Aus tiefster Überzeugung

„Als Provokateur stört er die Gegenwart, indem er uns an die Vergangenheit erinnert“: Simon Wiesenthal im Jahr 2005. © Krobath Barbara / picturedesk.com

Der Simon-Wiesenthal-Preis setzt dem unermüdlichen Aufklärer ein spätes Denkmal.

Von Nini Schand

Gemäß seinem Motto „Recht, nicht Rache“ hat Simon Wiesenthal sein Leben dem Kampf um Gerechtigkeit gewidmet. Ab seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Mauthausen 1945 machte er es sich zur Lebensaufgabe, die Täter des Naziregimes auszuforschen, um deren gerichtliche Verfolgung zu ermöglichen. Wiesenthal ging es nicht um persönliche Rachegefühle aufgrund seines eigenen Schicksals, sondern aus tiefster Überzeugung um die Anrufung des Rechtstaats.

Paulinka Kreisberg, Tochter Simon Wiesenthals, unterstreicht dieses Anliegen. „Gerade in der heutigen Zeit, in der Rassismus und Antisemitismus zunehmen und in der der Holocaust vermehrt geleugnet wird“, so Kreisberg, sei die Verleihung eines solchen Preises von besonderer Bedeutung. Die gesetzliche Grundlage dafür wurde vergangenes Jahr auf Basis eines von SPÖ, ÖVP, Grünen und Neos eingebrachten Gesetzesantrags geschaffen und im Nationalrat beschlossen. Die Abwicklung erfolgt über den Nationalfonds.

Simon Wiesenthal war ein Unbequemer, der nicht lockergelassen und nicht nur für Österreich, sondern auch international Außergewöhnliches geleistet hat. Anton Pelinka brachte dies anlässlich seines 90. Geburtstags auf den Punkt: „Simon Wiesenthal war und ist für die österreichische Politik das, was wohl am besten ein positiver Störfaktor genannt werden kann: Er stört die politische Routine – und zwingt so die politischen Akteure, diese Routine neu zu überdenken. Simon Wiesenthal provoziert. Als Provokateur stört er die Gegenwart, indem er uns an die Vergangenheit erinnert. Indem er die Gegenwart aber so stört, arbeitet er für die Zukunft; für die österreichische, für eine europäische Zukunft.“

Wiesenthal sah sich mit seiner Arbeit von Beginn an Anfeindungen ausgesetzt. Doch er ließ sich in seiner Überzeugung und Tätigkeit auch durch seine heftige mehrjährige Kontroverse mit Bruno Kreisky Anfang der siebziger Jahre nicht beirren. Als ihm die SPÖ unter dem damaligen Klubobmann Heinz Fischer einen Untersuchungsausschuss androhte, zog er zwar die Klage gegen Kreisky, dem er Kooperation mit der Gestapo vorgeworfen hatte, zurück. Dennoch hielt er trotz des anhaltenden Widerstands und zunächst auch mangelnder offizieller Unterstützung aus tiefster Überzeugung an seiner Berufung fest. Lange wurde er, wie Jurymitglied Bailer-Galanda betont, „wegen seines Engagements in Österreich angefeindet, viel zu spät erst erfuhr er die Anerkennung, die ihm gebührte.“

Im Sinne Wiesenthals steht bei diesem Preis die Stärkung und Anerkennung zivilgesellschaftlichen Engagements im Vordergrund – als ein Beitrag dafür, in Zukunft auch ohne Zeitzeugen und Zeitzeuginnen das Gedenken an den Holocaust weiterzutragen. Und es sollen die vielen Projekte sichtbar gemacht und zu weiterem Engagement angeregt werden. Dieser zivilgesellschaftliche Einsatz kann sehr vielfältig sein: von der konkreten Wissensvermittlung über den Holocaust, der Stärkung des Bewusstseins für die Gefahren des Antisemitismus bis zur Zivilcourage und dem Einsatz für eine nachhaltige Gedenkkultur. Um den Charakter des zivilgesellschaftlichen Engagements zu betonen, wurden staatliche, politische und andere öffentliche Einrichtungen sowie kommerzielle Initiativen von einer Einreichung ausgenommen. Der mit 30.000 Euro dotierte Preis wird am 9. Dezember vergeben.

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