Dajgezzen und Chochmezzen

Peter Menasse und Rainer Nowak haben sich diesmal in der ÖBB-Kantine am Wiener Praterstern getroffen.

Menasse: Eine ÖBB-Kantine ganz ohne Leute.

Nowak: Es ist Freitag, entweder sind sie schon im Wochenende oder im Zug.

Menasse: Das sind wieder deine Vorurteile. Die Bahn fährt doch auch am Samstag und Sonntag. Es könnte nur sein, dass die ÖBB-ler heute ein wenig Verspätung haben.

Nowak: Du wirst mich nicht schon wieder in das neoliberale Eck drängen. Ich habe nicht etwa gesagt: Keiner ist hier, da gerade eine Frühpensionierungs- Anmeldungswelle anläuft. Vielmehr könnte ich mir vorstellen, dass das Gabelfrühstück-Angebot in dieser Kantine noch Potenzial nach oben hat.

Menasse: Warum sind wir überhaupt hier? Ist das nur eine deiner üblichen skurrilen Ideen, oder wolltest du damit etwas ausdrücken?

Nowak: Wir hätten uns pünktlich zur Fastenzeit auch in eine Opernball-Loge zwängen können. Aber dein Gedächtnis ist seit deinem 40. Geburtstag vor ein paar Tagen ein wenig lückenhaft. Du hast beim letzten Mal vorgeschlagen, in ein Lokal mit linker Deutungshoheit zu gehen – voilà.

Menasse: Es sind die ÖBB und das Verkehrswesen unzweifelhaft Zentralen der österreichischen Macht. Immerhin sind zwei ehemalige Verkehrsminister Bundeskanzler und erste Nationalratspräsidentin. Jetzt fehlt nur noch, dass Minister Stöger Bundespräsident wird, dann sind die drei höchsten Positionen des Staates verkehrstechnisch besetzt.

Nowak: Jetzt noch schnell ein Mehrheitswahlrecht, und ich bewerbe mich als Speisewagen-Staatssekretär – aber nur unter Österreich-CEO Christian Kern.

Menasse: Dem armen Generaldirektor Kern tut man nichts Gutes, wenn man ihn ständig als Konkurrenz zu Herrn Faymann nennt.

Nowak: Ja, der Arme muss ständig mit SPÖ-Landesfürsten auf Bälle gehen. Dabei ist er noch gar nicht Kanzler.

Menasse: Du bist ein klassischer Journalist. Du redest immer nur von Personen und nicht von Inhalten. Dabei wird doch gerade in der Regierung so intensiv über eine Steuerreform verhandelt.

Nowak: Klassische Journalisten sind auch immer kleine Propheten. Also, der Steuerreform-Kompromiss schaut wie folgt aus: Die Lohnsteuer sinkt für alle ein bisschen. Die Gegenfinanzierung steht auf geduldigem Papier – Betrugsbekämpfung, höherer Konsum durch die Steuersenkung und Wirtschaftsaufschwung. Wir beide zahlen mehr Sozialversicherungsbeiträge. Das ist eine weltexklusive NU-Information, gegeben schon heute, am 20. Februar, also drei Wochen vor dem angepeilten Ende der Verhandlungen.

Menasse: Skeptiker gehen allerdings davon aus, dass die Mehrwertsteuer erhöht wird, sodass die minimalen Lohnsteuersenkungen gerade so hoch sind, wie das Mehr an Mehrwertsteuer, das wir Konsumenten zu löhnen haben. Das nennt man ein Nullsummenspiel, wobei wir dabei die Nullen sind.

Nowak: Die Bundesregierung bevorzugt das Begriffsduo ausgaben- und einnahmenneutral. Ich werde jetzt dann meinen Griechenland-Urlaub buchen. Ist es eigentlich solidarischer, mit den ÖBB nach Kärnten oder mit der AUA nach Kreta zu reisen, Herr Menasse?

Menasse: Ich dachte, du fährst mit dem BMW nach Monaco. Ich überlege hingegen, mit der Bahn nach Griechenland zu reisen. Das einzige Problem dort wird sein, nicht für einen Deutschen gehalten zu werden.

Nowak: Nimm ein paar Eulen nach Athen mit. Damit sie dort wenigstens irgendwas haben.

Menasse: Kommen wir zum Kern unserer Sache zurück. Der Mann ist doch von seinem ganzen Habitus her ein klassischer Manager. Wäre er nicht für dich eine Idealbesetzung als Bundeskanzler?

Nowak: Du meinst so eine Art Wolf im Schafspelz aus bürgerlicher Sicht? Wenn ich ihn jetzt als Kanzlerkandidaten empfehle, schade ich ihm wirklich. Das will ich nicht. Daher: Wählt Werner Faymann, Genossen!

Menasse: Na bumm. Wenn ich das wem aus dem Kontext gerissen erzähle, wird diese Empfehlung nicht nur dem Faymann, sondern auch dir schaden.

Nowak: NU-Autoren und ihre Leser bewegen sich ausschließlich im Kontext. Das unterscheidet sie von anderen.

Menasse: Du würdest erstaunt sein, wer aller NU liest. Und das nicht, weil du dabei bist, sondern weil das Heft so großartig ist. Es gibt ja unter anderem einen Autor, der eine regelmäßige Kolumne in der Presse hat und damit die Qualität deiner Zeitung deutlich erhöht.

Nowak: Christian Ortner schreibt jetzt auch schon für NU?

Menasse: Den würdest du jedenfalls nicht in eine ÖBB-Kantine bekommen.

Nowak: Und wenn, würde der Sicherheitsdienst gerufen werden.

Menasse: Du hast ja heute noch einen Termin, wie ich weiß. Machen wir Schluss. Wir von den ÖBB hassen nämlich Verspätungen.

Nowak: Das mit dem Termin stimmt. Es ist Freitag früh, ich muss pünktlich ins Wochenende.

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