Dajgezzen und Chochmezzen

dajgezzen* und chochmezzen** über die österreichische Asylgesetzgebung, Restitution und die Pole-Position von Alfred Gusenbauer.
Der Zwiekommentar von Peter Menasse und Erwin Javor

Menasse: Nu, was ist im Busch?

Javor: Sei mir nicht böse, wenn ich dir sagen muss, dass du schon wieder mit einer Prognose kräftig danebengehaut hast. Ich erinnere mich genau an dein „carry on Kerry“. Hat aber so was von nichts genützt, mein Lieber.

Menasse: Ich weiß, wir sind wieder unter den Busch gefallen. Ich verliere grundsätzlich bei Wahlen. Wen immer ich unterstütze, der hat schon den Scherben auf. Das ist ja auch das Problem der Wiener Austria. Aber nur deswegen werde ich das nächste Mal auch nicht den Herrn Schüssel wählen.

Javor: Was, so eine Freude willst du ihm machen? Na bitte. Im Übrigen bist du ein echter Europäer. Du willst, wie alle hier, den Amerikanern vorschreiben, wen sie wählen sollen. Damit wäre ich nur unter der Bedingung einverstanden, dass die Amerikaner uns vorschreiben dürften, wer in Kärnten Landeshauptmann werden muss.

Menasse: Gut, der Haider tät’s nicht werden, aber kennst du sonst jemand in Kärnten, den man ernst nehmen kann? Ambrozy? Seyfried? Die Namen von den ÖVPlern fallen einem ja gar nicht ein. Die armen Amerikaner – eine solche Wahl.

Javor: Ich bin für Udo Jürgens – „70 Jahr‘, gefärbtes Haar“. Was sagst du übrigens zur neuen Außenministerin? Endlich ein Regierungsmitglied, zu dem man aufblicken muss.

Menasse: Ja, super: die Erste, die mit 101 Staatschefs von oben herab sprechen kann.

Javor: Unlängst habe ich in der Zeitung „Die Presse“ ein Interview unseres Präsidenten gelesen, das mich schockiert hat.

Menasse: Uj, du fängst schon wieder mit Fußball an. Aber bitte lass den Austria-Präsidenten Peter Langer in Ruhe, der ist ein Freund von mir.

Javor: Nein, ich meine doch den Präsidenten Muzicant. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass er Teile der FPÖ für durchaus respektabel hält. Er sagt dort, er würde sich hüten, Herbert Scheibner oder Ursula Haubner irgendwelche Vorwürfe zu machen.

Menasse: Im Jahr 2000 hat er noch eine Brandrede auf dem Heldenplatz vor 250.000 Menschen gegen die schwarz-blaue Regierung gehalten. Inzwischen lobt er die scheidende Außenministerin euphorisch, ist mit dem Kanzler wieder ganz auf Bussi-Bussi, obwohl vieles von dem, was wir befürchtet haben, eingetreten ist. Gerade lese ich von inquisitorischen Untersuchungen gegen Rechtsanwälte, die für Asylanten eintreten, und Haider fordert die Videoüberwachung aller österreichischen Schüler, weil in Kärnten einer Haschisch geraucht hat. Ein schönes Land ist das geworden.

Javor: Dabei liegt die Analogie doch klar auf der Hand. In der Zeit ab 1938 haben wir Juden in allen Ländern hilfreiche Anwälte gebraucht, um überleben zu können. Und nach dem Krieg wurden Flüchtlinge auch in Österreich willkommen geheißen. Ich selbst konnte mit meinen Eltern hierher flüchten. Heute wäre das nicht mehr möglich, ein Ergebnis der Politik dieser Regierung. Das sind Muzicants neue Freunde?

Menasse: Ich habe den Eindruck, dass ihm – bei allem Respekt gegenüber Israel – dieses Land wichtiger ist als das Schicksal der Juden in Österreich. Wenn er den israelischen Präsidenten zu einem Empfang hierher bringen kann, setzt er sich mit der österreichischen Regierung, die er eben noch kritisiert hat, an den Galatisch.

Javor: Ich bin ja in den Ansichten zu Israel mit Muzicant völlig einer Meinung. Mich schockiert jedoch außerordentlich, wenn er in dem Interview launig von sich gibt, dass er derzeit keine Gespräche zum Thema Restitution führe und sich diese Frage „irgendwann einmal erledigen wird“. Was heißt das? Will er warten, bis die Leute, denen die Restitution zusteht, allesamt tot sind, damit sich das Problem dann „erledigt“ hat?

Menasse: Er hat sich in der Frage der Restitution durch eigene Schuld in eine Position gebracht, die er nicht mehr leicht auflösen kann. Er hat sich und die Regierung durch die Verknüpfung mit den amerikanischen Prozessen in eine Sackgasse geführt, aus der er jetzt auch keinen Ausweg mehr sucht. Er sitzt am Ende der Sackgasse, hat es sich dort mit der Regierung nett eingerichtet und vergisst auf die alten Leute, die auf ihre Entschädigung warten und die ihm vertrauen.

Javor: Die Art, wie österreichische Regierungen seit 1945 mit dem Thema Restitution umgegangen sind, gehört ja förmlich in ein Lehrbuch für gelungene Verhandlungsführung. Wem sonst gelingt es, sechzig Jahre lang zu verhandeln, dabei den Eindruck zu vermitteln, man wolle seinen Verpflichtungen gerne nachkommen und doch kaum was herzugeben. Das könnte man gut als Modell für die Gespräche zum EU-Beitritt der Türkei verwenden. Schüssel sagt vermutlich deswegen, man solle mit den Türken in offene Verhandlungen eintreten. Da sind die armen Türken dann noch in sechzig Jahren am Besprechungstisch.

Menasse: Dem Gusenbauer blüht das gleiche Schicksal. Es dauert mindestens noch sechzig Jahre, bis er Kanzler wird.

Javor: Nu, wenn er dann nur startklar ist.

Menasse: Herr Ober, einen neuen Gast.

 

*dajgezzen: sich auf hohem Niveau Sorgen machen

**chochmezzen: alles so verkomplizieren, dass niemand – einschließlich einem selbst – sich mehr auskennt

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