstücke und ein Kachelofen bildeten die Kulisse für ihr Werk.

Noch in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts – Gordana Kuic arbeitete damals als Beraterin in der amerikanischen Botschaft in Belgrad –, saß die Autorin jedes Wochenende, ein ganzes Jahr hindurch, in dieser Wohnung und stellte ihrer Mutter Blanka Fragen, auf die sie detaillierte Antworten bekam. Die Mutter beschrieb die gesellschaftliche Atmosphäre ebenso lebhaft wie das Familienleben und die Charaktere aller Personen, über die sie sprach. Sie kannte alte sephardische Sprichwörter und Romanzen, und so kommen im Roman oft Sätze in Ladino (auch als Djudezmo oder Espanyol bekannt), der traditionellen Sprache der sephardischen Juden, vor. Aus den Erzählungen der Mutter Blanka entstand ein 5.000 Seiten umfassendes Manuskript.

Auf den ersten Roman von Gordana Kuic folgten acht weitere Romane sowie 50 Erzählungen, die in zwei Sammelbänden publiziert wurden. „Immer wenn ich ein Buch fertig geschrieben habe, war ich überzeugt, dass das das letzte ist. Aber wie meine Mutter zu sagen pflegte: ‚Der Mensch denkt und Gott lenkt‘.

Die mobile Version verlassen