Anspruch und Wirklichkeit

Im Gedenkjahr 2005 bemüht sich das offizielle Österreich, sein Verhältnis zu Juden in der Öffentlichkeit als geläutert und positiv darzustellen. Davon zeugen die Feierlichkeiten anlässlich des 60-Jahre-Jubiläums der Befreiung des KZ Mauthausen ebenso wie das geäußerte Bemühen, die Entschädigungszahlungen an Opfer der NS-„Arisierungen“ so rasch als möglich vorzunehmen. Blättert man in den Protokollen und Zitaten der Zweiten Republik, stellt sich das Bild freilich anders dar. Im Folgenden ein Streifzug durch die vergangenen 60 Jahre, großteils entnommen der dieses Frühjahr im Jüdischen Museum gezeigten Schau „Jetzt ist er bös, der Tennenbaum. Die Zweite Republik und ihre Juden“.
Von Alexia Weiss

Handelsminister Ernst Kolb (ÖVP), 1946: „Österreich hat nichts gutzumachen, weil es nichts verbrochen hat.“ Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP), 1946: „Wir heißen alle Österreicher bei uns willkommen – aber als Österreicher, nicht als Juden.“ Bürgermeister Theodor Körner (SPÖ), 1947: „Der Wiener ist Weltbürger und daher von vornherein kein Antisemit. Antisemitische Tendenzen sind ihm auch jetzt vollkommen fremd.“ Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP), 1947: „Die Juden wollen halt rasch reich werden.“ Minister Karl Altmann (KPÖ) zu Krawallen in Ischl, 1947: „Es ist kein Zweifel, dass sich nach den Erklärungen vor dem Bürgermeisteramt ein Teil der Demonstranten vor ein jüdisches (DP)-Lager begeben hat. Das ist doch keine Ursache, dass man da schon von einer antisemitischen Demonstration spricht. Dass das Lager ein jüdisches war, hat niemand bezweifelt, aber hier handelte es sich um die Schleichhändler in diesem Lager und nicht um einen Angriff gegen die Juden.“ Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP) im Ministerrat, 1947: „Richtig ist jedoch, dass nirgends so wenig Antisemitismus festzustellen ist wie in Österreich und in keinem Land das Volk von einer solchen Duldsamkeit ist wie bei uns.“ Parteibroschüre der KPÖ, vermutlich 1947 verfasst, für den Inhalt verantwortlich: Theodor Maller: „Es handelt sich ja nicht nur um Rothschild. Gleich ihm warten Dutzende anderer Großkapitalisten, die zuerst unser Volk ins Unglück führten und dann ins Ausland gingen, darauf, wieder die Herrschaft in Österreich anzutreten.“ … und ebendort: „Rothschild hat freilich seit jeher Praxis darin, von Österreich Geschenke zu fordern und zu erhalten.“ Innenminister Oskar Helmer (SPÖ) über Entschädigungsforderungen, 1948: „Ich wäre dafür, dass man die Sache in die Länge zieht.“ Landwirtschaftsminister Josef Kraus (ÖVP), 1948: „Ich weiß aber nicht, wie gerade jetzt eine Rasse besondere Privilegien bekommen soll. Andere, die nicht weggingen, bekommen keine Unterstützung, die Juden aber sollen eine solche erhalten.“ Der spätere Bundeskanzler Alfons Gorbach (ÖVP), 1949: „Da mögen die Herren Emigranten noch so viel Moralinsäure verspritzen: Jene, die draußen (an der Front) ihren Mann gestanden haben, wissen besser, was anständig ist, als jene, die sich beim ersten Kräuseln des Ozeans in Übersee in Sicherheit gebracht haben. Ich spreche den Emigranten das Recht ab, in der NS-Frage mitzureden.“ Wahlslogan für Bundespräsidentschaftskandidat Adolf Schärf, 1957: „Wer einmal schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr.“ Nationalratsabgeordneter Alois Scheibengraf (ÖVP) zu Bruno Kreisky, 1966: „Sie sind ein Saujud.“ Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ), 1975: „Wiesenthal ist ein Gestapo-Kollaborateur.“ Kärntner Landeshauptmann Leopold Wagner (SPÖ), 1975: „Ich bin stolz darauf, ein hochgradiger Hitlerjunge gewesen zu sein.“ Fritz Edlinger (SPÖ), als Vorsitzender der „Jungen Generation“, 1982: „Anstatt sich stets durch billige und oberflächliche Appelle an das schlechte Gewissen bzw. die Verpflichtung zur Wiedergutmachung an die österreichische bzw. europäische Bevölkerung zu wenden, sollten Sie besser einmal genauer und kritischer die politische Entwicklung in dem von Ihnen mit unkritischer Verbissenheit verteidigten israelischen Staat ansehen …“ Jörg Haider (FPÖ), 1986: „Die Soldaten in Stalingrad, gleichgültig ob Deutsche oder Österreicher, haben sich geopfert, um die Heimat zu schützen.“ ÖVP-Generalsekretär Michael Graff, 1986: „Waldheim muss nicht zurücktreten, wenn man ihm nicht nachweisen kann, dass er sechs Juden eigenhändig erwürgt hat.“ Peter Müller (FPÖ), 1990: „Dem Wiesenthal habe ich gesagt, wir bauen schon wieder Öfen, aber nicht für Sie, Herr Wiesenthal – Sie haben im Jörgl seiner Pfeife Platz.“ Jörg Haider (FPÖ), 1991: „Nein, das hat es im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie eine ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt.“ Reinhard Gaugg (FPÖ) buchstabiert das Wort „Nazi“, 1993: „Neu, attraktiv, zielstrebig, ideenreich.“ Jörg Haider (FPÖ) beim Treffen der Waffen-SS in Krumpendorf, 1995: „Es ist gut, dass es in dieser Welt noch anständige Menschen gibt, die einen Charakter haben, die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind.“ FPÖ-Bundesrat John Gudenus anlässlich der Wehrmachtsausstellung, 1995: „Gaskammern? Ich halte mich da raus! Ich glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist.“ Jörg Haider (FPÖ), 1995: „Die Waffen-SS war Teil der Wehrmacht und es kommt ihr daher alle Ehre und Anerkennung zu.“ Jörg Haider (FPÖ), 1995: „Denn das Nichtintegrieren einer ethnischen Minderheit, die schon einmal vor 50 Jahren fast vernichtet wurde in den Straflagern des Nationalsozialismus, sie wiederauszusiedeln und auszugrenzen, hängt damit zusammen, dass man den Willen, den man hier bekundet, in der praktischen Politik gar nicht einbringt.“ Kärntner Landtagsabgeordneter Gebhard Arbeiter (SPÖ), 1999: „Nach Ausserwinkler und Manzenreiter ist endlich ein Mann vonnöten, der den Zugang zur Basis hat. Da halte ich mich an Goebbels, der gesagt hat: Das Volk muss fühlen, wer das Sagen hat.“ Ernest Windholz (FPÖ), 2000: „Unsere Ehre heißt Treue.“ Karl Blecha (SPÖ), 2000: „… (der) Judenstaat … wurde zum Muster eines Unrechtsstaates der Rassendiskriminierung.“ Hans Asamer (ÖVP), Ex-Bürgermeiser von Ohlsdorf, 2000: „Die Juden treiben’s noch so weit, bis sie wieder eine am Deckel kriegen.“ FPÖ- Volksanwalt Ewald Stadler, 2002: Österreich sei 1945 „angeblich von Faschismus und Tyrannei befreit“ worden. Er würde von Nationalsozialismus oder der Besatzung durch die Alliierten „keines vorziehen“. Bundesrat Siegfried Kampl (von der FPÖ zum BZÖ gewechselt), 2005: „Wehrmachtsdeserteure“ seien „zum Teil Kameradenmörder“ gewesen und nach 1945 habe es eine „brutale Naziverfolgung“ gegeben. FPÖ-Bundesrat John Gudenus, 2005: „Es gab Gaskammern, aber nicht im Dritten Reich. Sondern in Polen. So steht es auch in Schulbüchern. Ich habe nie gesagt, dass ich prinzipiell Gaskammern anzweifle.“

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